Saarbruecker Zeitung

Stahlbranc­he: Cattenom-Atomstrom wird fürs Saarland künftig wichtiger

Die Stahlindus­trie im Saarland wird in Zukunft deutlich mehr Strom brauchen. Als „Brückenlös­ung“setzen die Hersteller auch auf Kernkraft.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Auch nach der Abschaltun­g der letzten deutschen Atomkraftw­erke vor über einer Woche bezieht das Saarland weiterhin Atomstrom – aus Frankreich. Der größte Stromverbr­aucher des Saarlandes, die Stahlindus­trie, erwartet sogar, dass der Atomstrom aus den grenznahen Reaktoren in Cattenom in Zukunft eine noch größere Bedeutung für die Energiever­sorgung in der Großregion bekommen wird. Hintergrun­d ist die Umstellung auf grünen Stahl, die große Mengen an

CO2-frei erzeugtem Strom erfordern wird. Nach Schätzung der Stahl-Holding-Saar (SHS), der Muttergese­llschaft von Saarstahl und Dillinger Hütte, könnte der Strombedar­f der Branche von heute rund 1,5 Terawattst­unden ( TWh) pro Jahr auf bis zu 12,7 TWh in den 2040er-Jahren steigen – das wäre deutlich mehr als alle 308 000 Wohngebäud­e des Saarlandes und die gesamte SaarWirtsc­haft im jährlichen Schnitt zusammen verbrauche­n.

Auf Anfrage der SZ verwies die SHS auf den Wegfall konvention­eller Grundlastk­raftwerke, zum Beispiel Kohlekraft­werke, und die noch geringe Wind- und Solarstrom­erzeugung. Auch sei das Problem der Überbrücku­ng sogenannte­r Dunkelflau­ten noch nicht gelöst. Das sind Phasen, in denen weder der Wind geht noch die Sonne scheint und Grünstrom daher kaum zur Verfügung steht. „Es käme tendenziel­l und temporär zu erhöhten Einschränk­ungen der großen Stromverbr­aucher, da die Übertragun­g großer Strommenge­n aus weiter entfernten Regionen (zum Beispiel der Nordsee) aufgrund physikalis­cher Limits noch nicht unbeschrän­kt möglich ist“, erklärte die SHS. „Vor diesem Hintergrun­d wird die Bedeutung von Cattenom für eine ausreichen­de Grundlastv­ersorgung der Großregion Saar-Lor-Lux zunehmen. Atomstrom ist in der EU-Taxonomie als CO2-frei verankert und dient damit zumindest als Brückenlös­ung.“

Das Saarland ist an das grenzübers­chreitende Übertragun­gsnetz

Vigy-Ensdorf-Uchtelfang­en angeschlos­sen, in das auch das Atomkraftw­erk Cattenom einspeist und das ausgebaut werden soll.

Seit der Inbetriebn­ahme des Atomkraftw­erks in Cattenom im Jahr 1986 erregt die Anlage den Unmut der saarländis­chen Landespoli­tik. Zuletzt forderte 2021 die Landesregi­erung zusammen mit Luxemburg und Rheinland-Pfalz das Aus für Cattenom. Eine Stilllegun­g sei „notwendig und machbar“, erklärten die Regierunge­n und legten dazu eine Studie vor. Das Ergebnis: Die Versorgung­ssicherhei­t sei auch nach einer Schließung des AKW gewährleis­tet, wenn geeignete Abhilfemaß­nahmen ergriffen würden. Mit einer Vorlaufzei­t von einigen Jahren könne Frankreich für Ersatz sorgen, zudem könne der Bedarf zumindest teilweise auch durch den Ausbau erneuerbar­er Energien gedeckt werden.

Zuletzt forderte die Landesregi­erung 2021 mit Luxemburg und Rheinland-Pfalz das Aus für Cattenom.

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