Was das Centre Pompidou 2023 zu bieten hat
Im kommenden Jahr hat das Centre Pompidou Metz viel vor, mit fünf großen Ausstellungen. Zugleich muss das Kunsthaus sparen, ohne dass es auffällt.
Ein neuer Blick auf die Ausnahme-Malerin Suzanne Valadon; auf das Verhältnis von VideospielWelten und Kunst; auf die Überraschungs-Stars und Raumumwandler Elmgreen & Dragset; und darauf, wie die Kunst den Psychoanalytiker Lacan beeinflusste und vorwegnahm. Das Centre Pompidou Metz verspricht im nächsten Jahr ein spannendes Programm. Auch wenn man sich leise fragt, ob es früher nicht mehr Ausstellungen pro Jahr gab als bloß fünf. Von denen eine, die noch sehr abstrakt bleibt, zudem „Die Wiederholung“heißt.
Auch sie müssten versuchen, hier und da Kosten zu sparen, sagte Direktorin Chiara Parisi bei der Vorstellung der Vorhaben für 2023. Seit zwölf Jahren sei das Budget nicht gestiegen. Man versuche aber so zu sparen, dass es bei den Ausstellungen nicht auffalle. Das Haus solle nicht wie Economy-Class wirken, sondern „großzügig“. Also laufen die Ausstellungen länger– „La Répétion“ab dem 4. Februar für zwei Jahre; um die Wiederholung als Methode und Thema in der Kunst wird es gehen. Ähnlich wie die Langzeit-Ausstellungen „Meisterwerke?“von 2010 und „Phares“kann diese Schau aus
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den Schätzen der Sammlung des Centre Pompidou Paris schöpfen.
Die Schau „Suzanne Valadon – Un monde à soi“, die am 15. April startet, könnte ein Publikumsliebling werden. Die Tochter einer Wäscherin, die Renoir und Toulouse-Lautrec Modell stand, bevor sie zur respektierten und beliebten Malerin aufstieg, bestach durch Eigenwilligkeit und Freiheitsliebe in Kunst wie im Leben. Als erste Künstlerin malte sie einen männlichen Akt (dem sie nachträglich Weinblätter auftragen musste), Modell saß ihr 21 Jahre jüngerer Mann. Bekannt wurde sie auch für weibliche Akte und Porträts, befreit vom sogenannten „male gaze“,
dem einschränkend-erotisierenden männlichen Blick. Die erste monografische Valadon-Schau in Frankreich seit 50 Jahren kuratiert Direktorin Parisi selbst, zu sehen sind 200 Werke, darunter auch bisher nie ausgestellte aus der Privatsammlung des mit Valadon befreundeten Edgar Degas.
Als eine Fortsetzung der derzeit laufenden, wundervollen Schau über Kunst und Science-Fiction, „Les portes du possible“, kann man „Worldbuilding. Videospiel und Kunst im digitalen Zeitalter“betrachten, die am 10. Juni eröffnet. Der Schweizer Hans Ulbrich Obrist, international einer der Stars unter
den Kuratoren, will unter anderem darlegen, wie die Künstler sich das Videospiel subversiv aneigneten, um die großen Fragen unserer Existenz und virtueller Welten anzusprechen. Auch die Kritik an diskriminierenden und stereotypen Darstellungsweisen der Videospiele und ihre Weiterentwicklung durch Künstler sind Thema. Für „Worldbuilding“, das sicher auch ein jüngeres Publikum anzieht, arbeiten die Metzer mit der privaten Düsseldorfer Sammlung Julia Stoschek zusammen.
Das international gefeierte dänisch-norwegische Künstlerduo Elmgreen & Dragset wird unter dem ironischen Titel „Bonne Chance“(viel Glück) ab dem 10. Juni gleich mehrere Räume immersiv bespielen. Die in Berlin ansässigen Männer, die auch das Denkmal für in der NS-Zeit verfolgte Homosexuelle im Tiergarten entwarfen, verwandeln „White Cubes“, also weiße, pseudoneutrale Galerieräume, gerne bis zur Unkenntlichkeit. Die können dann schon mal täuschend echt wie ein verlassenes Schwimmbad aussehen oder wie eine Garage mit Auto und Personal. Die Besucher des Pompidou werden animiert, zu den Räumen ihre eigenen Geschichten zu spinnen, sagt Kuratorin Parisi zur ersten Einzel-Schau des Duos in Frankreich.
Mit „Lacan, l’exposition“widmet sich das Metzer Pompidou nach Michel Leiris erneut einem einflussreichen französischen Intellektuellen. Gleich vier Kuratoren gestalten die Schau, die das enge Verhältnis des berühmten Psychoanalytikers (1901-1981) zur Kunst und vielen Künstlern seiner Zeit nachzeichnen will, dabei auch sein Denken und sein Leben. Der Untertitel „Quand l’artiste précède le psychanalyste“soll besagen, dass es hier nicht darum geht, die Kunst psychoanalytisch mit Lacan zu deuten, sondern darum, zu zeigen, wie sie manches in seinem Denken vorwegnahm. Auch drei Meisterwerke, Velasquez‘ „Porträt der Infantin Maria Theresia“, Caravaggios „Narziss“und Gustave Courbets „Der Ursprung der Welt“werden zu sehen sein. Courbets skandalträchtige realistische Darstellung des weiblichen Geschlechts soll Lacan, der sie erworben hatte, in seinem Landhaus hinter einem Vorhang versteckt haben.
Vom starken Besucherrückgang wegen der Covid-Epidemie hat sich auch das Centre Pompidou Metz offenbar noch nicht wieder ganz erholt. Gegenüber der üblichen Vor-Covid-Anzahl von 300 000 Besuchern und sogar mehr pro Jahr liege man dieses Jahr noch um 25 Prozent zurück, bei 225 000, sagte Direktorin Parisi auf Nachfrage. Das Publikum sei internationaler geworden als vorher, es kämen mehr Belgier, Luxemburger und die schon immer einen besonders hohen Anteil stellenden Deutschen. Wer noch ausbliebe, seien die Reisegruppen, sagte Parisi. Darüber hört man auch den Metzer Tourismus klagen. Ins neue Jahr blickt die Direktorin jedoch optimistisch – und hat mit diesem Programm Grund dazu.