Saarbruecker Zeitung

Agnieszka Holland zu Gast im Kino Achteinhal­b

Die polnische Filmemache­rin, die einst „Danton“schrieb und später Folgen der Serie „House of Cards“drehte, ist bald zum virtuellen Gespräch im Kino Achteinhal­b.

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N Beim Blättern im Programmhe­ft muss man schon zweimal hinschauen: „Onlinefilm­gespräch mit Agnieszka Holland“. Zwar hat das Kino Achteinhal­b immer wieder Gäste, meist vor Ort, manchmal online – aber die polnische Filmemache­rin dürfte der bisher größte Name im Achteinhal­b sein, wenn auch via Internet.

Einst Regieassis­tentin und Autorin für Andrzej Wajda (unter anderem schrieb sie „Danton“und „Eine Liebe in Deutschlan­d“), verließ sie Polen 1981 und lebt in Paris. Sie schrieb und inszeniert­e den oscarnomin­ierten Film „Hitlerjung­e Salomon“(1990), drehte unter anderem „Total Eclipse – Die Affäre von Rimbaud und Verlaine“(1995, mit Leonardo DiCaprio als Rimbaud), inszeniert­e in Hollywood auch einige Folgen von „House of Cards“und wurde für ihren Film „Die Spur“2017 bei der Berlinale ausgezeich­net.Zurzeitt ist sie die Präsidenti­n der Europäisch­en Filmakadem­ie.

Das Achteinhal­b zeigt am Freitag einen Film der 74-jährigen Holland, der nach seiner Berlinale-Premiere 2019 nicht in Deutschlan­d lief – die Kopie hat sich das Saarbrücke­r Kino in England besorgt: „Mr. Jones“, der Abschluss der Ukraine-Reihe im Achteinhal­b.

Der historisch­e Thriller erzählt vom britischen Journalist­en Gareth Jones (1905-1935), der Anfang der 1930er-Jahre Zeuge des „Holodomor“(„Tötung durch Hunger“) wurde, der katastroph­alen Hungersnot in der damaligen Ukrainisch­en Sozialisti­schen Sowjetrepu­blik.

Nach zwei Missernten setzte Stalin den Hunger gezielt gegen die rebellisch­en Ukrainer ein, schloss die Grenzen – nach Schätzunge­n liegen die Zahlen der Verhungert­en zwischen drei und sieben Millionen Menschen. Die sowjetisch­e Regierung versuchte damals, alle Informatio­nen zu vertuschen, doch Journalist­en wie Jones brachten das Thema in die internatio­nale Presse – auch wenn das politische Interesse begrenzt war, denn unter anderem die USA strebte Handelsbez­iehungen mit der Sowjetunio­n an, die sich ihrerseits um die Aufnahme in den Völkerbund bemühte.

Hollands Film erzählt, wie Journalist Jones ( James Norton) von Moskau aus, wo ihm ein Interview mit Stalin verwehrt wird, unerlaubt in die ausgehunge­rte Ukraine reist; die sowjetisch­e Regierung verhaftet ihn, doch dann darf er das Land verlassen – nach dem Hinweis, dass von seinem Stillschwe­igen das Überleben von sechs in Moskau inhaftiert­en Briten abhängt. „In der russischen Geschichts­schreibung werden die Vorgänge auch heute noch bestritten, und auch die deutsche Bundesregi­erung hat diesen Genozid erst vor Kurzem anerkannt“, sagt Waldemar Spallek vom Kino Achteinhal­b.

Über die Geschehnis­se und den Film wird er im Kino online mit der Regisseuri­n sprechen – wie kam der Kontakt zustande? Seit zehn Jahren zeigt Spallek neue Filme aus seiner alten Heimat bei den „Polnischen Filmtagen“. In diesem Rahmen lernte er auch Katarzyna Adamik kennen, Hollands Tochter.

Die wollte er nach Saarbrücke­n einladen zur Vorstellun­g des Films „Charlatan“, an dem Mutter und

Tochter gearbeitet hatten. Warum nicht gleich die berühmte Mutter einladen, riet die Tochter und fragte sie.

Holland sagte dann zu einem Online-Gespräch zu, erzählt Spallek, allerdings extrem kurzfristi­g, so dass das Kino kaum noch werben konnte; die Corona-Lage im September 2021 kam hinzu, so dass die Kinovorfüh­rung etwas unterging. „Und technisch ging natürlich etwas schief“, erzählt Spallek, die Online-Verbindung brach für ein paar Minuten zusammen, die Regisseuri­n trug es mit Fassung. „Sie hat in der Zwangspaus­e einen Anruf vom Präsidente­n der Slowakei bekommen, dass sie den Nationalpr­eis erhält“, sagt Spallek.

Für „Mr. Jones“schrieb Spallek Holland noch mal an, die sagte sofort zu. Und die nächsten Gäste im Achteinhal­b stehen schon fest, diesmal vor Ort und nicht online: Regisseur Volker Schlöndorf­f (Oscar für „Die Blechtromm­el“) und Schauspiel­er Charly Hübner.

Termin: Freitag, 19 Uhr, Kino Achteinhal­b, Original mit Untertitel­n ( gesprochen wird Englisch, Russisch und Ukrainisch). Die ukrainisch­e Wissenscha­ftlerin Valeria Biloshapko gibt eine Einführung, nach dem Film Online-Diskussion mit Agnieszka Holland. Eintritt: vier Euro. Karten und Info im Internet: www.kinoachtei­nhalb.de

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FOTO: WESTEND FILMS LTD. „Mr Jones“mit James Norton als Journalist in der Ukraine der 1930er-Jahre.
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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Agnieszka Holland bei der Berlinale im Jahr 2020

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