„Corona und Internet haben Geschäft ruiniert“
Die Saarbrücker Innenstadt verliert ein weiteres Traditionsgeschäft. Der Schreibwarenladen „Papier& Feder“in der Futterstraße muss schließen.
Die traurige Nachricht hat Alexander Karla (57) mit roter Schrift auf ein neongelbes Plakat geschrieben. Es hängt im Schaufenster seines Schreibwarengeschäfts „Papier&Feder“in der Saarbrücker Futterstraße unweit der Bahnhofstraße. Viele Leute sprechen ihn darauf an, denn was auf dem Plakat steht, hat es in sich, sagt viel über die Probleme, mit denen auch andere Läden in der City zu kämpfen haben.
Die traurige Nachricht lautet: „Wir schließen zum 31.12.2022 – Corona-Lockdowns, Fußgängerzonen, Beratungsklau, Internet-Shopping, Energiepreis-Wucher haben dieses Geschäft ruiniert!“Das Wort „ruiniert“hat Alexander Karla dick unterstrichen. Der Umsatz sei von Jahr zu Jahr weniger geworden. Schon vor drei Jahren habe ihm sein Steuerberater gesagt, dass es besser wäre, aufzuhören. Dann kamen die Corona-Maßnahmen und ein „Riesen-Einbruch, den ich nie mehr aufholen kann“. Zwischen 80 000 und 100 000 Euro Umsatz habe er durch Corona verloren. Die Unterstützungshilfen des Staates hätten nicht ausgereicht, auch habe er während der Lockdowns die volle Miete zahlen müssen.
Und dann die langfristigen Folgen. „Viele Kunden sind nicht mehr zurückgekommen. Die haben sich während Corona im Internet umgeschaut und kaufen jetzt dort“, sagt Karla. Noch heute begegne er Menschen, die berichten, dass sie schon seit zwei Jahren nicht mehr in der Stadt gewesen seien. Die Corona-Lockdowns seien „total übertrieben“gewesen, findet Karla.
Doch er nennt noch weitere Gründe, warum er seinen Laden, der auf Schreibgeräte wie Füllfederhalter spezialisiert ist, jetzt aufgeben muss. Nach mehr als 20 Jahren. 2001 hat er das ehemalige Schreibwarengeschäft Leinenbach übernommen, das an dieser Stelle schon seit 1953 existierte. Das Ende einer fast 70-jährigen Ära also steht der Saarbrücker City bevor. Warum? „Die Mieten in Saarbrücken sind viel zu hoch, gemessen an dem, was Saarbrücken als Einkaufsstadt zu bieten hat“, meint Karla. Weil sich die Mieten kaum noch jemand leisten könne, gehe es mit dem Einzelhandel bergab. Dazu komme die Parkplatz-Problematik: „Es gibt zu wenige Parkplätze, und die Parkgebühren sind viel zu hoch.“Oft würden Kunden hektisch in seinen Laden kommen, weil sie im Parkverbot stehen: „Das ist doch kein Einkaufen!“Früher seien in der Futterstraße noch Autos erlaubt gewesen, das habe es für seine Kunden viel einfacher gemacht.
Aber auch die Kundschaft habe sich verändert. Kaum noch jemand sei bereit, für einen hochwertigen Füllfederhalter zu Weihnachten 500 Euro auszugeben. „Geiz ist geil“, der Werbespruch eines Elektroriesen, sei weiterhin vielfach das Motto. Und wenn ein Produkt im Internet günstiger zu haben sei, würden die Leute dort kaufen. Teilweise, nachdem sie sich in seinem Geschäft zuvor informiert hatten. Es ist das, was Karla „Beratungsklau“nennt: „Die kommen hierher, ich berate sie eine halbe Stunde oder Stunde, sie können alles ausprobieren, verschiedene Federstärken und so weiter, und dann heißt es, man müsse sich zu Hause noch besprechen.“In Wahrheit kauften sie im Internet, weil es dort dieselbe Ware für 20 oder 50 Euro weniger gebe – und freuten sich über ein vermeintliches Schnäppchen: „Ach, wir sind ja so clever, denken die dann.“Das gehe nicht nur ihm so, die gleichen Probleme hätten auch Schuhgeschäfte oder sogar Banken.
Und dann sind da noch die gestiegenen Kosten für Heizung und Strom – Alexander Karla kann und
will nicht mehr. Das im Schaufenster angekündigte Aus zum 31. Dezember wird es wahrscheinlich nicht geben, aber: Ende Februar sei definitiv Schluss mit „Papier&Feder“in der Futterstraße. „Das schmerzt sehr nach mehr als 20 Jahren“, sagt Karla. Er habe „sehr viel Herzblut“in den Laden gesteckt, in dem er selbst schon als Schüler eingekauft habe. „Ich bin Schreibgeräte-Liebhaber.
Als ich das Geschäft übernommen habe, habe ich quasi ein Hobby zu meinem Beruf gemacht und habe das Ganze über viele Jahre mit Leib und Seele betrieben.“
Aus. Vorbei. Der Ausverkauf hat begonnen. Ab Dezember will er 20 Prozent Rabatt auf alles gewähren, im Januar dann sogar 50 Prozent. Was er nicht verkaufen kann, will er später auf dem Trödelmarkt an
bieten oder verschenken. Wichtig ist ihm: „Ich werde das hier mit Anstand und Würde zu Ende bringen.“Wie es dann mit ihm persönlich weitergeht? Er werde in seinen alten Beruf zurückkehren. Einen Beruf, der krisensicherer ist: Alexander Karla ist gelernter Bestatter. Zuvor aber beerdigt er in den nächsten Wochen seinen Traum „Papier&Feder“.