Alle Länder wollen mehr Geld – vom Bund
Bund und Länder gehen in einer schwierigen Gemengelage in den Flüchtlingsgipfel an diesem Mittwoch im Bundeskanzleramt. Manche Kommunen sind derart am Limit, dass sie für die Aufnahme weiterer Geflüchteter dringend mehr Geld brauchen.
Das Bundeskanzleramt an diesem Mittwoch: 16 Limousinen fahren vor. 16 Regierungschefs steigen aus. Mit im Gepäck: Aktuelle Zahlen über Flüchtlinge in Deutschland, über Asylbewerber, über Unterkunftskosten, über Geld für Integration, und darüber, was der Bund, was die Länder bezahlen – und wie die Kommunen unterstützt werden könnten. Ein föderales Tauziehen um Kosten vor dem Hintergrund hoher Flüchtlingszahlen. Aus einem kursierenden Entwurfspapier der Bundesregierung lässt sich die Haltung ableiten, dass der Bund bei der Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz aktuell keine Absicht hat, seine Finanzzusagen nennenswert zu erhöhen. Eine Begründung: Länder und Kommunen erhielten immer größere Anteile aus den Steuereinnahmen des Staates und sollten damit ihre Aufgaben erfüllen können.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zeigt dem Bund vorsorglich schon vor dem Spitzentreffen am Mittwoch auf, wie die Kosten zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden sollten. Er verweist dazu auf eine Verständigung der 16 Bundesländer untereinander,
die mit abgestimmter Position in die Gespräche mit dem Bund gehen wollen. „Parteiübergreifend haben sich die 16 Länder verständigt, dass sich der Bund und die Länder die Kosten teilen sollten, also wenigstens 50:50“, sagte Wüst unserer Redaktion drei Tage vor dem geplanten Flüchtlingsgipfel. Der CDU-Politiker appelliert letztlich an den Bund, die Kommunen zusätzlich mit frischem Geld bei Unterbringung und Integration von Flüchtlingen zu helfen. „Es wäre unverantwortlich, wenn die
Bundesregierung die Kommunen und letztlich auch die Menschen, die zu uns fliehen, im Stich lässt. Bisher erhalten wir in Nordrhein-Westfalen 600 Millionen Euro vom Bund. Wir haben aber Gesamtkosten in diesem Jahr von 3,7 Milliarden Euro, wovon 1,8 Milliarden Aufwendungen an die Kommunen gehen.“Auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise seien 40 Prozent der Kosten vom Bund gedeckt worden. Aktuell seien es deutlich unter 20 Prozent.
Auch die Vorsitzende der Grünen
Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, sieht den Bund bei der Unterstützung von Kommunen in der Pflicht, die besonders unter Druck seien. Haßelmann sagte unserer Redaktion: „Ich erwarte konkrete Ergebnisse. Die Kommunen, die besonders gefordert sind, brauchen eine zusätzliche finanzielle Unterstützung, auch durch den Bund. Wir sind eine Verantwortungsgemeinschaft – Bund, Länder und Kommunen. Am 10. Mai müssen wir gemeinsam etwas hinbekommen.“Unter anderem
gehe es um praktische Lösungen, wie etwa Geflüchtete leichter in den Arbeitsmarkt kommen und wie dabei auch deren Berufsqualifikation in Deutschland anerkannt werden könnte. „Das Land braucht dringend Arbeits- und Fachkräfte.“
Unions-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), fordert umgehend einen Kurswechsel. Frei sagte unserer Redaktion: „Wenn nichts passiert, werden wir zum Jahresende 330 000 Asylanträge in diesem Jahr haben. In vielen
Kommunen ist die Belastungsgrenze aber schon heute überschritten. Integration kann unter diesen Umständen nicht mehr gelingen. Der Bund hat sämtliche rechtliche und tatsächliche Instrumente in der Hand, um Migration nach Deutschland zu steuern und zu begrenzen.“Die Bundesregierung dürfe Landkreise, Städte und Gemeinden nicht im Regen stehen lassen. „Es ist unwürdig, dass die Kommunen jetzt förmlich beim Bundeskanzler um Geld betteln müssen, obwohl sie nur die migrationspolitischen Fehler der Bundesregierung ausbügeln müssen. Deshalb müssen wir weg von der Pauschalabrechnung und hin zu einer Spitzabrechnung. Wenn die Asylbewerberzahlen steigen, muss automatisch auch die Zahlung des Bundes steigen“, so Frei.
Ob der Bund trotzdem den Kommunen über die Länder mehr Geld für Flüchtlingshilfen überweist, ist ungewiss. Denn der Bund argumen
„Es ist unwürdig, dass die Kommunen jetzt förmlich beim Bundeskanzler um Geld betteln müssen.“Thorsten Frei Unions-Fraktionsgeschäftsführer
tiert, dass er schon jetzt den Löwenanteil an den Kosten für Geflüchtete in Deutschland stemmt. 1,06 Millionen Ukraine-Flüchtlinge müssten in kein Asylverfahren, sondern bekämen vom ersten Tag an Bürgergeld, das zu 90 Prozent der Bund zahle. Doch auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, fordert mehr Geld aus Berlin: „Der Bund muss sich in der finanziellen Mitverantwortung erheblich bewegen.“