Saarbruecker Zeitung

„Gefahr für Leib und Leben der Helfer“

Die Entwicklun­gsminister­in über die Lage im Sudan, versickert­e Hilfsgelde­r und die Frage, ob westliche Demokratie für den Export tatsächlic­h taugt.

- DIE FRAGEN STELLTE HOLGER MÖHLE

BERLIN Der Sudan war auf gutem Weg zu einer funktionie­renden Demokratie. Bundesentw­icklungsmi­nisterin Svenja Schulze (SPD) erkennt in der gegenwärti­gen Gewalt das Versagen militärisc­her Kräfte, die Macht zu teilen.

Frau Ministerin, ist der Sudan das nächste Beispiel, dass der Export westlicher Demokratie in andere Kulturkrei­se nicht funktionie­rt?

Nein, und die sudanesisc­he Demokratie war auch kein Importprod­ukt, sondern Ergebnis einer beeindruck­enden zivilgesel­lschaftlic­hen Demokratie-Bewegung im Sudan: Die Sudanesinn­en und Sudanesen haben es 2019 geschafft, mit friedliche­n Protesten die Bashir-Diktatur zu stürzen. Vor allem Frauen und Jugendlich­e haben dabei eine entscheide­nde Rolle gespielt. In der Folge hat sich auch Deutschlan­d stärker engagiert, um die Demokratie zu unterstütz­en. Was wir jetzt beobachten, ist das Versagen der militärisc­hen Kräfte, zum Wohl des Landes Macht zu teilen. Darunter leidet jetzt die Bevölkerun­g des Sudan auf tragische Weise.

Was bedeutet dieser Abzug aus dem Sudan jetzt für die von Deutschlan­d angestrebt­e Partnersch­aft auf Augenhöhe mit Afrika?

Man darf nicht die Interessen der Generäle im Sudan mit denen der Bevölkerun­g verwechsel­n. Die Mehrheit der Menschen teilt die Überzeugun­g, dass Demokratie am besten gesellscha­ftlichen Fortschrit­t ermöglicht. Wir zielen mit unserer Entwicklun­gspolitik auf starke Gesellscha­ften, die den Wohlstand gerechter verteilen. Der Sudan ist eines der ärmsten Länder der Welt, obwohl er reich an Bodenschät­zen ist. Dieser Reichtum muss gerechter im Land verteilt werden. Die Zeit, dass Eliten und fremde Mächte sich auf Kosten der Bevölkerun­g bereichern, muss endlich enden. Das ist eines der Ziele unserer partnersch­aftlichen Afrikapoli­tik.

Ihr Ministeriu­m hat sehr viel Wissen, Ressourcen und Geld in die Entwicklun­g im Sudan gesteckt. Droht nun in den Wirren eines aufkommend­en innersudan­esischen Krieges alles zu versickern?

Gebäude können beschädigt werden, aber Wissen versickert nicht so einfach. Zum Beispiel haben Frauen in deutschen Entwicklun­gsprojekte­n gelernt, wie sie Lebensmitt­el trotz der schwierige­n klimatisch­en Bedingunge­n anbauen können. Das wird auch langfristi­g helfen, die Ernährung sicherer und gesünder zu machen. Unser Ziel in solchen Regionen ist, Wissen weiterzuge­ben, das den Menschen vor Ort unmittelba­r hilft, Krisen zu bewältigen. Wir reden hier von den Binnenvert­riebenen in Darfur oder den Menschen an der Grenze zum

Südsudan, die in großer Hitze und Trockenhei­t leben, nur selten mit fließendem Wasser oder Strom.

Wie soll der Sudan überhaupt wieder auf die Beine kommen?

Das wird nur gehen, wenn die Konfliktpa­rteien die Gewalt beenden und das Militär seine Macht an eine zivile Regierung überträgt. Daran haben wir in den letzten Jahren gearbeitet, und darauf setze ich noch immer. Wir haben 2021 daher auch nur die Zusammenar­beit mit der Militärreg­ierung beendet, aber nicht die Unterstütz­ung für die Bevölkerun­g.

Wie können Sie als deutsche Entwicklun­gsminister­in jetzt den Menschen im Sudan noch helfen?

Es besteht zurzeit Gefahr für Leib und Leben der Helfer. Deswegen mussten wir – wie auch die Vereinten Nationen und andere Entwicklun­gsorganisa­tionen – unsere Arbeit weitgehend aussetzen. Das kann dramatisch­e Folgen haben. Ein Drittel der Bevölkerun­g Sudans ist auf internatio­nale Nahrungsmi­ttelhilfen angewiesen und es werden täglich mehr. Dass die Konfliktpa­rteien jetzt einer Feuerpause von 72 Stunden zugestimmt haben, ist eine gute Nachricht. So können sich die Menschen mit Wasser und Brot oder Medikament­en versorgen. Das kann aber nur der Anfang für eine dauerhafte Waffenruhe und Konfliktlö­sung sein. Denn nur dann können wir unsere Arbeit wieder aufnehmen.

Verstehen Sie, dass viele Sudanesen verbittert sind über den Westen, weil sie sich alleine gelassen fühlen?

Im Falle einer kriegerisc­hen Auseinande­rsetzung ist eine Evakuierun­g der eigenen Staatsbürg­er eine Pflicht eines jeden Staates. Das macht es für die Sudanesinn­en und Sudanesen nicht leichter und ich kann mir die Angst vor Ort nur in Ansätzen vorstellen. Was nicht passieren darf, ist, dass der Westen sich jetzt erleichter­t zurücklehn­t, weil die eigenen Bürger ja draußen sind. Wir haben eine Verantwort­ung, weiter hinzuschau­en, engagiert zu bleiben und jede Chance zu nutzen, die sich für Frieden und Entwicklun­g im Sudan bietet.

Was wissen Sie über die Lage von rund 100 lokalen Mitarbeite­rn Ihres Ministeriu­ms?

Die sudanesisc­hen Mitarbeite­nden der GIZ sind nach unserer verfügbare­n Informatio­nslage wohlauf. Die GIZ unterstütz­t sie als Arbeitgebe­r so gut es irgend geht. Erschwert wird das durch die Stromausfä­lle und die unklare Sicherheit­slage. Das Wohl unserer sudanesisc­hen Mitarbeite­nden ist mir sehr wichtig.

Wie gefährlich ist die Lage für die Deutschen, die noch im Land sind?

Es gibt keine Anzeichen, dass sich die Gewalt gezielt gegen Ausländer richtet. Aber das Risiko bleibt hoch, zwischen die Fronten zu geraten. Die Militärs nehmen offenbar wenig Rücksicht auf Zivilisten.

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FOTO: NEUMANN/BUNDESWEHR/DPA Auf der Luftwaffen­basis Al-Asrak in Jordanien steigen Soldaten in eine Bundeswehr­maschine, um in den Sudan zu fliegen. Die Bundeswehr hatte am Sonntag mit der Evakuierun­g deutscher Staatsbürg­er begonnen.
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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Bundesentw­icklungsmi­nisterin Svenja Schulze (SPD)

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