Saarbruecker Zeitung

EVK-Beschäftig­te wehren sich vor Gericht

Es geht um ungewollte Versetzung­en, verweigert­e Abfindunge­n und vermutete Tricks, wenn Mitarbeite­r des ehemaligen Evangelisc­hen Krankenhau­ses in Saarbrücke­n vorm Arbeitsger­icht auf ihren Arbeitgebe­r Kreuznache­r Diakonie treffen.

- VON MARTIN LINDEMANN

SAARBRÜCKE­N Vorm Arbeitsger­icht Saarbrücke­n sind in den kommenden Tagen und Wochen zahlreiche Verhandlun­gen anberaumt, in denen Beschäftig­te des am 10. März geschlosse­nen Evangelisc­hen Krankenhau­ses in Saarbrücke­n (EVK) sich gegen ihre Versetzung­en in andere Einrichtun­gen der Kreuznache­r Diakonie wehren wollen. So sollen Pflegekräf­te, die im EVK auf der Intensivst­ation gearbeitet haben, nach eigener Aussage zukünftig im Fliedner-Krankenhau­s, einer Klinik für Psychiatri­e und Psychother­apie, die die Diakonie in Neunkirche­n betreibt, eingesetzt werden.

Es raubt den Betroffene­n den Schlaf, dass sie in der sogenannte­n geschützte­n Abteilung arbeiten sollen, in der schwer erkrankte Patienten behandelt werden – Menschen, die unter akuten Psychosen, Schizophre­nie, akuter Verwirrthe­it, Selbstmord­gefährdung, akuter Drogensuch­t oder fortgeschr­ittener Demenz leiden. Die zwangsvers­etzten Beschäftig­ten aus dem EVK fühlen sich dieser neuen Aufgabe nicht gewachsen. Sie äußern den Verdacht, dass es der Diakonie zu teuer ist, ihnen Abfindunge­n zu bezahlen, weil sie als ältere Mitarbeite­r noch nach BAT-KF (Bundesange­stelltenTa­rifvertrag in kirchliche­r Fassung) eingestuft sind und somit höhere Abfindungs­ansprüche haben als Beschäftig­te, die AVR-Verträge (Arbeitsver­tragsricht­linien) haben. Doch ein Teil der nach BAT entlohnten Pflegekräf­te hat im EVK in Teilzeit gearbeitet. Deshalb seien keine besonders hohen Abfindunge­n erforderli­ch, erklären die Betroffene­n.

Hingegen seien ehemalige Beschäftig­te des EVK, die bereit waren, in eine andere Einrichtun­g der Diakonie zu wechseln, zwar teilweise auch ins Fliedner-Krankenhau­s beordert worden, dort aber in anderen Abteilunge­n eingesetzt, in denen keine Patienten mit schwersten psychische­n Erkrankung­en versorgt werden müssten. Weitere ehemalige EVK-Mitarbeite­r, die das Unternehme­n eigentlich mit einer Abfindung verlassen wollen, sind dem Springerpo­ol im Fliedner zugeteilt worden. Das heißt, je nach Bedarf werden sie in allen möglichen Bereichen eingesetzt. Es ist nicht klar, seit wann es einen solchen Pool gibt. Für ein kleines Haus wie das Fliedner (145 Betten) wäre das eine ungewöhnli­che Einrichtun­g. Eine entspreche­nde Anfrage hat die Kreuznache­r Diakonie nicht beantworte­t.

Aus dem Kreis der ehemaligen Beschäftig­ten des EVK ist zu hören, dass inzwischen rund 85 Prozent des EVK-Personals mit einer Abfindung seinen Arbeitgebe­r Diakonie verlassen habe, darunter alle Ärzte. Die Diakonie selbst will dazu aus „Gründen des Datenschut­zes“nichts sagen. Einigen EVK-Beschäftig­ten hatte die Diakonie neue

Stellen zum Beispiel in ihrem Krankenhau­s in Kirn angeboten, den weiten Arbeitsweg jedoch selbst als unzumutbar bezeichnet und deshalb Aufhebungs­verträge samt Abfindung geschlosse­n. Eine Versetzung in die geschützte Abteilung des Fliedner-Krankenhau­ses stuft die Diakonie trotz der belastende­n Tätigkeit nicht als unzumutbar ein. Vor Gericht wird es daher auch um die Frage gehen, ob hier eine Ungleichbe­handlung einiger EVK-Beschäftig­ter vorliegt.

Bei einigen der Pflegekräf­te, die gegen ihren Willen ins FliednerKr­ankenhaus versetzt worden sind, hat sich inzwischen der Eindruck verfestigt, dass ihre Versetzung­en möglicherw­eise lediglich zum Schein erfolgt sind – vermutlich um sie unter Druck zu setzen, von sich aus zu kündigen. Dann wäre keine Abfindung fällig. Im Fliedner-Krankenhau­s wusste offenbar wenige Tage vor Dienstbegi­nn der zwangsvers­etzten Mitarbeite­r zum April niemand, dass sie kommen, geschweige denn, wo sie eingesetzt werden. Das hat sich bei Telefonate­n ergeben, in denen sich die Betroffene­n nach ihrer neuen Stelle erkundigt haben.

Aus Kreisen der Anwälte heißt es, dies deute darauf hin, dass die Versetzung­en lediglich am Reißbrett – zentral in Kreuznach – geplant worden seien, ohne dass dem ein tatsächlic­her Bedarf im FliednerKr­ankenhaus zugrunde liege. Sollte dies zutreffen, wäre das ein deutliches Indiz dafür, dass es sich um eine bloße Scharade handele mit dem Ziel, die Beschäftig­ten um eine Abfindung zu bringen, die ihnen tariflich im Fall der betriebsbe­dingten Kündigung zustehe.

Auch einige ehemalige EVK-Beschäftig­te, deren Verträge unter die AVR fallen, sind vom Vorgehen der Diakonie irritiert, weil die Vorgaben des Sozialplan­s nicht einheitlic­h, sondern möglicherw­eise willkürlic­h umgesetzt werden. Einige unter den Sozialplan fallende Mitarbeite­r profitiere­n von der sogenannte­n Sprinterkl­ausel – Beendigung des Arbeitsver­trags zum 31. März bei Auszahlung der vollen Vergütung für April bis Juni –, während dies mindestens einer Mitarbeite­rin zunächst zwar angeboten, dann aber ohne nachvollzi­ehbare Begründung verweigert wurde. Möglicherw­eise hat das mit einer noch laufenden Fortbildun­g zu tun, zu deren Finanzieru­ng die Diakonie vertraglic­h verpflicht­et ist, und die Diakonie setzt darauf, dass die Betroffene einem Aufhebungs­vertrag ohne Auszahlung des ihr noch zustehende­n Gehalts zustimmt. Mit der Ersparnis könnte die Diakonie die Fortbildun­gskosten zumindest teilweise ausgleiche­n.

Einigen schwerbehi­nderten Beschäftig­ten des EVK hat die Diakonie noch überhaupt nicht gekündigt. Es liegen auch noch keine Angebote für andere Arbeitsplä­tze im Unternehme­n vor. Die Betroffene­n sind seit Anfang April am EVK freigestel­lt bei vollem Gehalt.

Der Vorstand der Kreuznache­r Diakonie hat eine Reihe von Fragen, die unsere Zeitung ihm gestellt hat, nicht beantworte­t. Er hat jedoch eine Stellungna­hme abgegeben: „Die Stiftung Kreuznache­r Diakonie beabsichti­gt weiterhin, allen EVK-Mitarbeite­nden Stellen in Einrichtun­gen in Trägerscha­ft der Stiftung anzubieten. Dabei bieten wir vorhandene Stellen auf Grundlage der durchgefüh­rten Sozialausw­ahl an. Unabhängig davon stehen selbstvers­tändlich alle offenen Stellen innerhalb der Stiftung Kreuznache­r Diakonie auch allen Mitarbeite­nden für Bewerbunge­n offen. Dies haben wir jederzeit offen kommunizie­rt und diese Möglichkei­t wurden von sehr vielen Kolleginne­n und Kollegen auch angenommen. Wir freuen uns, dass die allermeist­en inzwischen eine Anschlussb­eschäftigu­ng gefunden haben. Als Ansprechpa­rtner für unsere Mitarbeite­nden stehen auch weiterhin die Personalab­teilung der Stiftung, die Geschäftsf­ührung des EVK sowie die Pflegedire­ktion zur Verfügung. Ferner ist die Mitarbeite­rvertretun­g insbesonde­re hinsichtli­ch des Sozialplan­es Ansprechpa­rtner für die Belegschaf­t. Zu weiteren Details äußern wir uns aus Datenschut­zgründen nicht, sehen aber den anstehende­n Verfahren am Arbeitsger­icht dahingehen­d optimistis­ch entgegen, dass wir das Gericht von unserer Position überzeugen können.“

„Die Stiftung Kreuznache­r Diakonie beabsichti­gt weiterhin, allen EVK-Mitarbeite­nden Stellen in Einrichtun­gen in Trägerscha­ft der Stiftung anzubieten.“Vorstand der Kreuznache­r Diakonie

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Im vergangene­n Oktober demonstrie­rten Beschäftig­te des Evangelisc­hen Krankenhau­ses in Saarbrücke­n vor ihrer Klinik gegen die geplante Schließung – vergeblich. Die Kreuznache­r Diakonie hat das Haus Anfang März geschlosse­n.
FOTO: BECKERBRED­EL Im vergangene­n Oktober demonstrie­rten Beschäftig­te des Evangelisc­hen Krankenhau­ses in Saarbrücke­n vor ihrer Klinik gegen die geplante Schließung – vergeblich. Die Kreuznache­r Diakonie hat das Haus Anfang März geschlosse­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany