Alcaraz und Co. treiben Generationenwechsel voran
Rafael Nadal und Novak Djokovic verletzt, die Teenager in Topform: Kurz vor den French Open deutet sich eine Zeitenwende im Männer-Tennis an.
BARCELONA (sid) Nach seiner nächsten Machtdemonstration wollte Carlos Alcaraz überhaupt nichts von einem Generationenwechsel oder den großen Fußstapfen seines Landsmannes Rafael Nadal wissen. „Wir sind nicht hier, um den Platz von irgendjemandem einzunehmen“, sagte der 19-jährige Spanier nach seiner erfolgreichen Titelverteidigung am vergangenen Sonntag in Barcelona mit breitestmöglicher Brust, „sondern um unsere eigene Geschichte zu schreiben.“Und sowieso wolle er „nicht der Ersatzmann von irgendjemandem sein“.
Mit eben diesem Selbstverständnis drängen die jungen Wilden immer eindrucksvoller in die Hauptrollen auf der ATP-Tour. Nicht nur fertigte der Weltranglisten-Zweite Alcaraz im Endspiel am Sonntag Stefanos Tsitsipas mit 6:3, 6:4 ab und sammelte seinen dritten Titel der Saison, auch der 19-jährige
Däne Holger Rune brachte sich mit seinem Turniersieg in München für die Sandplatz-Highlights in Stellung – und die Superstars Nadal (36) und Novak Djokovic (35) können dem
Angriff der Teenager aus dem Krankenstand derzeit nur zuschauen.
Schon unzählige Male in den vergangenen Jahren schien rund um die dominanten „Großen Drei“
Nadal, Djokovic und Roger Federer (2022 zurückgetreten) der Zeitpunkt für den Generationenwechsel gekommen, doch nun deutet sich die Zeitenwende im Männer-Tennis tatsächlich an. Fünf Wochen vor dem Start der French Open (ab 28. Mai) werfen die langjährigen Branchenführer Fragezeichen auf, vor allem der Zustand des 14-maligen ParisChampions Nadal bereitet Sorgen.
Seit seinem Zweitrunden-Aus bei den Australian Open im Januar bestritt der Sandplatz-König aufgrund anhaltender Probleme mit einem Hüftbeuger kein Match mehr. Auch für das an diesem Mittwoch beginnende Masters-Turnier in Madrid sagte Nadal ab, der zuletzt nach seiner Form suchende Weltranglistenerste Djokovic kann aufgrund einer Ellenbogenverletzung in der spanischen Hauptstadt ebenfalls nicht aufschlagen.
Den beiden 22-maligen Major
Champions rennt die Zeit für die Vorbereitung auf das Grand-SlamSpektakel in Roland Garros davon. Natürlich haben die Ausnahmeathleten bislang bewiesen, dass mit ihnen auch unter schwierigsten Umständen bei den wichtigsten Turnieren immer zu rechnen ist. Doch die aufstrebenden Talente, zu denen auch die Italiener Jannik Sinner (21) und Lorenzo Musetti (21) zählen, erarbeiteten sich zuletzt mit starken Auftritten gehörigen Respekt.
„Wir sehen dich als Vorbild, auch wenn wir älter sind als du“, sagte der chancenlose Tsitsipas nach seiner Finalniederlage anerkennend in Richtung Alcaraz. Der 24-jährige Grieche gehört wie Deutschlands Olympiasieger Alexander Zverev (26) zu einer Gruppe von Spielern, die in den vergangenen Jahren vergeblich versucht hatte, Djokovic und Nadal vom Thron zu stoßen.
Zwar sieht sich Zverev, der nach seiner schweren Knöchelverletzung im Vorjahr immer noch auf der Suche nach alter Stärke ist, als „noch jung genug“, um seine großen Ziele zu erreichen. Und diese lauten, Grand-Slam-Turniere zu gewinnen und die Nummer eins der Welt zu werden. Doch Djokovic verriet zuletzt am Rande des Masters in Monte Carlo, dass er die noch jüngere Konkurrenz vorne sieht.
Er sei sich „sicher“, sagte der serbische Topstar, dass US-OpenChampion Alcaraz, Sinner und Rune künftig „an der Spitze stehen werden. Sie könnten die nächsten ,Großen Drei‘ sein“. Auch wenn Djokovic und Nadal diese Ablösung freilich noch hinauszögern wollen. Beim Masters in Madrid werden sie es definitiv nicht können.