Stahlbranche: Cattenom-Atomstrom wird fürs Saarland künftig wichtiger
Die Stahlindustrie im Saarland wird in Zukunft deutlich mehr Strom brauchen. Als „Brückenlösung“setzen die Hersteller auch auf Kernkraft.
SAARBRÜCKEN Auch nach der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke vor über einer Woche bezieht das Saarland weiterhin Atomstrom – aus Frankreich. Der größte Stromverbraucher des Saarlandes, die Stahlindustrie, erwartet sogar, dass der Atomstrom aus den grenznahen Reaktoren in Cattenom in Zukunft eine noch größere Bedeutung für die Energieversorgung in der Großregion bekommen wird. Hintergrund ist die Umstellung auf grünen Stahl, die große Mengen an
CO2-frei erzeugtem Strom erfordern wird. Nach Schätzung der Stahl-Holding-Saar (SHS), der Muttergesellschaft von Saarstahl und Dillinger Hütte, könnte der Strombedarf der Branche von heute rund 1,5 Terawattstunden ( TWh) pro Jahr auf bis zu 12,7 TWh in den 2040er-Jahren steigen – das wäre deutlich mehr als alle 308 000 Wohngebäude des Saarlandes und die gesamte SaarWirtschaft im jährlichen Schnitt zusammen verbrauchen.
Auf Anfrage der SZ verwies die SHS auf den Wegfall konventioneller Grundlastkraftwerke, zum Beispiel Kohlekraftwerke, und die noch geringe Wind- und Solarstromerzeugung. Auch sei das Problem der Überbrückung sogenannter Dunkelflauten noch nicht gelöst. Das sind Phasen, in denen weder der Wind geht noch die Sonne scheint und Grünstrom daher kaum zur Verfügung steht. „Es käme tendenziell und temporär zu erhöhten Einschränkungen der großen Stromverbraucher, da die Übertragung großer Strommengen aus weiter entfernten Regionen (zum Beispiel der Nordsee) aufgrund physikalischer Limits noch nicht unbeschränkt möglich ist“, erklärte die SHS. „Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung von Cattenom für eine ausreichende Grundlastversorgung der Großregion Saar-Lor-Lux zunehmen. Atomstrom ist in der EU-Taxonomie als CO2-frei verankert und dient damit zumindest als Brückenlösung.“
Das Saarland ist an das grenzüberschreitende Übertragungsnetz
Vigy-Ensdorf-Uchtelfangen angeschlossen, in das auch das Atomkraftwerk Cattenom einspeist und das ausgebaut werden soll.
Seit der Inbetriebnahme des Atomkraftwerks in Cattenom im Jahr 1986 erregt die Anlage den Unmut der saarländischen Landespolitik. Zuletzt forderte 2021 die Landesregierung zusammen mit Luxemburg und Rheinland-Pfalz das Aus für Cattenom. Eine Stilllegung sei „notwendig und machbar“, erklärten die Regierungen und legten dazu eine Studie vor. Das Ergebnis: Die Versorgungssicherheit sei auch nach einer Schließung des AKW gewährleistet, wenn geeignete Abhilfemaßnahmen ergriffen würden. Mit einer Vorlaufzeit von einigen Jahren könne Frankreich für Ersatz sorgen, zudem könne der Bedarf zumindest teilweise auch durch den Ausbau erneuerbarer Energien gedeckt werden.
Zuletzt forderte die Landesregierung 2021 mit Luxemburg und Rheinland-Pfalz das Aus für Cattenom.