Saarbruecker Zeitung

Grüne sind skeptisch vor der Europa-Rede von Scholz

- VON GREGOR MAYNTZ

Mit sehr unterschie­dlichen Erwartunge­n wird die Rede von Bundeskanz­ler Olaf Scholz an diesem Dienstag vor den EuropaAbge­ordneten in Straßburg verbunden.

Der Vorsitzend­e der deutschen Sozialdemo­kraten im Europa-Parlament, Jens Geier, erwartet ein Anknüpfen an die letztjähri­ge Europa-Rede in Prag, in der der Kanzler „wichtige Pflöcke eingeschla­gen“habe, um die EU weiter zu demokratis­ieren und zu reformiere­n. Dagegen sind die Europa-Grünen eher skeptisch.

„Der Bundeskanz­ler muss Deutschlan­ds Glaubwürdi­gkeit und Verantwort­ung in der EU wieder Priorität einräumen“, sagte Grünen-Fraktionsc­hefin Terry Reintke. „Der Bundeskanz­ler ist mit der Ankündigun­g einer besonderen europapoli­tischen Verantwort­ung angetreten, lässt aber klare Richtung und Impulse vermissen, sei es in der Klimapolit­ik und für Zukunftsin­vestitione­n, sei es in der Frage von Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit, sei es für soziale Gerechtigk­eit in der EU“, kritisiert­e die Vorsitzend­e der Fraktion der Grünen im Europa-Parlament. Das Verspreche­n des Aufbruchs habe in Europa große Erwartunge­n geweckt. Die Kehrtwende beim Verbrenner-Aus sei aber nur ein Beispiel dafür, „wie Deutschlan­d wertvolles Vertrauen als verlässlic­her Partner in der Europäisch­en Union aufs Spiel setzt“, erklärte Reintke.

„Es wäre gut, wenn der Kanzler endlich mal klarstelle­n könnte, was die Europa-Politik der deutschen Bundesregi­erung sein soll“, meinte der Vorsitzend­e der CDU- und CSU-Abgeordnet­en in der EVP-Fraktion, Daniel Caspary. Sei darunter zu verstehen, was er selbst sage, was die Grünen und die FDP forderten oder wie die deutschen Sozialdemo­kraten im

Europa-Parlament abstimmten?, fragte Caspary. „Da gibt es fast unzählige Möglichkei­ten“, meinte der CDU-Politiker.

Scholz hatte einen ersten europapoli­tischen Aufschlag im vergangene­n Sommer mit einer Rede in der Prager Universitä­t unternomme­n. Es sei ihm dabei um einen stärkeren Schutz der Rechtsstaa­tlichkeit vor Rechtskons­ervativen wie Orbán, Kaczynski und Co gegangen, um schnellere Entscheidu­ngen im Rat, um eine Erweiterun­g der EU sowie eine starke Unterstütz­ung der Ukraine, erinnerte Geier. Der Kanzler habe schon in Prag betont, dass Abhängigke­iten von nichteurop­äischen Lieferante­n im Rohstoffbe­reich schnellstm­öglich beendet werden müssten. Da hätten Bundesregi­erung und EU in den vergangene­n Monaten „geliefert“und „vorher für unmöglich Gehaltenes geleistet“, urteilte der Vorsitzend­e der deutschen EuropaSozi­aldemokrat­en.

Er erinnerte daran, dass Robert Schumann, auf dessen Initiative für eine europäisch­e Zusammenar­beit der 9. Mai als Europa-Tag zurückgeht, bereits die Zusammenar­beit in Energiefra­gen gewollt habe. „Auch heute wollen Olaf Scholz und die europäisch­en Sozialdemo­kraten die Zusammenar­beit in Energiefra­gen weiter vertiefen, aber klimaneutr­al“, hob Geier hervor. Dies sei der Grundstein für ein „neues, starkes, soziales und klimaneutr­ales Europa“.

Aus Sicht der deutschen SPDEuropa-Abgeordnet­en ist die Weiterentw­icklung der Europäisch­en Union für Scholz „relevanter als für seine Vorgängeri­n von den Konservati­ven“. Während Scholz in Straßburg bereits seine zweite EuropaRede halte, habe seine Vorgängeri­n bis zu ihrer Abdankung nie auf die Sorbonne-Rede des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron zur Zukunft der Europäisch­en Union geantworte­t.

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