Die Rente aus Luxemburg ist nicht sicher
Höhere Beiträge, gekürzte Leistungen oder später in Rente: Luxemburg wird sein Rentensystem reformieren müssen. Passiert nichts, muss spätestens ab 2027 in die Reserven gegriffen werden. Was das für die Grenzgänger bedeutet.
LUXEMBURG Ein Viertel der in Luxemburg beschäftigten Männer geht mit 54 Jahren oder früher in Rente. Ein Zustand, vor dem die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnt.
Eine „tickende Zeitbombe“sei das Luxemburger Rentensystem, warnt die Luxemburger Handelskammer und der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht die „Gerechtigkeit zwischen den Generationen“in Gefahr.
Gleich welche Berichte und Studien zum Rentensystem Luxemburgs man durchforstet, das Ergebnis ist dasselbe: Passiert nichts, sind die Renten aus dem Großherzogtum für die bestehenden und neuen Rentnerinnen und Rentner in Gefahr – und damit auch für die Zehntausenden aktuellen Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie diejenigen, die bereits davon profitieren, mit so manch einer Annehmlichkeit verwöhnt zu werden.
Zunächst einige Daten zum Luxemburger Rentensystem, die die Problematik verdeutlichen. Aktuell gibt es 195 000 anspruchsberechtigte Rentnerinnen und Rentner. Ihre Zahl hat sich in 20 Jahren etwa verdoppelt. Die Zahl der versicherten Menschen in Luxemburg hat sich dagegen in zwei Jahrzehnten nur um das 1,8-fache auf mehr als 462 000 erhöht. Demgegenüber hat sich die Zahl der Aufwendungen im gleichen Zeitraum mehr als verdreifacht auf rund fünf Milliarden Euro.
24 Prozent des Bruttogehalts machen den Rentenbeitrag aus. In Deutschland sind es nur 18,6 Prozent. Doch während sich in Deutschland Arbeitnehmer und Arbeitgeber diesen Betrag teilen und je 9,3 Prozent in die Rentenkasse zahlen, ist es in Luxemburg anders. Hier hilft der Staat mit und alle drei Parteien zahlen acht Prozent des Bruttogehalts in die Rentenkasse ein. Ein lukratives Geschäft, wovon Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gleichermaßen profitieren, der Staat sich diesen Wohlstand auf Dauer jedoch kaum mehr leisten kann.
Laut der Luxembourg Times, die sich auf Zahlen aus dem Jahr 2020 beruft, können in Luxemburg maximal 8525,50 Euro Rente ausgezahlt werden. Die bekommt noch lange nicht jeder. Im Schnitt bekommen jene Rentner mit vollem Anspruch auf die Luxemburger Rente 3900 Euro. Das macht aber nur ein Drittel derjenigen mit Rentenanspruch überhaupt aus. Der Rest – darunter viele ehemalige Grenzgängerinnen und Grenzgänger – erhalten nur teilweise Rente aus Luxemburg. Und die liegt im Schnitt bei 1250 Euro.
Laut dem Conseil national des finances publiques (CNFP), dem Nationalrat für öffentliche Finanzen, investiert Luxemburg heute 16 Prozent seiner Wirtschaftsleistung ins Renten-, Gesundheits- und Pflegesystem. Angesichts einer alternden Gesellschaft und steigender Kosten werden es 2070 schon 24,6 Prozent der Wirtschaftsleistung sein.
Das heißt, auch bei einer geringen
Staatsverschuldung, einer niedrigen Arbeitslosenquote und dem höchsten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der Europäischen Union ist der Wohlstand auf Dauer nicht mehr aufrechtzuerhalten, warnt die OECD.
Denn nach den Berechnungen reicht der aktuelle Rentenbeitrag von 24 Prozent ab 2027 nicht mehr aus. Garantierte Leistungen sind laut der Inspection générale de la sécurité sociale (IGSS), der Generalinspektion der Sozialen Sicherheit, nur noch bis 2023 zu gewährleisten. Das heißt: Ab 2027 werden die Ausgaben der Pensionsversicherung ihre Einnahmen übersteigen.
Selbst Sozialminister Claude Haagen hat bereits festgehalten: „Das Pensionssystem kippt langsam, die Dynamik dreht und das Verhältnis von Beitragszahlern zu Nutznießern.“So kamen vor zehn Jahren auf 100 Versicherte noch 40,8 Rentner, im Jahr 2020 waren es auf 100 Versicherte bereits 42,1 Rentner – Tendenz weiter steigend.
Der Staat müsste zur Zahlung der Renten in die Reserven greifen, ab 2048 wären dann auch sie komplett aufgebraucht, hat die Luxemburger Zentralbank BCL ermittelt – wenn vorher nichts passiert. Schon beschleunigen sich die Renteneintritte etwa um 3,9 Prozent, während das Wachstum der Beschäftigten nicht mehr mithalten kann. Es liegt bei etwa 2,2 Prozent.
Die Tipps und Ratschläge für die Luxemburger Regierung – auch von außen– lassen nicht auf sich warten. So setzt der IWF einerseits zwar auf ein stärkeres Wachstum der Luxemburger Wirtschaft oder alternativ auf eine Kürzung des Gehaltsteils der Rente. Außerdem sollte der Renteneintritt nach hinten verschoben werden.
Die EU-Kommission zeigt Luxemburg eindeutig die Rote Karte. So bescheinigt die Kommission dem Großherzogtum innerhalb der Union mit 61,3 Jahren das durchschnittlich niedrigste Renteneintrittsalter. Die bisherigen Maßnahmen Luxemburgs seien „begrenzt und unzureichend“. Deshalb ihre Empfehlungen: Anhebung des Renteneintrittsalters, Reduzierung von Frühpensionierungen, Erhöhung der Beschäftigungsrate Älterer.
Selbst der nationale CNFP rät zu Anpassungen. Es sei Sache der Regierung festzulegen, ob die Beiträge erhöht, die Leistungen gekürzt oder das Rentenalter angehoben wird.
Doch ob der jetzige Premier Xavier Bettel mit seiner Gambia-Koalition aus Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten diese Kröte schlucken und über das Ende der Wohltaten im Rentenbereich entscheiden muss, das wird sich spätestens mit der Wahl zum Luxemburger Parlament am 8. Oktober zeigen.
8525,50 Euro Rente konnten 2020 in Luxemburg einem Berechtigten maximal ausbezahlt werden. Quelle: Luxembourg Times