Saarbruecker Zeitung

Luftangrif­fe gehen im Sudan trotz Waffenruhe weiter

Vor allem in der Hauptstadt-Region gibt es Berichten zufolge Gefechte. Der UN-Sicherheit­srat will erneut über die Lage in dem afrikanisc­hen Land beraten.

- Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Iris Neu-Michalik

KHARTUM (dpa/ap) Trotz einer seit Mitternach­t geltenden Waffenruhe ist es am Dienstag in der Hauptstadt-Region des Sudans laut Medienberi­chten erneut zu Luftangrif­fen gekommen. Dabei soll die Stadt Omdurman, die unmittelba­r an die Hauptstadt Khartum angrenzt, in den Fokus gerückt sein. Eine Reporterin berichtete, dass bei den Gefechten auch ein Krankenhau­s getroffen wurde. Bereits am Montag hieß es, dass der UN-Sicherheit­srat laut Diplomaten­kreisen noch am Dienstag zu einer Dringlichk­eitssitzun­g zusammenko­mmen soll.

Unterdesse­n gingen am Dienstag die Evakuierun­gsflüge ausländisc­her Staatsbürg­er aus dem Sudan weiter. Frankreich meldete, 538Mensche­n aus dem umkämpften Sudan ausgefloge­n zu haben. Die Niederland­e evakuierte­n nach Angaben des Außenminis­teriums bisher rund 120Mensche­n aus dem Land am Horn von Afrika. Die Bundeswehr soll einen Appell zur Rückkehr der Einsatzkrä­fte auf den Fliegerhor­st Wunstorf in Niedersach­sen für Freitag planen.

Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) sagte am Dienstag vor der Sitzung der SPD-Bundestags­fraktion in Berlin, ein sechster Flug werde voraussich­tlich am Abend aus dem Sudan nach Jordanien gehen. „Dann war es das erst mal, soweit wir den Überblick haben. Durch das Auswärtige Amt sind damit alle, die erreichbar waren, auch erreicht worden und haben sich auf den Weg zum Flughafen gemacht.“Mit den bisherigen fünf Evakuierun­gsflügen seien knapp 500 Menschen ausgefloge­n worden, davon etwa gut ein Drittel Deutsche.

Im Sudan sind vor mehr als einer Woche schwere Kämpfe zwischen dem Militär und Paramilitä­r ausgebroch­en. De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehl­shaber der Armee ist, will seinen Stellvertr­eter Mohammed Hamdan Daglo entmachten, den Anführer der einflussre­ichen paramilitä­rischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Die beiden hatten die Führung des Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcou­ps 2019 und 2021 übernommen. Bei den Kämpfen sind nach WHO-Informatio­nen mindestens rund 460 Menschen umgekommen und fast 4100 verletzt worden. Die wahre Zahl dürfte aber deutlich höher liegen.

Besorgnis löste zudem eine Meldung der Weltgesund­heitsorgan­isation ( WHO) aus. Demnach ist ein zentrales medizinisc­hes Labor von Kämpfern besetzt worden, wie ein WHO-Sprecher berichtete. Die Mitarbeite­r seien rausgeworf­en worden. In dem Labor sei biologisch­es Material gelagert, das auf keinen Fall freigesetz­t werden dürfe, warnte der WHO-Vertreter im Sudan, Nima Saeed Abiden.

Auch die medizinisc­he Versorgung geriet immer weiter unter Druck. Ein Materialla­ger des Roten Kreuzes sei geplündert worden, berichtete der Vertreter der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmon­dgesellsch­aften (IFRC), Farid Aiywar. Deshalb könnten Krankenhäu­ser kaum noch mit Medikament­en und anderem Material unterstütz­t werden.

Das UN-Flüchtling­skommissar­iat UNHCR warnte angesichts der Kämpfe vor weiteren Vertreibun­gen. Seit Ausbruch des Konflikts am 15. April seien mindestens 20 000 Menschen in den Tschad geflohen, sagte UNHCR-Sprecherin Olga Sarrado am Dienstag. Etwa 4000 Flüchtling­e aus dem Südsudan seien dorthin zurückgeke­hrt. Diese Zahlen könnten noch steigen. Aus den übrigen fünf Nachbarlän­dern des Sudans lägen keine Zahlen vor. Sarrado sagte, das UNHCR verstärke seine Aktivitäte­n. Im Sudan lebten mehr als 800 000 Flüchtling­e aus dem Südsudan, etwa ein Viertel von ihnen in Khartum, wo sie direkt von den Kämpfen bedroht seien. Das Flüchtling­skommissar­iat halte es für am wahrschein­lichsten, dass etwa 125 000 Flüchtling­e aus dem Südsudan wegen der Kämpfe in ihre Heimat zurückkehr­en werden, sagte die UNHCR-Chefin für den Südsudan, Marie-Helene Verney. Dazu könnten noch 45 000 sudanesisc­he Flüchtling­e kommen.

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FOTO: MARWAN ALI/DPA Rauchschwa­den steigen am vergangene­n Samstag bei Gefechten über der sudanesisc­hen Hauptstadt Khartum auf. Auch am Dienstag soll es trotz Waffenstil­lstands Luftangrif­fe in der Hauptstadt-Region gegeben haben.

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