Gesundheitswesen soll spürbar digitaler werden
Bis zur Umsetzung der Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist es noch ein weiter Weg – und der Zeitdruck wächst.
BERLIN Es ist gut 20 Jahre her, dass die Idee einer elektronischen Patientenakte vorgestellt wurde. Umgesetzt ist davon bis heute so gut wie nichts. Einer, der damals bei den ersten Konzepten beteiligt war, ist heute Bundesgesundheitsminister: Karl Lauterbach (SPD) plant einen umfangreichen Digitalschub im Gesundheitswesen und will Dinge wie das elektronische Rezept einführen, für die bislang noch viele Voraussetzungen fehlen.
Das soll sich mit zwei Gesetzen ändern, die Lauterbach gleichzeitig ins Kabinett einbringen will: ein Digitalgesetz und das sogenannte Gesundheitsdatennutzungsgesetz, das die Voraussetzungen für die Forschung verbessern soll. Sie sollen nach Angaben von Lauterbach in den kommenden Wochen vorgestellt werden. Bei einer Veranstaltung zur Digitalstrategie der Bundesregierung mit Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP) sagte Lauterbach, dass es „unfassbar oft“vorkomme, dass Patienten nicht gut aufeinander abgestimmte Medikamente erhielten. So würde sich deren Wirkung teils gegenseitig aufheben. Das soll sich mit der elektronischen Patientenakte nun endlich ändern, da behandelte Ärzte einfacher auf notwendige Informationen wie vorliegende Befunde, verschriebene Medikamente oder Röntgenbilder zugreifen könnten.
Um einen Durchbruch zu erreichen, sollen nach Plänen der Koalition alle gesetzlich Versicherten bis Ende 2024 automatisch eine E-Akte bekommen – es sei denn, man lehnt das aktiv ab. Bisher muss man aktiv einwilligen, wenn man eine will. Als freiwilliges Angebot waren die E-Akten schon 2021 eingeführt worden, aber nicht einmal ein Prozent der 74 Millionen gesetzlich Versicherten nutzt sie. Erklärtes Ziel der Bundesregierung bis 2025 ist, dass 80 Prozent E-Akten haben.
Zugleich will Lauterbach erreichen, dass der Standort Deutschland wieder an Attraktivität für Forschung und Pharmaindustrie gewinnt. Mittlerweile würden „überall die Alarmglocken“läuten, sagte Lauterbach, weil Daten für die Unternehmen und die Forschung fehlen würden. Die Konkurrenz in den USA, China, Israel und Kanada sei groß und nicht zu unterschätzen. Deutschland habe enormen Aufholbedarf.
Doch der Zeitdruck wächst rasant, denn mit Biontech und Bayer haben bereits namhafte Firmen angekündigt, wichtige Unternehmensteile in andere Länder zu verlagern.
Lauterbach sagte, es gehe um die Verbesserung der Gesundheitsversorgung, „aber auch um die Verteidigung und den Ausbau eines riesigen Wirtschaftsbereichs“. Wenn es nicht gelinge, die Grundlagen dafür zu schaffen, „werden wir abgehängt werden“. Es gebe bereits Abwanderungstendenzen, weil Deutschland in der Forschung „nicht so digital wie andere Länder“sei. „Wir verlieren den Anschluss an die Spitze“, mahnte er.
„Digital muss das neue Normal in Deutschland werden“, sagte Digitalminister Wissing. Ziel sei, „teure Doppelstrukturen“abzuschaffen. Davon sollten auch die Menschen direkt profitieren. Als Beispiele nannte er das Deutschlandticket und die geplante elektronische Anund Abmeldung von Fahrzeugen. „Ab September können 20 Millionen Zulassungsvorgänge rein digital erfolgen.“Durch das sogenannte I-Kfz könnten die Zulassungsgebühren deutlich gesenkt werden. Auch die Energiepauschale für Studierende von 200 Euro erfolge digital, so Wissing.