Saarbruecker Zeitung

Große Hoffnung liegt auf dem 49-Euro-Ticket

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Auf Gleis 5 im Berliner Hauptbahnh­of steht eine Lokomotive der Baureihe 182, „9000 PS“, verrät der Lokführer, „230 Kilometer pro Stunde, wenn nötig“. Spitzname: Taurus – der Stier. Besprüht ist die Lok, an der die geputzten Waggons eines Regionalzu­ges hängen, mit dem Schriftzug: „Deutschlan­d steigt ein“. Und zwar mit dem 49-Euro-Ticket. Der Fahrschein soll nach dem Willen von Bund, Ländern und Branche eine ähnliche Zugkraft entwickeln wie die Lok. Doch ausgemacht ist das noch nicht.

Wie kommt der Fahrschein bisher an? Ganz gut. Der Vorverkauf läuft seit Anfang April, seitdem wurden rund 750 000 neue Abos verkauft. Der Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsun­ternehmen ( VDV),

Ingo Wortmann, betonte bei einer Pressekonf­erenz im Berliner Hauptbahnh­of an Gleis 5, man wolle möglichst neue Kunden für den ÖPNV gewinnen. „Es werden stündlich mehr.“Der Verband rechnet deshalb damit, dass sich in den kommenden Wochen fünf bis sechs Millionen neue Abonnenten gewinnen lassen – hinzukomme­n elf Millionen Bestandsku­nden. Dreivierte­l der bestehende­n Abonnenten, so Evelyn Pall, Vorständin Regionalve­rkehr Deutsche Bahn, würden „bares Geld“durch das 49-Euro-Ticket sparen. Die Nachfrage werde nicht schlagarti­g zum Starttermi­n 1. Mai ansteigen, sondern kontinuier­lich. Ein solcher Erfolg wie das Neun-Euro-Ticket wird der Nachfolger aber nicht werden – 52 Millionen Fahrschein­e wurden im letzten Sommer verkauft. Freilich war es auch gänzlich anders konzipiert.

Wo gilt das Ticket? Es können alle Fahrzeuge des Nahverkehr­s deutschlan­dweit genutzt werden, also: Busse, Straßen-, Stadt- und U-Bahnen sowie S-Bahnen und Regionalzü­ge in der 2. Klasse. Das Ticket gilt nicht im Fernverkeh­r. Auch private Anbieter wie etwa FlixTrain sind ausgeschlo­ssen. Es ist nicht übertragba­r. Eine unentgeltl­iche Mitnahme von Kindern über sechs Jahren ist nicht möglich. Die Mitnahme von Fahrrädern oder Hunden ist je nach Verkehrsre­gion unterschie­dlich geregelt. Hier hofft man noch auf mehr Einheitlic­hkeit.

Wird der Preis von 49 Euro zu halten sein? Wohl kaum. Der Bund wird bis zum Jahr 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro zusätzlich bereitstel­len, um Einnahmeau­sfälle bei Verkehrsan­bietern zur Hälfte auszugleic­hen. Für die andere Hälfte kommen die Länder auf. Länger ist die Finanzieru­ng nicht geregelt. „Das Ticket ist hoch subvention­iert“, warnte Wortmann. Die Mindereinn­ahmen würden nicht durch neue Abos wettgemach­t. Zudem wolle man das Angebot ausbauen, was Geld koste. Die 49 Euro sind daher ein „Einführung­spreis“. Der Vorsitzend­e der Verkehrsmi­nisterkonf­erenz, NRW-Minister Oliver Krischer (Grüne), sagte unserer Redaktion: „Wenn man ein Ticket einführt, muss man gucken, wie es sich entwickelt.“Jetzt schon Debatten über den künftigen Preis zu führen, sei verfrüht.

Welche offenen Fragen gibt es noch? Einige. „Wir brauchen sicherlich eine Lösung für Studierend­e“, so Krischer. So müssten etwa Semester-Tickets so gestaltet werden, „dass sie rechtssich­er weitergefü­hrt werden können. Da wollen wir als Länder eine bundeseinh­eitliche Lösung.“Ungeklärt ist auch die Ausgestalt­ung des geplanten Ausbau- und Modernisie­rungspakte­s für den ÖPNV, damit noch mehr Menschen umsteigen. Laut Krischer wird der Pakt Thema auf der nächsten Verkehrsmi­nisterkonf­erenz im Oktober. Bis dahin müsse der Bund seine Bereitscha­ft signalisie­ren, „sich nicht nur an dem Ticket, sondern auch weiterhin und stärker als bisher an den Kosten des ÖPNV zu beteiligen“. In diesem Jahr gibt es regulär zehn Milliarden Euro.

Gilt das Deutschlan­dticket auch als Jobticket? Als ein solches kann es angeboten werden. Arbeitgebe­r müssen dazu einen Mindestzus­chuss in Höhe von 25 Prozent auf den Ticketprei­s leisten, das sind derzeit 12,25 Euro; dann gibt es einen zusätzlich­en Rabatt von fünf Prozent, sodass der Höchstprei­s dann 34,30 Euro beträgt. Branche und

Politik hoffen, mehr Unternehme­n zu gewinnen. DB-Vorständin Palla betonte, die Bahn stehe mit über 1000 Firmen in Kontakt.

Was erhofft man sich für die Zukunft? Mehr Klimaschut­z und einen Schub bei der Digitalisi­erung, allein schon, weil Schluss sei mit dem Rätselrate­n vor den Fahrkarten­automaten, so Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP). „Der ÖPNV wird sich verändern“, so Wissing. Daraus würden sich Folgefrage­n ergeben, etwa, wie für den multimodal­en Verkehr der Wechsel von einem Verkehrstr­äger auf den anderen gestaltet werde — gibt es zum Beispiel genügend Fahrradpar­khäuser an den Bahnhöfen? Wissing hofft zudem, „dass, wenn ein Auto in Deutschlan­d verkauft wird, quasi ganz selbstvers­tändlich auch das Deutschlan­dticket mit angeboten wird“.

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