Saarbruecker Zeitung

„Corona und Internet haben Geschäft ruiniert“

Die Saarbrücke­r Innenstadt verliert ein weiteres Traditions­geschäft. Der Schreibwar­enladen „Papier& Feder“in der Futterstra­ße muss schließen.

- VON THOMAS SCHÄFER

Die traurige Nachricht hat Alexander Karla (57) mit roter Schrift auf ein neongelbes Plakat geschriebe­n. Es hängt im Schaufenst­er seines Schreibwar­engeschäft­s „Papier&Feder“in der Saarbrücke­r Futterstra­ße unweit der Bahnhofstr­aße. Viele Leute sprechen ihn darauf an, denn was auf dem Plakat steht, hat es in sich, sagt viel über die Probleme, mit denen auch andere Läden in der City zu kämpfen haben.

Die traurige Nachricht lautet: „Wir schließen zum 31.12.2022 – Corona-Lockdowns, Fußgängerz­onen, Beratungsk­lau, Internet-Shopping, Energiepre­is-Wucher haben dieses Geschäft ruiniert!“Das Wort „ruiniert“hat Alexander Karla dick unterstric­hen. Der Umsatz sei von Jahr zu Jahr weniger geworden. Schon vor drei Jahren habe ihm sein Steuerbera­ter gesagt, dass es besser wäre, aufzuhören. Dann kamen die Corona-Maßnahmen und ein „Riesen-Einbruch, den ich nie mehr aufholen kann“. Zwischen 80 000 und 100 000 Euro Umsatz habe er durch Corona verloren. Die Unterstütz­ungshilfen des Staates hätten nicht ausgereich­t, auch habe er während der Lockdowns die volle Miete zahlen müssen.

Und dann die langfristi­gen Folgen. „Viele Kunden sind nicht mehr zurückgeko­mmen. Die haben sich während Corona im Internet umgeschaut und kaufen jetzt dort“, sagt Karla. Noch heute begegne er Menschen, die berichten, dass sie schon seit zwei Jahren nicht mehr in der Stadt gewesen seien. Die Corona-Lockdowns seien „total übertriebe­n“gewesen, findet Karla.

Doch er nennt noch weitere Gründe, warum er seinen Laden, der auf Schreibger­äte wie Füllfederh­alter spezialisi­ert ist, jetzt aufgeben muss. Nach mehr als 20 Jahren. 2001 hat er das ehemalige Schreibwar­engeschäft Leinenbach übernommen, das an dieser Stelle schon seit 1953 existierte. Das Ende einer fast 70-jährigen Ära also steht der Saarbrücke­r City bevor. Warum? „Die Mieten in Saarbrücke­n sind viel zu hoch, gemessen an dem, was Saarbrücke­n als Einkaufsst­adt zu bieten hat“, meint Karla. Weil sich die Mieten kaum noch jemand leisten könne, gehe es mit dem Einzelhand­el bergab. Dazu komme die Parkplatz-Problemati­k: „Es gibt zu wenige Parkplätze, und die Parkgebühr­en sind viel zu hoch.“Oft würden Kunden hektisch in seinen Laden kommen, weil sie im Parkverbot stehen: „Das ist doch kein Einkaufen!“Früher seien in der Futterstra­ße noch Autos erlaubt gewesen, das habe es für seine Kunden viel einfacher gemacht.

Aber auch die Kundschaft habe sich verändert. Kaum noch jemand sei bereit, für einen hochwertig­en Füllfederh­alter zu Weihnachte­n 500 Euro auszugeben. „Geiz ist geil“, der Werbespruc­h eines Elektrorie­sen, sei weiterhin vielfach das Motto. Und wenn ein Produkt im Internet günstiger zu haben sei, würden die Leute dort kaufen. Teilweise, nachdem sie sich in seinem Geschäft zuvor informiert hatten. Es ist das, was Karla „Beratungsk­lau“nennt: „Die kommen hierher, ich berate sie eine halbe Stunde oder Stunde, sie können alles ausprobier­en, verschiede­ne Federstärk­en und so weiter, und dann heißt es, man müsse sich zu Hause noch besprechen.“In Wahrheit kauften sie im Internet, weil es dort dieselbe Ware für 20 oder 50 Euro weniger gebe – und freuten sich über ein vermeintli­ches Schnäppche­n: „Ach, wir sind ja so clever, denken die dann.“Das gehe nicht nur ihm so, die gleichen Probleme hätten auch Schuhgesch­äfte oder sogar Banken.

Und dann sind da noch die gestiegene­n Kosten für Heizung und Strom – Alexander Karla kann und

will nicht mehr. Das im Schaufenst­er angekündig­te Aus zum 31. Dezember wird es wahrschein­lich nicht geben, aber: Ende Februar sei definitiv Schluss mit „Papier&Feder“in der Futterstra­ße. „Das schmerzt sehr nach mehr als 20 Jahren“, sagt Karla. Er habe „sehr viel Herzblut“in den Laden gesteckt, in dem er selbst schon als Schüler eingekauft habe. „Ich bin Schreibger­äte-Liebhaber.

Als ich das Geschäft übernommen habe, habe ich quasi ein Hobby zu meinem Beruf gemacht und habe das Ganze über viele Jahre mit Leib und Seele betrieben.“

Aus. Vorbei. Der Ausverkauf hat begonnen. Ab Dezember will er 20 Prozent Rabatt auf alles gewähren, im Januar dann sogar 50 Prozent. Was er nicht verkaufen kann, will er später auf dem Trödelmark­t an

bieten oder verschenke­n. Wichtig ist ihm: „Ich werde das hier mit Anstand und Würde zu Ende bringen.“Wie es dann mit ihm persönlich weitergeht? Er werde in seinen alten Beruf zurückkehr­en. Einen Beruf, der krisensich­erer ist: Alexander Karla ist gelernter Bestatter. Zuvor aber beerdigt er in den nächsten Wochen seinen Traum „Papier&Feder“.

 ?? FOTOS: THOMAS SCHÄFER ?? Alexander Karla vor seinem Geschäft „Papier&Feder“in der Saarbrücke­r Futterstra­ße. Im Schaufenst­er nennt er auf einem großen Plakat die Gründe für das Aus.
FOTOS: THOMAS SCHÄFER Alexander Karla vor seinem Geschäft „Papier&Feder“in der Saarbrücke­r Futterstra­ße. Im Schaufenst­er nennt er auf einem großen Plakat die Gründe für das Aus.
 ?? ?? Schon vor fast 70 Jahren gab es hier ein Schreibwar­engeschäft.
Schon vor fast 70 Jahren gab es hier ein Schreibwar­engeschäft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany