EVK-Beschäftigte wehren sich vor Gericht
Es geht um ungewollte Versetzungen, verweigerte Abfindungen und vermutete Tricks, wenn Mitarbeiter des ehemaligen Evangelischen Krankenhauses in Saarbrücken vorm Arbeitsgericht auf ihren Arbeitgeber Kreuznacher Diakonie treffen.
SAARBRÜCKEN Vorm Arbeitsgericht Saarbrücken sind in den kommenden Tagen und Wochen zahlreiche Verhandlungen anberaumt, in denen Beschäftigte des am 10. März geschlossenen Evangelischen Krankenhauses in Saarbrücken (EVK) sich gegen ihre Versetzungen in andere Einrichtungen der Kreuznacher Diakonie wehren wollen. So sollen Pflegekräfte, die im EVK auf der Intensivstation gearbeitet haben, nach eigener Aussage zukünftig im Fliedner-Krankenhaus, einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, die die Diakonie in Neunkirchen betreibt, eingesetzt werden.
Es raubt den Betroffenen den Schlaf, dass sie in der sogenannten geschützten Abteilung arbeiten sollen, in der schwer erkrankte Patienten behandelt werden – Menschen, die unter akuten Psychosen, Schizophrenie, akuter Verwirrtheit, Selbstmordgefährdung, akuter Drogensucht oder fortgeschrittener Demenz leiden. Die zwangsversetzten Beschäftigten aus dem EVK fühlen sich dieser neuen Aufgabe nicht gewachsen. Sie äußern den Verdacht, dass es der Diakonie zu teuer ist, ihnen Abfindungen zu bezahlen, weil sie als ältere Mitarbeiter noch nach BAT-KF (BundesangestelltenTarifvertrag in kirchlicher Fassung) eingestuft sind und somit höhere Abfindungsansprüche haben als Beschäftigte, die AVR-Verträge (Arbeitsvertragsrichtlinien) haben. Doch ein Teil der nach BAT entlohnten Pflegekräfte hat im EVK in Teilzeit gearbeitet. Deshalb seien keine besonders hohen Abfindungen erforderlich, erklären die Betroffenen.
Hingegen seien ehemalige Beschäftigte des EVK, die bereit waren, in eine andere Einrichtung der Diakonie zu wechseln, zwar teilweise auch ins Fliedner-Krankenhaus beordert worden, dort aber in anderen Abteilungen eingesetzt, in denen keine Patienten mit schwersten psychischen Erkrankungen versorgt werden müssten. Weitere ehemalige EVK-Mitarbeiter, die das Unternehmen eigentlich mit einer Abfindung verlassen wollen, sind dem Springerpool im Fliedner zugeteilt worden. Das heißt, je nach Bedarf werden sie in allen möglichen Bereichen eingesetzt. Es ist nicht klar, seit wann es einen solchen Pool gibt. Für ein kleines Haus wie das Fliedner (145 Betten) wäre das eine ungewöhnliche Einrichtung. Eine entsprechende Anfrage hat die Kreuznacher Diakonie nicht beantwortet.
Aus dem Kreis der ehemaligen Beschäftigten des EVK ist zu hören, dass inzwischen rund 85 Prozent des EVK-Personals mit einer Abfindung seinen Arbeitgeber Diakonie verlassen habe, darunter alle Ärzte. Die Diakonie selbst will dazu aus „Gründen des Datenschutzes“nichts sagen. Einigen EVK-Beschäftigten hatte die Diakonie neue
Stellen zum Beispiel in ihrem Krankenhaus in Kirn angeboten, den weiten Arbeitsweg jedoch selbst als unzumutbar bezeichnet und deshalb Aufhebungsverträge samt Abfindung geschlossen. Eine Versetzung in die geschützte Abteilung des Fliedner-Krankenhauses stuft die Diakonie trotz der belastenden Tätigkeit nicht als unzumutbar ein. Vor Gericht wird es daher auch um die Frage gehen, ob hier eine Ungleichbehandlung einiger EVK-Beschäftigter vorliegt.
