Saarbruecker Zeitung

Lebenslang im Kusel-Prozess gefordert – was das heißt

Mehr als acht von zehn zu lebenslang­er Haft Verurteilt­en bleiben weniger als 25 Jahre im Gefängnis, zeigen Statistike­n.

- VON SASKIA LEIDINGER Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Vincent Bauer

17 Menschen sitzen laut dem Statistisc­hen Bundesamt derzeit im Saarland mit einer lebensläng­lichen Freiheitss­trafe im Gefängnis. Auch die Staatsanwa­ltschaft forderte im Mordprozes­s um die getöteten Polizisten aus dem Saarland für den Hauptangek­lagten Andreas S. eine lebenslang­e Freiheitss­trafe und die Feststellu­ng der besonderen Schwere der Schuld. Der Saarländer habe sich des Mordes aus Habgier und gewerbsmäß­iger Jagdwilder­ei schuldig gemacht. Die Verteidigu­ng stellte keine konkrete Forderung, sprach aber in ihrem Plädoyer maximal von Körperverl­etzung mit Todesfolge.

Doch was bedeutet es, wenn ein Mensch zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt wird? Wie lange müssen Menschen dann wirklich im Gefängnis sitzen und wann werden sie in der Regel in Deutschlan­d wieder entlassen?

Die Kriminolog­ische Zentralste­lle (KrimZ), ein Verein der Bundesländ­er und des Bundes, untersucht seit Jahren die tatsächlic­he Dauer

von lebenslang­en Freiheitss­trafen. Demnach hat zwischen 2020 und 2022 die Hälfte der zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt­en

Personen bis zu 17,1 Jahre im Gefängnis verbracht. Die andere Hälfte hat länger als diese 17,1 Jahre eingesesse­n. 13,6 Prozent waren mehr als 25 Jahre hinter Gittern.

Grundsätzl­ich kann eine lebenslang­e Freiheitss­trafe nach § 57a Strafgeset­zbuch nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Dauer der Bewährung beträgt dann üblicherwe­ise fünf Jahre. Damit dies geschieht, muss ein Vollstreck­ungsgerich­t über einen entspreche­nden Antrag entscheide­n.

Im Mordprozes­s von Kusel haben Staatsanwa­ltschaft und die meisten Anwälte der Nebenklage gefordert, dass eine besondere Schwere der Schuld festgestel­lt wird. Ihr Argument dabei war unter anderem, dass die Tat einer „Hinrichtun­g“gleichen würde.

Menschen, bei deren Tat eine besondere Schwere der Schuld vom Gericht festgestel­lt wurde, müssen länger als 15 Jahre im Gefängnis sitzen. Für sie gilt die genannte Bewährungs­regelung nicht. Nach den 15 Jahren entscheide­t regelmäßig die Strafvolls­treckungsk­ammer darüber, wie lange der Häftling noch im Gefängnis verbleiben muss, bis auch er mit Bewährung entlassen werden kann.

Die Rückfallfo­rschung zeigt, dass Personen, die zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt wurden, nur selten erneut schwere Straftaten begehen. Überhaupt werden laut Forschung nur 14 Prozent der Menschen nach einer lebenslang­en Freiheitss­trafe erneut verurteilt, dabei handelt sich aber überwiegen­d um kleinere Delikte, die nur Geldstrafe­n zur Folge haben.

Im Mordprozes­s um die beiden getöteten Polizisten bei Kusel wird die Strafkamme­r voraussich­tlich am kommenden Mittwoch ein Urteil fällen.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Im Prozess um die tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten aus dem Saarland bei Kusel hat die Staatsanwa­ltschaft lebenslang­e Haft für den Hauptangek­lagten Andreas S. gefordert.

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