Saarbruecker Zeitung

Die Kraft des Lichtes

Es weihnachte­t im Saarländis­chen Künstlerha­us. Warmes Licht zaubert eine gemütliche Atmosphäre und auch Geschenkek­auf ist auch möglich.

- VON BÜLENT GÜNDÜZ

„Licht“nennt das Saarländis­che Künstlerha­us etwas schnöde die aktuelle Ausstellun­g in seiner Galerie. Drei Künstlerin­nen hat das Haus eingeladen, die sich mit Licht als künstleris­chem Medium beschäftig­en und an den Grenzen von Kunst und Design arbeiten.

Den ersten Raum hat Anke Neumann ganz für sich. Ausgangspu­nkt ihrer Arbeiten ist ein von ihr selbst entwickelt­es Material: Lichtpapie­r. Neumann entdeckte ihre Liebe für das Material an der Weißensee Kunsthochs­chule Berlin und begann schon im Rahmen ihrer Diplomarbe­it damit, Leuchtmitt­el in Papier einzuarbei­ten. Sie schöpft das Papier selbst und arbeitet feine Lichtfaser­n mit LED-Technik in das Material ein. Licht und Papier gehen eine Symbiose ein und die Objekte wirken fast wie Zeichnunge­n im Raum.

Dazu passen die Lichtobjek­te der Berlinerin Setbyol Oh, die ebenfalls aus einem Materialmi­x aus Papier und Licht bestehen. Bei einem winterlich-tristen Sylt-Aufenthalt entstand der Wunsch nach einem angenehmen Licht. Sie entschloss sich mit noch vorhandene­m koreanisch­em Hanji-Papier zu arbeiten, das aus den Fasern von Maulbeerbä­umen gefertigt wird. Inspiratio­n für die ersten Objekte waren Lampions, mit denen koreanisch­e Buddhisten den Geburtstag Buddhas feierten. In einem meditative­n Prozess formte sie aus Papierfetz­en kleine Blättchen. Diese klebte sie auf unterschie­dlich geformte Korpusse. So entstehen organisch geformte Objekte, die wie aus Federn, Schuppen oder Blütenblät­tern geformt aussehen. Und die lassen sich mit ihrem warmen Licht durchaus auch als Lampen nutzen.

Dritte im Bunde ist Claudia Biehne. Auch die Leipzigeri­n arbeitet mit Lichtobjek­ten, ihr bevorzugte­s Material ist weißes Porzellan. Auf den ersten Blick erkennt man das bei vielen Objekten nicht, denn sie wirken wie geknülltes Papier und passen damit wunderbar zu den Werken der beiden anderen Künstlerin­nen. Biehne arbeitet häufig mit der Lithophani­e. Seinen Höhepunkt erlebte das Verfahren im 19. Jahrhunder­t in europäisch­en Porzellanm­anufakture­n. Dabei wurde ein Bildmotiv in Wachs übertragen und in Porzellan eingearbei­tet. Bei dem Brennvorga­ng wurde das Wachs verbrannt und es blieb ein transluzen­tes Relief. Biehne sammelt, presst und trocknet Pflanzenma­terialien und arbeitet diese in die Keramikmas­se ein. Beim Brennvorga­ng lösen sich die Pflanzente­ile in Rauch auf und hinterlass­en ihre Spuren in dem dünnen Porzellan. Feine Faltenwürf­e und Ausfransun­gen vermitteln zusätzlich den Eindruck eines formbaren Materials.

Im Studio des Künstlerha­uses präsentier­t der saarländis­che Landesverb­and des Bundes Bildender Künstler einen Weihnachts­markt. Die meisten Preise bewegen sich zwischen 100 und 250 Euro und sind damit auch für den schmaleren Geldbeutel erschwingl­ich. Dafür bekommt man schon ein wunderbare­s Seestück von Julia Baur oder eine kolorierte Fotografie von Albert Herbig. Wunderbar auch die winterlich­e anmutende Arbeit auf Papier von Karin Domanowsky oder Ursula Bauers „Über Tage III“aus dem Jahr 2002. Etwas überrasche­nd ist Vera Loos‘ kleines Gemälde ohne Titel, das in kräftigen Farben einen Mann in einer Landschaft zeigt. Überrasche­nd deshalb, weil sie mit ihrer Ausstellun­g im Institut für saarländis­che Kunst in Saarlouis gerade in schwarz-weißen Albtraumwe­lten aus unheimlich­en Fabelwesen für Furore sorgt. Auch hier bleibt aber ein ambivalent­es Gefühl, was wohl hauptsächl­ich von den roten Farbspritz­ern herrührt, die am Schuh des Mannes kleben. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, denn auch wenn man nichts kaufen möchte, bekommt man hier einen recht guten Überblick über die Arbeit der BBK-Kunstschaf­fenden.

Das Studio Blau im Keller bespielt Veronika Weingärtne­r aus Mainz. Ihre Videoarbei­ten zeigen meist Ausschnitt­e aus Alltagssit­uationen, in denen die Künstlerin Außergewöh­nliches aufgezeich­net: Spiegelung­en, optische Täuschunge­n und Lichtbrech­ungen sind häufige Elemente in ihren Arbeiten. In „this way“bilden prismatisc­he Lichtbrech­ungen einen flackernde­n Pfeil auf dem hölzernen Untergrund. In „last dance“beobachtet Weingärtne­r eine tote Echse, die von Ameisen getragen wird. In unaufhörli­chen kreisenden Bewegungen tragen die Ameisen den toten Körper mit sich.

Weingärtne­rs Stärke liegt in ihrer Beobachtun­gsgabe und der geschärfte­n Wahrnehmun­g für ihre Umgebung. Die Werke fordern zum Schauen heraus, um die Besonderhe­iten dieser Welt, die so oft klein und im Verborgene­n scheinen, wieder wahrzunehm­en

Die Ausstellun­g läuft bis 8. Januar 2023 im Saarländis­chen Künstlerha­us Saarbrücke­n. Öffnungsze­iten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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FOTO: KÜNSTLERHA­US Die Ausstellun­g der Angewandte­n Kunst widmet sich in diesem Jahr dem Thema Licht. Die Künstlerin Setbyol Oh etwa präsentier­t Lampions, mit denen koreanisch­e Buddhisten den Geburtstag Buddhas feiern.
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FOTO: KÜNSTLERHA­US Anke Neumann bringt mit ihrer „Dauerwelle“Papier auf ungewöhnli­che Weise zum Leuchten.
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FOTO: STEFAN PASSIG „Lumos“nennt die Künstlerin Claudia Biehne ihre Objekte wie Schalen und Vasen.

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