Bei einigen der Pflegekräfte, die gegen ihren Willen ins FliednerKrankenhaus versetzt worden sind, hat sich inzwischen der Eindruck verfestigt, dass ihre Versetzungen möglicherweise lediglich zum Schein erfolgt sind – vermutlich um sie unter Druck zu setzen, von sich aus zu kündigen. Dann wäre keine Abfindung fällig. Im Fliedner-Krankenhaus wusste offenbar wenige Tage vor Dienstbeginn der zwangsversetzten Mitarbeiter zum April niemand, dass sie kommen, geschweige denn, wo sie eingesetzt werden. Das hat sich bei Telefonaten ergeben, in denen sich die Betroffenen nach ihrer neuen Stelle erkundigt haben.
Aus Kreisen der Anwälte heißt es, dies deute darauf hin, dass die Versetzungen lediglich am Reißbrett – zentral in Kreuznach – geplant worden seien, ohne dass dem ein tatsächlicher Bedarf im FliednerKrankenhaus zugrunde liege. Sollte dies zutreffen, wäre das ein deutliches Indiz dafür, dass es sich um eine bloße Scharade handele mit dem Ziel, die Beschäftigten um eine Abfindung zu bringen, die ihnen tariflich im Fall der betriebsbedingten Kündigung zustehe.
Auch einige ehemalige EVK-Beschäftigte, deren Verträge unter die AVR fallen, sind vom Vorgehen der Diakonie irritiert, weil die Vorgaben des Sozialplans nicht einheitlich, sondern möglicherweise willkürlich umgesetzt werden. Einige unter den Sozialplan fallende Mitarbeiter profitieren von der sogenannten Sprinterklausel – Beendigung des Arbeitsvertrags zum 31. März bei Auszahlung der vollen Vergütung für April bis Juni –, während dies mindestens einer Mitarbeiterin zunächst zwar angeboten, dann aber ohne nachvollziehbare Begründung verweigert wurde. Möglicherweise hat das mit einer noch laufenden Fortbildung zu tun, zu deren Finanzierung die Diakonie vertraglich verpflichtet ist, und die Diakonie setzt darauf, dass die Betroffene einem Aufhebungsvertrag ohne Auszahlung des ihr noch zustehenden Gehalts zustimmt. Mit der Ersparnis könnte die Diakonie die Fortbildungskosten zumindest teilweise ausgleichen.
Einigen schwerbehinderten Beschäftigten des EVK hat die Diakonie noch überhaupt nicht gekündigt. Es liegen auch noch keine Angebote für andere Arbeitsplätze im Unternehmen vor. Die Betroffenen sind seit Anfang April am EVK freigestellt bei vollem Gehalt.
Der Vorstand der Kreuznacher Diakonie hat eine Reihe von Fragen, die unsere Zeitung ihm gestellt hat, nicht beantwortet. Er hat jedoch eine Stellungnahme abgegeben: „Die Stiftung Kreuznacher Diakonie beabsichtigt weiterhin, allen EVK-Mitarbeitenden Stellen in Einrichtungen in Trägerschaft der Stiftung anzubieten. Dabei bieten wir vorhandene Stellen auf Grundlage der durchgeführten Sozialauswahl an. Unabhängig davon stehen selbstverständlich alle offenen Stellen innerhalb der Stiftung Kreuznacher Diakonie auch allen Mitarbeitenden für Bewerbungen offen. Dies haben wir jederzeit offen kommuniziert und diese Möglichkeit wurden von sehr vielen Kolleginnen und Kollegen auch angenommen. Wir freuen uns, dass die allermeisten inzwischen eine Anschlussbeschäftigung gefunden haben. Als Ansprechpartner für unsere Mitarbeitenden stehen auch weiterhin die Personalabteilung der Stiftung, die Geschäftsführung des EVK sowie die Pflegedirektion zur Verfügung. Ferner ist die Mitarbeitervertretung insbesondere hinsichtlich des Sozialplanes Ansprechpartner für die Belegschaft. Zu weiteren Details äußern wir uns aus Datenschutzgründen nicht, sehen aber den anstehenden Verfahren am Arbeitsgericht dahingehend optimistisch entgegen, dass wir das Gericht von unserer Position überzeugen können.“
„Die Stiftung Kreuznacher Diakonie beabsichtigt weiterhin, allen EVK-Mitarbeitenden Stellen in Einrichtungen in Trägerschaft der Stiftung anzubieten.“Vorstand der Kreuznacher Diakonie