Grüne sind skeptisch vor der Europa-Rede von Scholz
Mit sehr unterschiedlichen Erwartungen wird die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Dienstag vor den EuropaAbgeordneten in Straßburg verbunden.
Der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten im Europa-Parlament, Jens Geier, erwartet ein Anknüpfen an die letztjährige Europa-Rede in Prag, in der der Kanzler „wichtige Pflöcke eingeschlagen“habe, um die EU weiter zu demokratisieren und zu reformieren. Dagegen sind die Europa-Grünen eher skeptisch.
„Der Bundeskanzler muss Deutschlands Glaubwürdigkeit und Verantwortung in der EU wieder Priorität einräumen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Terry Reintke. „Der Bundeskanzler ist mit der Ankündigung einer besonderen europapolitischen Verantwortung angetreten, lässt aber klare Richtung und Impulse vermissen, sei es in der Klimapolitik und für Zukunftsinvestitionen, sei es in der Frage von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sei es für soziale Gerechtigkeit in der EU“, kritisierte die Vorsitzende der Fraktion der Grünen im Europa-Parlament. Das Versprechen des Aufbruchs habe in Europa große Erwartungen geweckt. Die Kehrtwende beim Verbrenner-Aus sei aber nur ein Beispiel dafür, „wie Deutschland wertvolles Vertrauen als verlässlicher Partner in der Europäischen Union aufs Spiel setzt“, erklärte Reintke.
„Es wäre gut, wenn der Kanzler endlich mal klarstellen könnte, was die Europa-Politik der deutschen Bundesregierung sein soll“, meinte der Vorsitzende der CDU- und CSU-Abgeordneten in der EVP-Fraktion, Daniel Caspary. Sei darunter zu verstehen, was er selbst sage, was die Grünen und die FDP forderten oder wie die deutschen Sozialdemokraten im
Europa-Parlament abstimmten?, fragte Caspary. „Da gibt es fast unzählige Möglichkeiten“, meinte der CDU-Politiker.
Scholz hatte einen ersten europapolitischen Aufschlag im vergangenen Sommer mit einer Rede in der Prager Universität unternommen. Es sei ihm dabei um einen stärkeren Schutz der Rechtsstaatlichkeit vor Rechtskonservativen wie Orbán, Kaczynski und Co gegangen, um schnellere Entscheidungen im Rat, um eine Erweiterung der EU sowie eine starke Unterstützung der Ukraine, erinnerte Geier. Der Kanzler habe schon in Prag betont, dass Abhängigkeiten von nichteuropäischen Lieferanten im Rohstoffbereich schnellstmöglich beendet werden müssten. Da hätten Bundesregierung und EU in den vergangenen Monaten „geliefert“und „vorher für unmöglich Gehaltenes geleistet“, urteilte der Vorsitzende der deutschen EuropaSozialdemokraten.
Er erinnerte daran, dass Robert Schumann, auf dessen Initiative für eine europäische Zusammenarbeit der 9. Mai als Europa-Tag zurückgeht, bereits die Zusammenarbeit in Energiefragen gewollt habe. „Auch heute wollen Olaf Scholz und die europäischen Sozialdemokraten die Zusammenarbeit in Energiefragen weiter vertiefen, aber klimaneutral“, hob Geier hervor. Dies sei der Grundstein für ein „neues, starkes, soziales und klimaneutrales Europa“.
Aus Sicht der deutschen SPDEuropa-Abgeordneten ist die Weiterentwicklung der Europäischen Union für Scholz „relevanter als für seine Vorgängerin von den Konservativen“. Während Scholz in Straßburg bereits seine zweite EuropaRede halte, habe seine Vorgängerin bis zu ihrer Abdankung nie auf die Sorbonne-Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Zukunft der Europäischen Union geantwortet.