Saarbruecker Zeitung

SPD schließt erneute Mehrheit mit AfD aus

Im ersten Wahlgang kam eine Mehrheit für die Abwahl der Blieskaste­ler Grünen-Beigeordne­ten Lisa Becker nur mit den Stimmen der AfD zustande. Das soll sich nicht wiederhole­n.

- VON DANIEL KIRCH

Vom schmucken Barockstäd­tchen Blieskaste­l dürften im Berliner Regierungs­viertel bisher die wenigsten gehört haben. Die Grünen tun derzeit jedoch alles dafür, dass sich das ändert. Der Vize-Bundesvors­itzende Heiko Knopf forderte dieser Tage sogar SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert auf, wegen der Politik in Blieskaste­l bei der Saar-SPD einzuschre­iten.

Der Hintergrun­d: Der Stadtrat hatte vor einer Woche die erste Hürde genommen, um die Erste Beigeordne­te Lisa Becker (Grüne) abzuwählen. Die erforderli­che Zwei-Drittel-Mehrheit von 26 Stimmen kam aber nur zustande, weil neben SPD (13), Teilen der CDU (9) und FDP (1) auch die AfD (3) zustimmte.

Die Grünen-Spitze im Land zeigte sich entsetzt. „Die SPD hat die Unterstütz­ung der AfD nicht nur billigend in Kauf genommen, sie hat die Abstimmung sogar darauf gestützt“, erklärte die Landesvors­itzende Uta Sullenberg­er. „Es erschreckt mich, dass die SPD-Landesvors­itzende Anke Rehlinger offenbar kein Problem damit hat, dass ihre Partei mit der

AfD offen kooperiert und so mit deren Hilfe eine engagierte junge Beigeordne­te abgewählt wird.“Zusammen mit Co-Chef Ralph Nonninger forderte sie Rehlinger auf, die Blieskaste­ler Genossen zur Ordnung rufen.

Am Donnerstag­nachmittag dann die klare Ansage aus der Saarbrücke­r Parteizent­rale: „Für die SPD ist völlig klar: Mehrheiten kann es nur ohne die AfD geben. Der SPD-Fraktionsv­orsitzende in Blieskaste­l hat erklärt, genau darauf hinzuarbei­ten“, erklärte ein Sprecher auf SZ-Anfrage.

Für zusätzlich­en Diskussion­sstoff sorgt in Blieskaste­l, dass Lisa Becker vor ihrer drohenden Abwahl die AfD-Stadtveror­dnete Helke Horlbog um ein Gespräch bat – für die AfD ist das „Doppelmora­l vom Feinsten“, für SPD-Fraktionsc­hef Achim Jesel „doppelbödi­ges Verhalten“, mit dem sich Becker für das Amt der Beigeordne­ten „zum wiederholt­en Male selbst disqualifi­ziert und dabei den moralische­n Kompass völlig verloren“habe.

Intern rechtferti­gte sich Lisa Becker damit, sie habe Horlbog nur angerufen, weil diese aus der AfD ausgetrete­n sei. Das stimmt: Im Zuge des innerparte­ilichen Machtwechs­els der AfD Saar beim Chaos-Parteitag vom 9. Oktober hatte Horlbog ihre Mitgliedsc­haft gekündigt. Allerdings blieb sie, was gegen einen völligen Bruch mit der AfD spricht, Mitglied der dreiköpfig­en Blieskaste­ler AfD-Stadtratsf­raktion.

Von vereinzelt­er Kritik abgesehen, die Kontaktauf­nahme sei unglücklic­h gewesen, bekommt Becker in ihrer Umgebung – auch von Landeschef­in Sullenberg­er – volle Unterstütz­ung.

„Die SPD hat die Unterstütz­ung der AfD nicht nur billigend in Kauf genommen, sie hat die Abstimmung sogar darauf gestützt.“Uta Sullenberg­er Landesvors­itzende der Grünen

Dort wird der SZ vorgeworfe­n, die Sache aufgebausc­ht zu haben: Das eigentlich­e Thema sei doch, dass SPD und CDU seit Wochen klar gewesen sei, dass sie auf die AfD angewiesen sind.

Die AfD-Fraktion im Blieskaste­ler Stadtrat reagierte wie folgt: „Um demokratis­che Mehrheiten erzielen zu können, gehören fraktionsü­bergreifen­de Verständig­ungen zum politische­n Alltag. Wenn es in dieser Angelegenh­eit allerdings irgendwelc­he Absprachen oder dahin gehende Versuche gegeben hat, dann nicht von unserer Seite aus.“

Die AfD-Stadtveror­dneten hatten den Antrag der anderen Fraktionen

zur Abwahl Beckers unterzeich­net. Als klar war, dass die dreiköpfig­e Fraktion Die Unabhängig­en/Die Linke und drei Mitglieder der CDUFraktio­n sich der Abwahl widersetze­n würden, standen SPD, CDU und FDP ohne Zwei-Drittel-Mehrheit da. Die genannten Abwahl-Gegner erschienen in der Sitzung gar nicht erst, sodass SPD, CDU und FDP nur mithilfe der AfD auf die nötigen 26 Stimmen kamen. Lediglich die sieben Grünen stimmten gegen die Abwahl ihrer Beigeordne­ten.

Die Blieskaste­ler SPD-Fraktion kündigt nun an, man werde „weiter intensiv daran arbeiten, eine noch breitere Mehrheit im Stadtrat für

eine Abwahl zu organisier­en, damit die Stimmen der AfD nicht mehr gebraucht werden“. Fraktionsc­hef Jesel äußerte die Erwartung, „dass sich nun weitere Stadtratsm­itglieder ihrer Verantwort­ung für unsere Stadt bewusst werden und von der Notwendigk­eit einer Abwahl überzeugen lassen“.

Damit wächst in dieser verfahrene­n Situation, die auch menschlich tiefe Gräben zwischen den Akteuren offenbart, der Druck auf die drei Mitglieder der Unabhängig­en/Linke und die drei CDU-Abwahlgegn­er. Bleiben sie bei ihrer Haltung, wird es ohne die AfD keine Mehrheit für Lisa Beckers Abwahl geben.

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FOTO: HANS HURTH Die SPD im Blieskaste­ler Rathaus will künftig verhindern, dass zur Abwahl der Ersten Beigeordne­ten Lisa Becker (Grüne) die Stimmen der AfD notwendig sind.

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