Luftangriffe gehen im Sudan trotz Waffenruhe weiter
Vor allem in der Hauptstadt-Region gibt es Berichten zufolge Gefechte. Der UN-Sicherheitsrat will erneut über die Lage in dem afrikanischen Land beraten.
KHARTUM (dpa/ap) Trotz einer seit Mitternacht geltenden Waffenruhe ist es am Dienstag in der Hauptstadt-Region des Sudans laut Medienberichten erneut zu Luftangriffen gekommen. Dabei soll die Stadt Omdurman, die unmittelbar an die Hauptstadt Khartum angrenzt, in den Fokus gerückt sein. Eine Reporterin berichtete, dass bei den Gefechten auch ein Krankenhaus getroffen wurde. Bereits am Montag hieß es, dass der UN-Sicherheitsrat laut Diplomatenkreisen noch am Dienstag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen soll.
Unterdessen gingen am Dienstag die Evakuierungsflüge ausländischer Staatsbürger aus dem Sudan weiter. Frankreich meldete, 538Menschen aus dem umkämpften Sudan ausgeflogen zu haben. Die Niederlande evakuierten nach Angaben des Außenministeriums bisher rund 120Menschen aus dem Land am Horn von Afrika. Die Bundeswehr soll einen Appell zur Rückkehr der Einsatzkräfte auf den Fliegerhorst Wunstorf in Niedersachsen für Freitag planen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte am Dienstag vor der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin, ein sechster Flug werde voraussichtlich am Abend aus dem Sudan nach Jordanien gehen. „Dann war es das erst mal, soweit wir den Überblick haben. Durch das Auswärtige Amt sind damit alle, die erreichbar waren, auch erreicht worden und haben sich auf den Weg zum Flughafen gemacht.“Mit den bisherigen fünf Evakuierungsflügen seien knapp 500 Menschen ausgeflogen worden, davon etwa gut ein Drittel Deutsche.
Im Sudan sind vor mehr als einer Woche schwere Kämpfe zwischen dem Militär und Paramilitär ausgebrochen. De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, will seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo entmachten, den Anführer der einflussreichen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Die beiden hatten die Führung des Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcoups 2019 und 2021 übernommen. Bei den Kämpfen sind nach WHO-Informationen mindestens rund 460 Menschen umgekommen und fast 4100 verletzt worden. Die wahre Zahl dürfte aber deutlich höher liegen.
Besorgnis löste zudem eine Meldung der Weltgesundheitsorganisation ( WHO) aus. Demnach ist ein zentrales medizinisches Labor von Kämpfern besetzt worden, wie ein WHO-Sprecher berichtete. Die Mitarbeiter seien rausgeworfen worden. In dem Labor sei biologisches Material gelagert, das auf keinen Fall freigesetzt werden dürfe, warnte der WHO-Vertreter im Sudan, Nima Saeed Abiden.
Auch die medizinische Versorgung geriet immer weiter unter Druck. Ein Materiallager des Roten Kreuzes sei geplündert worden, berichtete der Vertreter der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC), Farid Aiywar. Deshalb könnten Krankenhäuser kaum noch mit Medikamenten und anderem Material unterstützt werden.
Das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR warnte angesichts der Kämpfe vor weiteren Vertreibungen. Seit Ausbruch des Konflikts am 15. April seien mindestens 20 000 Menschen in den Tschad geflohen, sagte UNHCR-Sprecherin Olga Sarrado am Dienstag. Etwa 4000 Flüchtlinge aus dem Südsudan seien dorthin zurückgekehrt. Diese Zahlen könnten noch steigen. Aus den übrigen fünf Nachbarländern des Sudans lägen keine Zahlen vor. Sarrado sagte, das UNHCR verstärke seine Aktivitäten. Im Sudan lebten mehr als 800 000 Flüchtlinge aus dem Südsudan, etwa ein Viertel von ihnen in Khartum, wo sie direkt von den Kämpfen bedroht seien. Das Flüchtlingskommissariat halte es für am wahrscheinlichsten, dass etwa 125 000 Flüchtlinge aus dem Südsudan wegen der Kämpfe in ihre Heimat zurückkehren werden, sagte die UNHCR-Chefin für den Südsudan, Marie-Helene Verney. Dazu könnten noch 45 000 sudanesische Flüchtlinge kommen.