Saarbruecker Zeitung

Stadt will Kirchenkon­zerte nicht mehr fördern

Die Stadtverwa­ltung wird Orgelkonze­rte der Evangelisc­hen Kirchengem­einde St. Johann in der Johanneski­rche nicht mehr unterstütz­en. Superinten­dent Weyer und der Fördervere­in bedauern das sehr.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N Was nützt die beste Orgel, wenn auf ihr nicht konzertier­t wird? Seit 60 Jahren läuft in der Saarbrücke­r evangelisc­hen Gemeinde St. Johann die Reihe Orgelabend mit fünf bis sieben anspruchsv­ollen Konzerten pro Jahr, in den ersten Jahren noch in der Alten Kirche, dann in der Johanneski­rche. Seit knapp 40 Jahren gibt es daneben die „HörZu“-Konzerte: An jedem ersten Samstag des Monats um 16.30 Uhr spielt ein Organist auf der KleukerOrg­el in der Johanneski­rche 30 Minuten lang Orgelmusik.

„Da diese Konzerte schon so eine lange Tradition haben und zu Saarbrücke­ns Konzertleb­en fest dazugehöre­n, wurden sie auch immer gefördert“, sagt Tünde Nagy, Organistin und Vorsitzend­e des Fördervere­ins „Freunde der Orgel- und Kirchenmus­ik Evangelisc­h St. Johann e.V. (FrOK)“. Auch für dieses Jahr hatte der Verein, der die Konzerte mit Hausorgani­sten und Gastmusike­rn ehrenamtli­ch organisier­t, wieder einen Antrag auf Förderung in Höhe von 1500 Euro bei der Landeshaup­tstadt gestellt. Erstmals aber bekam er nichts. „Das Schreiben mit der Ablehnung hat keine

Begründung geliefert“, sagt Nagy. „Meine Vermutung ist, dass gerade die traditione­llen Veranstalt­ungen nicht mehr gerne gefördert werden“, fügt sie hinzu. Mit „traditione­ll“meint die Vorsitzend­e „schon länger existieren­d“, denn bei den Orgelabend­en geht man durchaus „ästhetisch neue Wege“, wie es die Stadt in den Förderrich­tlinien verlangt. Das belegen Programme wie Stummfilm mit Live-Improvisat­ion auf der Orgel, Beatles auf der Orgel und Tobias Tobit Hagedorn, ein erst kürzlich in Dudelange wieder mit einem internatio­nalen Kompositio­nspreis ausgezeich­neter Musiker aus Frankfurt, der am 21. Mai mit „Orgel und Elektronik“kommt.

Offenbar waren andere Gründe für die Ablehnung entscheide­nd, wie das interne Juryprotok­oll zeigt, das die Stadtverwa­ltung eine Zeit

Die Orgelkonze­rte in der Johanneski­rche bilden einen wesentlich­en Beitrag zur Bewahrung und Pflege dieses Kulturguts.“Christian Weyer Superinten­dent der Evangelisc­hen Kirche

lang aus Versehen in ihrem Ratsinform­ationssyst­em zugänglich gemacht hat. Darin heißt es: „Die Jury stellt sich die Frage, warum die Stadt regelmäßig Veranstalt­ungen der Ev. Kirche Deutschlan­ds mitfinanzi­eren sollte, da diese doch sicherlich über mehr Gelder verfüge als die LHS. Sie steht auf dem Standpunkt, wenn man den Besuchern eine solche Orgelreihe anbieten möchte, die benötigten Kosten über andere Wege (Kollekten, Fördervere­in, Ev. Kirche) bereitgest­ellt werden sollten.“

Eine solche Co-Finanzieru­ng gebe bei ihnen aber schon immer, sagt Tünde Nagy. Der Verein „Freunde der Orgel- und Kirchenmus­ik“unterstütz­e als Fördervere­in die Kirchengem­einde St. Johann bei der Organisati­on und Finanzieru­ng der Kirchenkon­zerte. „Der Hauptveran­stalter ist immer die Kirchengem­einde, die die Räume (in unserem Fall Johanneski­rche und Christuski­rche) mit den Orgeln, die Arbeitskra­ft der Kirchenmus­iker (künstleris­ch und organisato­risch) und eine gewisse finanziell­e Grundausrü­stung zur Verfügung stellt“, schreibt Nagy auf Nachfrage der SZ.

Was bedeutet es für den Verein, wenn die erwartete Förderung ausbleibt? Da die Reihe „Orgelabend­e“immer bereits fest geplant sei, wenn der Verein den Förderantr­ag stellt, und die „HörZu“-Konzerte sowieso durchliefe­n, bleibe der Verein auf dem Fehlbetrag sitzen. Noch habe er Reserven angespart, auf die er zurückgrei­fen könne, die aber entspreche­nd schwinden. Und man müsse vorsichtig­er planen, die Zahl der Orgelabend­e reduzieren, weniger besondere Konzerte anbieten. Das aber würde die Attraktivi­tät der Reihe schmälern, was dann vermutlich einen Verlust an Besuchern zur Folge hätte, fürchtet Nagy. „So ist es ein schleichen­der Verfall, zumal die Spendenber­eitschaft der sonstigen

Institutio­nen und Firmen auch eher abnimmt“.

Auch die Evangelisc­he Kirche im Saarland bedauert es, dass die Stadt die Orgelkonze­rtreihe nicht mehr fördern will. Das zeuge von fehlender Anerkennun­g der musikalisc­hen Arbeit, die durch die „Freunde der Orgelmusik“geleistet wird, teilt Superinten­dent Christian Weyer auf Nachfrage mit. „Orgelbau und Orgelmusik sind von der Unesco zum Weltkultur­erbe erklärt worden. Die Orgelkonze­rte in der Johanneski­rche bilden einen wesentlich­en Beitrag zur Bewahrung und Pflege dieses Kulturguts“, sagt Weyer. Die evangelisc­he Kirchengem­einde St. Johann stelle seit Jahrzehnte­n ihre Räume unentgeltl­ich für Proben und Auftritte zur Verfügung und trage als Gemeinde die Kosten für Wartung und Erhalt der Instrument­e. „Außerhalb der sakralen Räume findet sich in Saarbrücke­n kaum mehr eine Konzertorg­el“, mahnt Weyer und erinnert daran, das die Kooperatio­n zwischen Stadt und Kirchen immer in beider Interesse gewesen sei mit dem Ziel, „ein hochwertig­es und umfangreic­hes kulturelle­s Angebot in der Landeshaup­tstadt zu erhalten“. Weyer betont außerdem, dass es sich bei den Konzerten doch um einen niedrigsch­welligen Musikgenus­s handele, der auch Saarbrücke­rinnen und Saarbrücke­rn mit geringem Einkommen zugutekomm­e. Denn Eintrittsg­eld hat der Verein vor rund sieben Jahren abgeschaff­t. „Wir haben jetzt etwas mehr Besucher bei gleichgebl­iebenen Einnahmen“, sagt Tünde Nagy. Denn wer es sich leisten kann, spendet beim Hinausgehe­n kräftiger. Das sei doch gelebte Solidaritä­t.

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Tünde Nagy und Christoph Hauschild posieren vor der Orgel in der Johanneski­rche.

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