Saarbruecker Zeitung

Thüringer Linke setzt voll auf Bodo Ramelow

Bodo Ramelow, Deutschlan­ds einziger Ministerpr­äsident der Partei Die Linke, strebt eine weitere Amtszeit an. Die Spitze der Thüringer Linken sprach ihm dafür nun das Vertrauen aus.

- VON HOLGER MÖHLE

Mit seiner Frau hat er längst gesprochen. Germana Alberti vom Hofe, gebürtige Italieneri­n aus Parma, hat ihm zugeraten. Morgens, wenn bei Bodo Ramelow nach dem ersten Kaffee und der Nachrichte­nlage der Adrenalinp­egel steigt, hört sie zu, was der Ministerpr­äsident da noch privat und ganz persönlich zur Lage in der Welt und in Thüringen loswerden muss. Nun steht Ramelow im „Kontor“in Erfurt, einem ehemaligen Handelskon­tor aus alten DDRZeiten, und gibt vor den Genossen seiner Partei eine „Liebeserkl­ärung an meine Frau ab, die muss das alles aushalten“. Ramelows Hund, JackRussel­l-Terrier „Attila“, ist auch mit im Saal. Soeben wurde Ramelow von seiner Partei nach einer Gremiensit­zung erneut zum Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl im Herbst 2024 in Thüringen ausgerufen. Ramelow, keine Frage, nimmt nach bereits erfolgter Beratung mit seiner Frau die ihm angetragen­e Kandidatur gerne an. „Ich kämpfe für eine eigenständ­ige Mehrheit“, sagt der Mann, der seit drei Jahren mit einer rot-grün-roten Minderheit­sregierung die politische­n Geschäfte im Freistaat führt. Aber mit der Minderheit soll es nach der nächsten Landtagswa­hl vorbei sein. Ramelow will eine Mehrheit, bei der er nicht mehr auf die Zusammenar­beit mit der opposition­ellen CDU Rücksicht nehmen muss. Und natürlich will er auch Bollwerk gegen die rechte AfD im Freistaat sein. Wenn er gewählt wird, dann will Ramelow das Amt des Ministerpr­äsidenten für die volle Amtszeit von fünf Jahren übernehmen. An deren Ende wäre er dann 73 Jahre alt.

Wenn es drauf ankommt, ist Ramelow ganz Landesvate­r. Dann muss auch seine Partei Die Linke zurücksteh­en. Erst das Land, dann die Partei. So ist es nun mal, wenn man Ministerpr­äsident ist. Und vielleicht noch etwas mehr, wenn man es bleiben will. Wenn es drauf ankommt, ist Ramelow auch ganz Staatsmann. Eine Rolle, die ihm gut gefällt. Bis Ende Oktober war Ramelow, der bis dato einzige Ministerpr­äsident mit Linken-Parteibuch, in einem rotierende­n Verfahren Vorsitzend­er des Bundesrate­s – und in dieser Rolle, je nach Lesart der protokolla­rischen

Rangfolge, vierter beziehungs­weise zweiter Mann im Staate. Ramelow nimmt für sich im Zweifel gerne die Nummer zwei in Anspruch – für jene seltenen Fälle, in denen er Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier tatsächlic­h vertreten hat. Ramelow hat in dieser Rolle einige Auslands

reisen gemacht – auch nach Chile, ein Sehnsuchts­land vieler Linker. In Polen war er auch, bei der EU in Brüssel, bei der deutschspr­achigen Minderheit in Eupen.

Unlängst jedenfalls hat Ramelow seiner Partei wieder Stoff zum Nachdenken – und auch zum Aufregen –

geliefert, als er sich im Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung für Waffenlief­erungen aussprach. „Früher war ich ein Gegner von Waffenlief­erungen. Heute sage ich ergänzend: Jeder, der angegriffe­n wird, hat das Recht, sich zu verteidige­n.“Diese Aussage von Ramelow setzte umgehend Co-Parteichef Martin Schirdewan in Marsch. Europapoli­tiker Schirdewan, erst beim Bundespart­eitag im Juni in dieses Amt neben Janine Wissler gewählt, betonte, Waffenlief­erungen seien nicht Kurs der Partei, die bekanntlic­h die Nato auflösen und sämtliche Bundeswehr­Auslandsei­nsätze am liebsten beenden will. Aber an diesem Samstag in Erfurt ist Schirdewan erst einmal „froh, dass Bodo wieder bereitsteh­t“.

Er hätte auch noch andere Pläne haben können. Aber nein, dass die rechte AfD, die in Thüringen mit ihrem Frontmann Björn Höcke noch etwas rechter ist als im Rest der Republik, aktuell mit Werten zwischen 24 und 26 Prozent auf Platz eins in den Umfragen liegt, dies spornt Ramelow zusätzlich an.

Gerade jetzt, da die krisengepl­agte Linke über eine angebliche Parteineug­ründung durch Sahra Wagenknech­t debattiert und eine mögliche Spaltung der Partei befürchtet wird, würde ein Rückzug von Ramelow aus der Politik besonders schwerwieg­en. Ramelow hat sich klar positionie­rt und Wagenknech­t mehrfach öffentlich kritisiert, zuletzt wegen ihrer Aussage, die von der EU beschlosse­nen Sanktionen gegen Russland würden Deutschlan­d mehr schaden als Putin. Da steht er nun. Er kann nicht anders. Er will auch nicht anders. Auch wenn ein Parteitag Ramelow der Form nach noch offiziell als Spitzenkan­didat bestimmen muss, ausgerufen ist seine Kandidatur schon mit diesem Auftritt in Erfurt.

„Ich kämpfe für eine eigenständ­ige Mehrheit.“Bodo Ramelow (Linke) Ministerpr­äsident von Thüringen

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FOTO: REBSCH/DPA Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow will auch 2024 für das Amt in den Wahlkampf ziehen.

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