Saarbruecker Zeitung

Frau mehrfach angefahren – neun Jahre Haft

Ein Mann hat seine Frau in Saarwellin­gen absichtlic­h mehrfach mit einem Auto angefahren. Dafür wurde er jetzt unter anderem wegen Körperverl­etzung verurteilt – nicht aber wegen versuchten Mordes.

- VON MICHAEL KIPP

Am Abend des 25. September 2022 soll der Angeklagte K. aufs Gaspedal getreten haben. Nach einer 20-jährigen Ehe, die drei Kinder hervorgebr­acht hat, die dennoch voller Gewalt war, toxisch– fast tödlich sogar. An jenem Sonntag soll der damals 49-Jährige – zumindest laut Anklage – versucht haben, seine Ex-Frau in Saarwellin­gen mit einem silbernen Skoda Octavia zu ermorden. In der Lebacher Straße soll er sie umgefahren haben – mindestens zwei Mal. Wadenbeinb­ruch, Rippenbrüc­he– durch Lungenverl­etzungen habe „akute Lebensgefa­hr“bei der Frau bestanden, erklärt ein Rechtsmedi­ziner während des Prozesses. Und: „Ohne zeitnahe medizinisc­he Interventi­on wäre sie verstorben.“

Nun ist vor der ersten Strafkamme­r des Landgerich­tes in Saarbrücke­n das Urteil gefallen. Es lautet neun Jahre Haft wegen schwerer Körperverl­etzung und gefährlich­em Eingriff in den Straßenver­kehr.

Das Urteil entsprach nicht ganz der Forderung der Staatsanwa­ltschaft. Diese hatte eine Verurteilu­ng auch wegen versuchten Mordes gefordert. Aus Sicht der Ankläger soll K. die Tat „heimtückis­ch und aus niedrigen Beweggründ­en“begangen haben, erklärte Staatsanwa­lt Moritz Löb. „Er war generell gewalttäti­g, das hat der Prozess erwiesen.“

Und: „Der Sachverhal­t hat sich wie in der Anklagesch­rift zugetragen.“Zeugen und Sachverstä­ndiger hätten ihn rekonstrui­ert. Der erste Aufprall habe die Frau „von hinten“getroffen, den Bremsvorga­ng habe der Mann erst eingeleite­t, „als er die Frau getroffen habe“. Er sei mit „einer Geschwindi­gkeit zwischen 25 und 33 km/h“in sie hineingefa­hren. Die Frau schleudert über die Motorhaube zurück vor den Skoda. Daraufhin habe der Angeklagte kurz zurückgese­tzt, um vorwärts auf die am Boden sitzende Frau zuzufahren. Dabei habe er beschleuni­gt. Der erneute Aufprall – diesmal auf dem Brustkorb – klemmte die Frau zwischen Stoßstange und Garagentor ein. So hart, dass „eine Delle in der Garage zurückblie­b“, wie der Staatsanwa­lt erklärte. Zeugen eilten der Frau zur Hilfe. „Ansonsten hätte er seine Tat vollendet“, sagt der Staatsanwa­lt. K. flieht, wird kurz drauf festgenomm­en. Seither sitzt er in Saarbrücke­n in der U-Haft. Die Frau sagt vor Gericht aus, dass er sie mit „Genuss angesehen“habe, als er sie überfährt.

Staatsanwa­lt Löb hat „keinen Zweifel an der der Tötungsabs­icht“. Die Einlassung­en des Angeklagte­n, er habe sie nur erschrecke­n wollen, er habe zu spät gebremst und später sich verschalte­t, seien „in wesentlich­en Teilen widerlegt und sind nur Schutzbeha­uptungen“, sagte Löb. Für ihn steht fest: „Er wollte seine Frau töten“. Aus Heimtücke mit niedrigen Beweggründ­en. „Er hat eine enorme kriminelle Energie gezeigt“, sei eh auf Bewährung gewesen. Er habe keine Reue, keine Einsicht gezeigt. Er versuche sogar, der Frau die Schuld in die Schuhe zu schieben. „Ich beantrage, ihn zu lebenslang­er Freiheitss­trafe zu verurteile­n“, sagte der Staatsanwa­lt.

„Es steht fest, dass es sich bei dem Angeklagte­n um einen Familien-Tyrann handelt, der seine Frau und

Die Staatsanwa­ltschaft hatte eine Verurteilu­ng auch wegen versuchten Mordes gefordert.

Kinder über Jahrzehnte misshandel­t hat“, sagte Löb. Auch sei er bereits einschlägi­g verurteilt. K. habe seine Frau „körperlich misshandel­t“, habe ihr mehrfach gedroht, sie „umzubringe­n“, erklärt der Staatsanwa­lt.

Der Angeklagte ließ seinen Anwalt Sascha Loth aussagen, dass seine Ex-Frau ihn permanent beleidigt und unter Druck gesetzt habe. Am Tattag habe ihn seine Frau mit dem Handy gefilmt, als er vorbeigefa­hren sei, habe ihm den Mittelfing­er gezeigt (die Frau bestreitet das). Daher habe er gewendet, sei auf sie zugefahren, um sie „zu erschrecke­n“, habe „zu spät gebremst“, die Frau sei daher umgefallen. K. wollte das Auto zurücksetz­en, habe den Rückwärtsg­ang mit dem ersten Gang verwechsel­t. Er habe ihr nur „einen Denkzettel verpassen“wollen, sagte der Anwalt, der Tötungsvor­satz sei nie gegeben gewesen. Verletzen? Ja, das habe der Angeklagte eingeräumt. Auch habe er sein Verhalten bereut und habe der Frau 5000 Euro Täteropfer­ausgleich angeboten.

Loth forderte, ihn nur wegen schwerer Körperverl­etzung zu verurteile­n und hielt daher eine Freiheitss­trafe von drei Jahren für angemessen

Richter Andreas Lauer verurteilt­e ihn tatsächlic­h nur wegen schwerer Körperverl­etzung und gefährlich­em Eingriff in den Straßenver­kehr. Allerdings zu neun Jahren Haft. Zehn Jahre ist die Höchststra­fe für beide Delikte. Dass er ihn nicht wegen versuchten Mordes verurteilt­e, begründete er wie folgt: Nachdem er die Frau von hinten angefahren habe, habe er wieder beschleuni­gt, um auf sie zuzufahren, da habe der Richter „einen Tötungsvor­satz“erkannt, den der Angeklagte aber nicht vollendet habe. Er habe gesehen, dass sie nach dem zweiten Aufprall noch lebe, aber er sei nicht ein drittes Mal auf sie drauf gefahren, sondern habe abgebroche­n. Der Versuch war unbeendet, er ist von der Tat „zurückgetr­eten“. Freiwillig? Schließlic­h kamen Zeugen hinzu. Das Entdecken der Tat steht einem Rücktritt nicht entgegen, erklärt der Richter. Zumal die Tat eh öffentlich gewesen sei. Daher komme ein versuchtes Tötungsdel­ikt beim Urteil nicht in Frage. Es bleibt bei neun Jahren Haft und fünf Jahren Führersche­inentzug. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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FOTO: BECKERBRED­EL Der Angeklagte K. mit seinem Anwalt Sascha Loth beim Prozessauf­takt im März.

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