SPD schließt erneute Mehrheit mit AfD aus
Im ersten Wahlgang kam eine Mehrheit für die Abwahl der Blieskasteler Grünen-Beigeordneten Lisa Becker nur mit den Stimmen der AfD zustande. Das soll sich nicht wiederholen.
Vom schmucken Barockstädtchen Blieskastel dürften im Berliner Regierungsviertel bisher die wenigsten gehört haben. Die Grünen tun derzeit jedoch alles dafür, dass sich das ändert. Der Vize-Bundesvorsitzende Heiko Knopf forderte dieser Tage sogar SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert auf, wegen der Politik in Blieskastel bei der Saar-SPD einzuschreiten.
Der Hintergrund: Der Stadtrat hatte vor einer Woche die erste Hürde genommen, um die Erste Beigeordnete Lisa Becker (Grüne) abzuwählen. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit von 26 Stimmen kam aber nur zustande, weil neben SPD (13), Teilen der CDU (9) und FDP (1) auch die AfD (3) zustimmte.
Die Grünen-Spitze im Land zeigte sich entsetzt. „Die SPD hat die Unterstützung der AfD nicht nur billigend in Kauf genommen, sie hat die Abstimmung sogar darauf gestützt“, erklärte die Landesvorsitzende Uta Sullenberger. „Es erschreckt mich, dass die SPD-Landesvorsitzende Anke Rehlinger offenbar kein Problem damit hat, dass ihre Partei mit der
AfD offen kooperiert und so mit deren Hilfe eine engagierte junge Beigeordnete abgewählt wird.“Zusammen mit Co-Chef Ralph Nonninger forderte sie Rehlinger auf, die Blieskasteler Genossen zur Ordnung rufen.
Am Donnerstagnachmittag dann die klare Ansage aus der Saarbrücker Parteizentrale: „Für die SPD ist völlig klar: Mehrheiten kann es nur ohne die AfD geben. Der SPD-Fraktionsvorsitzende in Blieskastel hat erklärt, genau darauf hinzuarbeiten“, erklärte ein Sprecher auf SZ-Anfrage.
Für zusätzlichen Diskussionsstoff sorgt in Blieskastel, dass Lisa Becker vor ihrer drohenden Abwahl die AfD-Stadtverordnete Helke Horlbog um ein Gespräch bat – für die AfD ist das „Doppelmoral vom Feinsten“, für SPD-Fraktionschef Achim Jesel „doppelbödiges Verhalten“, mit dem sich Becker für das Amt der Beigeordneten „zum wiederholten Male selbst disqualifiziert und dabei den moralischen Kompass völlig verloren“habe.
Intern rechtfertigte sich Lisa Becker damit, sie habe Horlbog nur angerufen, weil diese aus der AfD ausgetreten sei. Das stimmt: Im Zuge des innerparteilichen Machtwechsels der AfD Saar beim Chaos-Parteitag vom 9. Oktober hatte Horlbog ihre Mitgliedschaft gekündigt. Allerdings blieb sie, was gegen einen völligen Bruch mit der AfD spricht, Mitglied der dreiköpfigen Blieskasteler AfD-Stadtratsfraktion.
Von vereinzelter Kritik abgesehen, die Kontaktaufnahme sei unglücklich gewesen, bekommt Becker in ihrer Umgebung – auch von Landeschefin Sullenberger – volle Unterstützung.
„Die SPD hat die Unterstützung der AfD nicht nur billigend in Kauf genommen, sie hat die Abstimmung sogar darauf gestützt.“Uta Sullenberger Landesvorsitzende der Grünen
Dort wird der SZ vorgeworfen, die Sache aufgebauscht zu haben: Das eigentliche Thema sei doch, dass SPD und CDU seit Wochen klar gewesen sei, dass sie auf die AfD angewiesen sind.
Die AfD-Fraktion im Blieskasteler Stadtrat reagierte wie folgt: „Um demokratische Mehrheiten erzielen zu können, gehören fraktionsübergreifende Verständigungen zum politischen Alltag. Wenn es in dieser Angelegenheit allerdings irgendwelche Absprachen oder dahin gehende Versuche gegeben hat, dann nicht von unserer Seite aus.“
Die AfD-Stadtverordneten hatten den Antrag der anderen Fraktionen
zur Abwahl Beckers unterzeichnet. Als klar war, dass die dreiköpfige Fraktion Die Unabhängigen/Die Linke und drei Mitglieder der CDUFraktion sich der Abwahl widersetzen würden, standen SPD, CDU und FDP ohne Zwei-Drittel-Mehrheit da. Die genannten Abwahl-Gegner erschienen in der Sitzung gar nicht erst, sodass SPD, CDU und FDP nur mithilfe der AfD auf die nötigen 26 Stimmen kamen. Lediglich die sieben Grünen stimmten gegen die Abwahl ihrer Beigeordneten.
Die Blieskasteler SPD-Fraktion kündigt nun an, man werde „weiter intensiv daran arbeiten, eine noch breitere Mehrheit im Stadtrat für
eine Abwahl zu organisieren, damit die Stimmen der AfD nicht mehr gebraucht werden“. Fraktionschef Jesel äußerte die Erwartung, „dass sich nun weitere Stadtratsmitglieder ihrer Verantwortung für unsere Stadt bewusst werden und von der Notwendigkeit einer Abwahl überzeugen lassen“.
Damit wächst in dieser verfahrenen Situation, die auch menschlich tiefe Gräben zwischen den Akteuren offenbart, der Druck auf die drei Mitglieder der Unabhängigen/Linke und die drei CDU-Abwahlgegner. Bleiben sie bei ihrer Haltung, wird es ohne die AfD keine Mehrheit für Lisa Beckers Abwahl geben.