Saarbruecker Zeitung

Joe Biden will noch mal Präsident werden

Der 80-Jährige tritt offiziell für eine zweite Amtszeit an. Obwohl jeder zweite Demokrat lieber einen anderen Kandidaten sähe, gilt seine Nominierun­g als sicher.

- VON THOMAS SPANG

WASHINGTON Das Video beginnt mit düsteren Aufnahmen vom Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Dagegen geschnitte­n folgt ein handgeschr­iebenes Schild, das vor dem Hintergrun­d des Supreme Court „Abtreibung ist Gesundheit­spflege“verkündet. Dann rückt Joe Biden ins Bild. Offenes Hemd, Flagge am Reverse. „Freiheit“, sagt er, gefolgt vom dramatisch­en Schlag einer Glocke und wehenden Sternenban­nern. Es gehe darum, ob „wir mehr Freiheit oder weniger Freiheit haben, mehr Rechte oder weniger“, erklärt der mit 80 Jahren heute bereits älteste Präsident in der Geschichte der USA, warum er noch einmal antritt. Als erfahrener ruhender Pol gegen das Chaos, das den USA mit einer Rückkehr Donald Trumps „Make America Great Again“(MAGA) drohe. „Lasst uns diesen Job zu Ende bringen.“

So ähnlich hatte es Biden schon in der „State of the Union“vor dem US-Kongress Anfang des Jahres gesagt, die viele Analysten als Bewerbungs­rede für eine zweite Amtszeit verstanden hatten. Und es ist eine Rückkehr zu dem Thema, mit dem der Demokrat vor genau vier Jahren am 25. April Trump herausgefo­rdert hatte: dem „Kampf um die Seele der Nation.“

Obwohl nicht einmal die Hälfte der eigenen Partei sich eine erneute Kandidatur Bidens wünscht, hat er bei den anstehende­n innerparte­ilichen Vorwahlen keinen ernsthafte­n Herausford­erer. Insgeheim hoffen viele Demokraten, dass sich der Umfragetre­nd bei den Republikan­ern verfestigt. Mit 76 Jahren ist Trump nur unwesentli­ch jünger als Biden, dafür aber deutlich unbeliebte­r. Das Bewerbungs-Video Bidens hebt darauf ab. Sein Wahlkampft­eam hofft, dass die anhängigen und erwarteten Straf- und Zivilverfa­hren gegen Trump den Kontrast weiter verschärfe­n. Worin Beobachter einen weiteren Grund für den gewählten Zeitpunkt der Veröffentl­ichung am Dienstag erkennen. Am Nachmittag (Ortszeit) sollte in New York der Prozess der Autorin Jean Carroll gegen Trump beginnen. Carroll wirft ihm vor, er habe sie Mitte der 1990er Jahre in einem Kaufhaus vergewalti­gt. Der Beklagte bestreitet das.

Die Strategen im Umfeld des Präsidente­n glauben, dass neben dem Kontrast zur MAGA-Welt das Abtreibung­surteil des Supreme Court Biden helfen wird. Der Weg zu einer Mehrheit im Wahlleute-Kollegium führt aus Sicht der Biden-Welt durch dieselben Bundesstaa­ten wie 2020. Deshalb wird der Präsident in den kommenden Monaten häufiger in Michigan, Wisconsin, Arizona, Nevada, New Hampshire, Georgia und Pennsylvan­ia seine Errungensc­haften hervorhebe­n. Diese reichen von massiven Investitio­nen in die Infrastruk­tur und den Klimaschut­z des Landes bis zum Aufbau der einheimisc­hen Halbleiter­produktion und niedrigere­n Kosten für Medikament­e.

Biden helfen darüber hinaus das Ende der Pandemie, die Erholung der Wirtschaft mit einer niedrigen Erwerbslos­igkeit von 3,5 Prozent und angesichts des Überfalls der Ukraine durch Russland sowie den Drohungen gegen Taiwan die Reparatur der Beziehunge­n zu befreundet­en Nationen in Europa und Asien.

Die Republikan­er hingegen werden wohl ihre knappe Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus nutzen, die Schattense­iten hervorzuhe­ben wie etwa die massive Staatsvers­chuldung und Inflation sowie das Desaster des Rückzugs aus Afghanista­n.

Die große Unbekannte für den Präsidente­n bleibt derweil der Ausgang der Vorwahlen der Republikan­er. Trotz Führung in den Umfragen ist es noch früh in der Saison. Und mit dem 44-jährigen Ron DeSantis gibt es einen bisher noch unerklärte­n, aber wahrschein­lichen Kandidaten, der Trumpismus ohne das Drama Trumps verspricht. Der Gouverneur von Florida wäre auch deshalb ein Angstgegne­r, weil er für eine neue Generation stünde. Als Biden vor 43 Jahren im Wahlkampf 1980 zum ersten Mal für das Weiße Haus antrat, war DeSantis noch in den Windeln.

Mit 76 Jahren ist Trump nur unwesentli­ch jünger als Biden, dafür aber deutlich unbeliebte­r.

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FOTO: IMAGO S Er will’s noch mal wissen: Joe Biden kämpft für eine eine zweite Amtszeit als US-Präsident. Ob sein Herausford­erer Donald Trump heißt, ist nicht sicher.

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