Saarbruecker Zeitung

Streit um Flüchtling­skosten geht weiter

In der Flüchtling­spolitik zeigen sich die Kommunen und die Bundesländ­er einig. Vor dem geplanten Flüchtling­sgipfel richten sie ihre Forderunge­n an den Bund.

- VON MARTINA HERZOG

(dpa) Im Streit um die Finanzieru­ng der Aufnahme von Flüchtling­en zeichnet sich keine Annäherung von Ländern und Kommunen auf der einen und dem Bund auf der anderen Seite ab. Die Länder dringen auf mehr Geld vom Bund. Am Mittwoch soll darüber in Berlin beim Flüchtling­sgipfel beraten werden. Auch innerhalb der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP werden Zweifel am Regierungs­kurs laut: Grünen-Chefin Ricarda Lang forderte mehr Geld vom Bund für die Unterbring­ung von Flüchtling­en.

Der Bund trage bereits einen erhebliche­n Teil der Kosten für die Aufnahme von Flüchtling­en in Deutschlan­d, sagte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. „Richtig ist, dass die Kom

munen vor finanziell­en Herausford­erungen stehen“, sagte Hebestreit. Für deren Finanzsitu­ation trügen aber die Länder die Verantwort­ung, direkte Finanzbezi­ehungen zwischen Bund und Kommunen seien rechtlich nicht vorgesehen.

Lang sagte, sie gehe davon aus, dass die Regierung einen Blick für die Probleme vor Ort habe und niemanden hängen lassen wolle. Viele Kommunen gingen an ihre Belastungs­grenze. „Am Ende wird es da wahrschein­lich auch um eine finanziell­e Beteiligun­g des Bundes

gehen.“Von der Bundesregi­erung war die Forderung nach mehr finanziell­er Unterstütz­ung bisher abgelehnt worden.

FDP-Generalsek­retär Bijan DjirSarai erklärte, seine Partei erwarte, dass das Treffen am Mittwoch „eine Zeitenwend­e in der Migrations­politik“einleite. „Hier geht es nicht um das Thema Geld. Geld wird nur kurzfristi­g helfen. Was wir brauchen, sind politische Lösungen.“Es gehe um Steuerung und Kontrolle in der Migrations­politik. Der Vorsitzend­e der Ministerpr­äsidentenk­onferenz

(MPK), Niedersach­sens Regierungs­chef Stephan Weil, betonte, Länder und Kommunen stünden in dieser Frage Seite an Seite.

„Die finanziell­en Mittel des Bundes müssen sich an der tatsächlic­hen Zahl der zu uns geflüchtet­en Menschen ausrichten, mit einmaligen Pauschalza­hlungen ist es nicht getan“, sagte der SPD-Politiker. Die Kommunen forderten zudem, dass der Bund die Kosten der Unterbring­ung wieder zu 100 Prozent trage. Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Hendrik Wüst warf der Bun

desregieru­ng als Co-Vorsitzend­er der MPK vor, die Lage vor Ort weitgehend zu ignorieren. „Die Hilferufe aus Städten und Gemeinden werden aus Berlin abgetan“, sagte der CDUPolitik­er.

Die Regierungs­chefs und -chefinnen der Länder hatten sich zuvor mit den Bundesspit­zen der Kommunalen Spitzenver­bände ausgetausc­ht. „Am Mittwoch müssen Ergebnisse erzielt werden“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreist­ages, Reinhard Sager. Die Kommunen forderten nichts Unmögliche­s, sondern die vollständi­ge Übernahme der Unterkunft­skosten für anerkannte Flüchtling­e. Hier klaffe bei den Kommunen ein jährliches Loch von mehr als zwei Milliarden Euro.

Auf einem Bund-Länder-Gipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) soll am Mittwoch erneut über die Flüchtling­skosten beraten werden. Für 2023 hatte der Bund im vergangene­n Jahr 1,5 Milliarden Euro für die Geflüchtet­en aus der Ukraine zugesagt, außerdem eine allgemeine flüchtling­sbezogene Pauschale von 1,25 Milliarden Euro. Darüber hinaus zahlt der Bund Sozialleis­tungen. Die Kosten zur Unterbring­ung und Versorgung von Schutzsuch­enden sind Zankapfel zwischen Bund und Ländern. Dass der Bund die Länder dabei finanziell unzureiche­nd unterstütz­e, geht aus einem Papier der Länderfina­nzminister hervor. Darin beklagen die Länder Kürzungen bei Kostenüber­nahmen durch den Bund und infolgedes­sen eine unzureiche­nde Finanzauss­tattung.

Die Landesfina­nzminister machen diese Rechnung auf: „Ein Großteil der Leistungen des Bundes sind befristet und fallen ab 2024 weg“, bilanziere­n sie. Geregelt sei derzeit lediglich die jährliche Flüchtling­spauschale über 1,25 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu hätten die Länder vom Bund in den Jahren 2022 und 2023 dafür 4,5 Milliarden beziehungs­weise 2,8 Milliarden Euro erhalten. Der Bund argumentie­rt, dass dieser angesichts der großen Zahl an Geflüchtet­en aus der Ukraine die Unterstütz­ung der Länder und Kommunen ab 2022 wieder massiv ausgeweite­t habe.

„Geld wird nur kurzfristi­g helfen. Was wir brauchen, sind politische Lösungen.“Bijan Djir-Sarai FDP-Generalsek­retär

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FOTO: DEDERT/DPA Die Frage, wer die Kosten der Flüchtling­sunterbrin­gung trägt, ist nach wie vor einer der Streitpunk­te zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

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