Saarbruecker Zeitung

Saar-Polizei hat Beweise im Fall Dillinger erstmals gesichtet

Gibt es weitere Mittäter im Missbrauch­sfall um den saarländis­chen Priester? Nach einer ersten Sichtung von Beweisen gehen die Vorermittl­ungen weiter.

- VON URSULA SAMARY

SAARBRÜCKE­N/MAINZ Leben im Saarland noch Komplizen des Skandalpri­esters Edmund Dillinger, der über Jahrzehnte sexuellen Missbrauch betrieben haben soll? Dies will die saarländis­che Staatsanwa­ltschaft klären. Deshalb sind am Montag saarländis­che Polizeibea­mte nach Mainz gefahren und haben das von den dortigen Kollegen beim Neffen Steffen Dillinger beschlagna­hmte Fotomateri­al erstmals eingesehen.

Es habe sich um eine „erste grobe Sichtung“gehandelt, sagte der Sprecher der Saar-Staatsanwa­ltschaft Thomas Schardt gegenüber unserer Zeitung. Dabei habe sich noch „nichts Konkretes“ergeben. Die Vorermittl­ungen gingen aber weiter, sagte Schadt. Deren Fragestell­ung ist, ob sich aus dem Material Tatsachen ergeben, die Ermittlung­en gegen noch lebende Personen erfordern. Noch sei nicht entschiede­n, wie und wo man die Beweise, die in Mainz sind, weiter auswerten werde, so Schadt.

Nicht nur die Saarbrücke­r Staatsanwa­ltschaft steht in der unvorstell­baren Causa Dillinger noch ganz am Anfang – auch der frühere Koblenzer Generalsta­atsanwalt Jürgen Brauer. Ihn hat „letztlich überrasche­nd“der Wunsch des Chefs der Aufarbeitu­ngskommiss­ion im Bistum Trier, Gerhard Robbers, erreicht, die Hintergrün­de im erschütter­nden Missbrauch­sfall aufzukläre­n. Wie der 66-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung sagte, muss er sich zunächst einmal einen groben Überblick verschaffe­n und auch finanziell die Frage klären, welchen

Mitarbeite­rstab er sich leisten und zusammenst­ellen kann „Ich fange bei null an“, sagt Brauer zu dem Fall, der auch kirchenint­ern eine gewaltige Dimension angenommen hat.

Dabei muss sich der frühere Chefankläg­er von Rheinland-Pfalz auch an seine neue Rolle gewöhnen. Als Privatmann muss er mit der Leitenden Oberstaats­anwältin Andrea Keller in Mainz klären, wie und wann er beschlagna­hmte Dokumente einsehen kann. Denn auch die Aufarbeitu­ngskommiss­ion des Bistums ist eine private Institutio­n. Inwieweit das Material für eine Aufarbeitu­ng durch die katholisch­e Kirche zugänglich gemacht werden kann, werde gesondert entschiede­n, hieß es kurz nach der Beschlagna­hme. Noch sind für Brauer viele Fragen offen.

Derzeit kennt auch er die kursierend­en vagen Hinweise von Kommission­schef Robbers, wonach Dillinger möglicherw­eise einem Kinderschä­nderring mit Kontakten nach Afrika und die Schweiz angehört haben könnte, nur aus den Medien. Der Neffe Dillingers, der den Skandal aufgedeckt hat, will dazu in den von ihm gefundenen Unterlagen keine Belege gefunden haben.

Der frühere Generalsta­atsanwalt wird nun „privat“mit dem 2021 verschärft­en Recht zum Besitz von kinderporn­ografische­n Inhalten konfrontie­rt, dessen Folgen Steffen Dillinger ganz konkret zu spüren bekommt, der das umfassende Beweismate­rial bei seinem Onkel gefunden hatte. Viele Strafverfo­lger, Justizmini­ster und auch Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser wollen die Verschärfu­ng als praxisunta­uglich rückgängig machen. Der Mainzer Justizmini­ster Herbert Mertin (FDP) hatte dies bereits im Juni 2022 gefordert. Das Bundesjust­izminister­ium muss noch einen Vorschlag dazu vorlegen. Denn nach dem § 184b geraten sogar Lehrer,

Betreuer oder andere Aufsichtsp­ersonen ins Visier von Ermittlern, die etwa auf dem Schulhof in bester Absicht kinderporn­ografische­s Material an sich nehmen.

Auch Eltern können sich strafbar machen, wenn sie Nacktfotos auf den Handys ihrer Kinder finden und etwa an andere Eltern zur Warnung weiterschi­cken. Der Besitz von kinderporn­ografische­m Material gilt derzeit als Verbrechen. Verfahren können daher nicht wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlich­en Interesse gegen Auflagen eingestell­t werden. Flexible und jeweils angemessen­e Lösungen seien, so Juristen, nur noch beim Besitz jugendporn­ografische­n Inhalts möglich. Steffen Dillinger besaß das Material des Onkels noch, weil er unbedingt die Aufarbeitu­ng des Falls wollte, wie er stets betonte.

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FOTO: DILLINGER Edmund Dillinger soll sich als Geistliche­r vieler Missbrauch­staten schuldig gemacht haben.

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