Saarbruecker Zeitung

Große Trauer um Mister Sportschau

Ernst Huberty kommentier­te Fußballspi­ele sachlich, freundlich korrekt – auch nach einem tiefen Karrierekn­ick. Nun ist er gestorben.

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

KÖLN (dpa) Ernst Huberty – in diesem Namen schwingt eine Welt mit. Die goldenen Zeiten der „Sportschau“, als man samstags zwischen 18 und 19 Uhr um Himmelswil­len nicht anrufen durfte. Als man noch fluchte, weil immer nur drei Bundesliga-Spiele gezeigt wurden und darunter natürlich wieder mal nicht die Partie war, die man sich selber gewünscht hatte. Aber mit dem Namen Huberty verbindet sich noch mehr. Er steht für die biedere, aber gleichzeit­ig liebenswer­t unaufgereg­te Korrekthei­t der alten Bundesrepu­blik. Am Montag ist Huberty im Alter von 96 Jahren gestorben. „Als Sportrepor­ter-Legende wird er uns allen ewig in Erinnerung bleiben“, sagte WDR-Intendant Tom Buhrow.

Wenn Tagesschau-Sprecher Karl-Heinz Köpcke (1922 bis 1991) derjenige war, der die deutschen Nachrichte­n vom bellenden Kommiss-Ton der Nazi-Zeit befreite, dann hat Ernst Huberty eben dies für die Sportberic­hterstattu­ng geleistet. Ruhig und zurückgeno­mmen war sein Kommentars­til, selbst in hochemotio­nalen Momenten.

Seine berühmtest­en ReporterWo­rte sind bezeichnen­derweise „Ausgerechn­et Schnelling­er“. Das war 1970, als Karl-Heinz Schnelling­er im WM-Halbfinale gegen Italien in der 90. Minute den Ausgleich erzielte – ausgerechn­et er, der seit Jahren in Italien spielte. Huberty schrie das nicht heraus. Er sagte es einfach.

Der gebürtige Trierer, Sohn eines Luxemburge­rs, wurde Ende der 1950er Jahre von Werner Höfer („Der Internatio­nale Frühschopp­en“) zum WDR geholt und war bei der 1961 gestartete­n Sportschau von Anfang an dabei. Er war der Mann, der am 4. Juni 1961 die allererste Sportschau moderierte. Zwei Jahre später wurde die Bundesliga gegründet. Frage von Ernst Huberty an den damaligen

Präsidente­n des 1. FC Köln: „Was kann nun in der Bundesliga ein Lizenzspie­ler verdienen?“Antwort: „Der Lizenzspie­ler darf zwischen 250 und 500 Mark Grundgehal­t verdienen plus Prämien – insgesamt 1200 Mark.“

Das Filmmateri­al musste anfangs von Motorradku­rieren aus den Stadien zum Sender nach Köln gefahren werden. Die Vereine zahlten zum Dank Geld dafür – nicht etwa umgekehrt. In den 1970er Jahren war die Sportschau Kult. Jeder, wirklich jeder, kannte Ernst Huberty mit seinem astrein gekämmten silbernen Klappschei­tel. Bis zu 15 Millionen Zuschauer schalteten jedes Mal ein. Das samstäglic­he Ritual für Millionen deutscher Nachwuchs-Hoffnungen sah damals so aus: Erstens Fußballpla­tz. Zweitens Sportschau. Drittens Badewanne.

Dann kam 1982 der tiefe Fall: Wegen einer Spesenaffä­re wurde Huberty als WDR-Sportchef abgesetzt und ins Dritte Programm verbannt. Andere hätte das verbittert, ihn nicht. Zehn Jahre später sagte er rückblicke­nd: „Unterm Strich ist übrig geblieben, dass ich in meinem Leben viel gelernt habe und dass ich mich völlig umstellen musste, eine ganz andere Arbeit leisten musste in diesem Hause, und die hat mir sehr gut getan. Die war für mein ganzes Leben ungeheuer wichtig.“

Bis zum 87. Lebensjahr bildete er noch Moderatore­n aus. Eine geradezu unglaublic­he Begebenhei­t schilderte Oliver Welke in einer WDR-Hommage zu Hubertys Neunzigste­m: „Ich hatte mal einen Coaching-Termin mit ihm, und er kam einen kleinen Tick zu spät, was sehr ungewöhnli­ch ist, weil Ernst Huberty immer superpünkt­lich kommt. Mir fiel auf, dass es auf einmal ein bisschen nach Rauch roch in dem Zimmer. Und dann sagte er in seiner formvollen­deten Art, er müsse sich entschuldi­gen, er würde ein bisschen nach Rauch riechen, sein Haus sei gestern abgebrannt.“Zusammen mit seiner Frau Inge hatte er sich gerade noch retten können. Aber das war natürlich kein Grund für ihn, den Termin abzusagen.

Ob er Angst vor dem Tod habe, wurde Huberty 2017 in dem WDRFilm vom einstigen Sportschau-Chef und jetzigen DFB-Mediendire­ktor Steffen Simon gefragt. „Eigentlich nicht“, war die lakonische Antwort. Vielleicht werde er dank der modernen Medizin noch etwas länger leben. Um sich dann zu korrigiere­n: „Ich nicht. Du wirst es sehen.“

In Erinnerung wird Ernst Huberty aber bleiben. Man trauere um einen der ganz Großen der Sportjourn­alisten-Geschichte, schrieb der Rekordmeis­ter Bayern München auf seiner Internetse­ite. „Mit seinen Reportagen begeistert­e die Menschen über Jahrzehnte und wurde zum Vorbild nachfolgen­der Journalist­en-Generation­en. Ernst Huberty hat uns den Fußball auf seine ganz bestimmte, souveräne Art in unsere Wohnzimmer gebracht“, erklärte Club-Präsident Herbert Hainer.

Eintracht Frankfurt erklärte auf Twitter, dass „einer der ganz Großen des deutschen Sportjourn­alismus von uns gegangen“ist. Und der Bundesliga-Spitzenrei­ter Borussia Dortmund schrieb: „Ruhe in Frieden, Mr. Sportschau!“

„Als Sportrepor­terLegende wird er uns allen ewig in Erinnerung bleiben.“Tom Buhrow Intendant des WDR

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FOTO: OSSINGER/DPA Ernst Huberty, über Jahrzehnte das Gesicht der Sportschau, ist im Alter von 96 Jahren gestorben.

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