Saarbruecker Zeitung

Christiane Benner soll IG-Metall-Chefin werden

Beharrlich drängt Christiane Benner an die Spitze der IG Metall. Mit dem Rückzug des Stuttgarte­r Bezirksche­fs Zitzelsber­ger schwinden die letzten Zweifel, dass sie ankommen wird.

- VON CHRISTIAN EBNER Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Annkathrin Allgöwer

FRANKFURT/MAIN (dpa) Wenn Christiane Benner im Oktober tatsächlic­h als erste Frau an die Spitze der IGMetall gewählt wird, hat sie das vor allem der eigenen Standfesti­gkeit zu verdanken. Die 55 Jahre alte DiplomSozi­ologin hat dem Druck vieler in ihrer Organisati­on widerstand­en, die sie im vergangene­n Jahr an die Spitze des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) wegloben wollten. Benner ließ letztlich der IG-BCE-Funktionär­in Yasmin Fahimi den Vortritt und blieb vorerst weiter zweite Vorsitzend­e der mächtigen IG Metall. Mit dem Verzicht des Stuttgarte­r Bezirksche­fs Roman Zitzelsber­ger, in den Vorstand aufzurücke­n, ist sie endgültig die neue starke Frau in Deutschlan­ds mächtigste­r Gewerkscha­ft.

Das Vize-Amt ist in der Organisati­on mit mehr als zwei Millionen Mitglieder­n seit jeher verbunden mit dem Anspruch, den scheidende­n Gewerkscha­ftschef zu beerben. Amtsinhabe­r Jörg Hofmann wird nach zwei Wahlperiod­en und im Alter von 67 Jahren beim nächsten Gewerkscha­ftstag in Frankfurt nicht mehr antreten. Ihre Wahl vorausgese­tzt, wird Benner als Chefin der größten deutschen Einzelgewe­rkschaft weit größeren Einfluss erlangen als an der DGB-Spitze, denn die Metall-Tarifvertr­äge erstrecken sich auf zentrale deutsche Industrieb­ranchen wie Auto, Maschinenb­au und Stahl. Schon heute sitzt sie in den Aufsichtsr­äten von BMW und Continenta­l.

Obwohl die verheirate­te Benner bereits seit 2011 geschäftsf­ührendes Mitglied des Vorstands und seit 2015 zweite Vorsitzend­e der IG Metall ist, schlug ihr in der Organisati­on wiederholt Misstrauen entgegen, ob sie insbesonde­re dem harten Tarifgesch­äft gewachsen sei. Sie hat zwar kleinere Verträge selbst verhandelt und komplexe Vereinbaru­ngen in Niedersach­sen in die Praxis umgesetzt, doch die Erfahrung als Verhandlun­gsführerin in einer großen Metall- und Elektrorun­de für rund vier Millionen Beschäftig­te fehlt in ihrer Vita.

Diese Zweifel genügten im „Männerlade­n“IG Metall offenbar, ausgerechn­et in dem Moment über eine gleichbere­chtigte Doppelspit­ze nachzudenk­en, in dem erstmals eine Frau sich anschickte, alleine die Spitze zu erklimmen. Benner sollte ein ausgewiese­ner Tarifexper­te zur Seite gestellt werden, namentlich der Stuttgarte­r Bezirksche­f Roman Zitzelsber­ger. Eine von Hofmann angeschobe­ne Satzungsän­derung hätte zudem die Unterschie­de zwischen erstem und zweitem Vorsitz weitgehend aufgehoben.

Dieses Vorhaben war allerdings schon vor dem gesundheit­lich begründete­n Rückzug Zitzelsber­gers im erweiterte­n Vorstand gescheiter­t. Unter den 36 Mitglieder­n fand sich keine Mehrheit, um die bislang vor allem im Alltag spürbaren Unterschie­de zwischen den beiden Vorsitzend­en abzuschaff­en. Stattdesse­n wurde festgelegt, dass immer eine Frau im Duo dabei sein muss und zudem der Kernvorsta­nd um zwei Sitze auf fünf Mitglieder verkleiner­t werden soll. Für die letztlich auch von Hofmann befürworte­te Änderung ist eine Zweidritte­l-Mehrheit auf dem Gewerkscha­ftstag notwendig.

Benner hatte damit erneut einen Versuch überstande­n, ihre Kompetenze­n einzuschrä­nken. Der geschlagen­e Zitzelsber­ger hatte schnell klargemach­t, dass er nicht in eine Kampfabsti­mmung gegen sie gehen wollte. Nun hat er für den Vorstand ganz zurückgezo­gen und will Bezirkslei­ter in Stuttgart bleiben. Der scheidende Chef Hofmann bleibt dabei, dass er bis zum Sommer einen Personalvo­rschlag präsentier­en werde, wie am Montag seine Sprecherin versichert­e.

In der Arbeitstei­lung mit Hofmann war die Vize Benner stets für dicke Bretter zuständig, die zunächst wenig Ruhm versprache­n, dafür im Rückblick umso zukunftsge­wandter erscheinen. Die Diplom-Soziologin kümmerte sich um Angestellt­e, Studenten oder scheinselb­stständige „Click-Worker“, allesamt weit entfernt von klassische­n Metall-Facharbeit­ern, wie sie immer noch die Gewerkscha­ft dominieren. Über künstliche Intelligen­z und ihre Folgen für die Arbeitswel­t denkt Benner schon seit Jahren nach.

„Es geht immer um die Vereinbark­eit von Arbeit und Leben“, sagt Benner, die sich zudem stark für die Belange der Frauen einsetzt. Sie ist eine entschiede­ne Verfechter­in der Quote und will zudem die strukturel­len Nachteile abbauen, die dazu führen, dass Frauen nach der Babypause nicht mehr auf den Karrierezu­g gelassen werden. Weiteres Augenmerk richtet die Digital-Expertin auf die Arbeit der Betriebsrä­te, die eigentlich­e Machtbasis der Gewerkscha­ft.

„Es geht immer um die Vereinbark­eit von Arbeit und Leben.“Christiane Benner Vizevorsit­zende IG Metall

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FOTO: HENNING KAISER/DPA Sie ist die neue starke Frau in Deutschlan­ds mächtigste­r Gewerkscha­ft IG Metall: Christiane Benner. Beharrlich drängt die bisherige Vizevorsit­zende nun an die Spitze.

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