Spanische Klänge in der „Alten Schmelz“
Aus gesundheitlichen Gründen musste Dirigent Josep Pons für die 3. Matinée der Deutschen Radio Philharmonie (DRP) in der „Alten Schmelz“absagen. Großartiger Ersatz hatte das Orchestermanagement in der jungen taiwanesischen Dirigentin Yi-Chen Lin gefunden, Kapellmeisterin an der Deutschen Oper Berlin und international als Operndirigentin unterwegs.
Für die DRP war sie ein Glücksfall. Resolut, vital und musikalisch kompetent führte sie den großen Orchesterapparat durch die schwierige Akustik der großen Werkhalle. Spürbar zu Beginn in der ersten „L’Arlésienne-Suite“von Georges Bizet. Nuancenreich, musikantisch inszeniert und temperamentvoll umgesetzt.
Nach dieser Visitenkarte, die aufhorchen ließ, konnte man gespannt sein auf Edouard Lalos’s „Symphonie espagnol“, die auch als sein 2. Violinkonzert eingeordnet wird. Die peruanisch-spanische Geigerin Leticia Moreno hatte den Solopart übernommen, den sie mit intimem Ton, überlegener Technik und emotionaler Gewichtung ausführte. Von Yi-Chen Lin wurde sie eingebettet in den filigranen, aber deutlich akzentuierten Orchesterpart. Die Dirigentin hatte keine Reduzierung der Streicher (immerhin 26 Violinen!) vorgenommen und so ihren
Willen zur deutlichen Profilierung des Orchesterparts gezeigt. Vor dem finalen Rondo riss der Solistin eine Saite, souverän wechselte sie auf ein Instrument aus dem Orchestertutti und brachte so auch ihre Zugabe, ein Violin-Solo mit MarimbaphonBegleitung, der Bearbeitung einer Melodie von Manuel de Falla, sicher über die Rampe.
Nach der Pause erwartete man gespannt die selten zu hörende „Carmen-Suite“des Russen Rodion Schtschedrin, eine Ballettmusik für Schlaginstrumente und Streichorchester. Fünf Schlagzeuger warteten mit einem Arsenal von 47 Instrumenten auf, um zusammen mit dem großen Streicherapparat witzig und spannend in mitunter parodistischen Zitierungen Bizetsche Carmen-Melodien zu präsentieren. Dirigentin Lin brachte die Effekte eruptiv auf den Punkt, ob die Schlagzeuger nun im Verborgenen kolorierten, präsent rhythmisierten oder die Streicher melodiös schwelgten und akzentuiert markierten. Scheinbar Unvereinbares zusammenzufügen, ist wesentlich für die Kompositionen Schtschedrins. Mit seiner „Carmen-Suite“ist ihm dies organisch gelungen, ein changierendes Spiel zwischen Bekanntem und Unerwartetem. Von der DRP mit spürbarem Engagement unter der vitalen Leitung seiner Dirigentin überraschend unterhaltsam interpretiert und perfekt inszeniert.