Bei ihm gibt es noch Wörter wie „Schilficht“
Jahrzehnte lang prägte er die Saarbrücker Kulturszene durch seine Arbeit im Kulturamt. Seit Thomas Altpeter in Rente ist, schreibt er. Und zwar so viel, dass er just im Theater im Viertel bereits sein zweites Buchprojekt vorstellte. In dem er sich wieder
SAARBRÜCKEN Der Wald als unergründlicher, oft gefährlicher Sehnsuchtsort. Abgelegene Dörfer mit dunklen Teichen und anderen finsteren Gewässern, an denen seltsame Tierwesen, häufig Vögel oder Salamander, ihr Unwesen treiben. Wiederkehrende, verworrene Träume und zweifelhafte Sinneswahrnehmungen, die schleichend die Realität unterwandern. Legenden von Spuk und merkwürdigen Begebenheiten, die sich Jahrzehnte lang hartnäckig halten – über verlassene Geisterhäuser, Wiedergänger und andere Gesichter.
Das alles geschildert in einer kultivierten, angenehm antiquierten Sprache, für die man dem Autor am liebsten einen Preis für die Rettung
aussterbender Wörter wie „Schilficht“verleihen möchte. Und ein Grusel, der einen unweigerlich in Bann schlägt, derweil man sich beim Lesen und Zuhören in wohliger Sicherheit wiegt.
Das sind die Ingredienzen der fantastischen Geschichten von Thomas Altpeter. Phantastik, wohlgemerkt: Den modernen Begriff Fantasy scheut der Saarbrücker Schriftsteller wie der Teufel das Weihwasser; er sieht sich
eher in der Tradition der fantastischen Literatur eines E.T.A. Hoffmann.
Am Sonntag las Altpeter im Theater im Viertel ( TiV) aus seinem neuen Buchprojekt „Raunen“. Als er Ende vergangenen Jahres im KuBa (Kulturzentrum am Eurobahnhof) seine im Selbstverlag publizierte Erzählung „Nachtrabe“vorgestellt hatte, war’s voll – ins TiV fanden nun nur sehr wenige Interessierte den Weg.
Ob’s an der Konkurrenz des parallel laufenden Literaturfestivals „erLesen“lag? Altpeter nahm’s stoisch: „Ich hab das jetzt geübt, also mache ich das“sagte er, um lakonisch einen „erlauchten und intimen Kreis“zu begrüßen.
Das Üben hat sich gelohnt: Altpeter gehört zu den Autoren, die auch ausdrucksstark und lebendig vortragen können und denen man gerne zuhört. Lange Jahre war Altpeter beim Saarbrücker Kulturamt zuständig für die Förderung der Freien Szene; er war Herausgeber des Veranstaltungskalenders Kakadu, initiierte und leitete die Konzertreihe Saarbrücker Sommermusik und kuratierte das Programm des Kleinen Theaters im Rathaus, zuletzt auch das der städtischen Konzertreihe JazzZeit.
Dass der studierte Kommunikationsdesigner zudem als Illustrator einen markanten Stil pflegt, ist bekannt, zierten seine märchenhaften Motive doch geraume Zeit Plakate und die Titelbilder diverser Spielplanhefte. Ehrensache, dass er seine Geschichten selbst bebildert und Projektionen jetzt auch seine Lesung begleiteten.
Weniger im öffentlichen Fokus stand bislang jedoch Altpeters Leidenschaft fürs Schreiben, Prosa und Lyrik, der er sich jetzt als Rentner verstärkt widmen kann. „Raunen“ist nun als Sammlung von Erzählungen konzipiert, die unabhängig voneinander gelesen werden können und sich dennoch zu einem großen Ganzen fügen.
Altpeter schickt seinen Ich-Erzähler, einen Bibliothekar, auf die Reise in ein saarländisches Kaff, wo er den Schlüssel zu einem Text zu finden sucht, der schlicht nicht enträtselt werden kann. Eine kafkaeske Situation, in die sich das Raunen der Vergangenheit mischt. Realität und Illusion durchdringen einander: Die Frau, die der Erzähler am Fenster eines Hauses zu sehen wähnt, ist längst verstorben – vermutlich handelt es sich um die Witwe Zwillich, die einen Olm als Haustier hielt, der, so erzählt man sich, menschenähnliche Gestalt annahm und irgendwann verschwand.
Das Erscheinen des übelriechenden Molchwesens soll Unheil bringen – es ist kein Zufall, dass Altpeter die schmutzigen Schneehäubchen auf den Grabsteinen des Friedhofs als „graue Zwillich-Mützen“bezeichnet. Überhaupt ist Altpeters Sprache bildgewaltig und metaphorisch, die personifizierte Natur führt ein machtvolles Eigenleben.
Einen besonderen Reiz entfalten hier Zeugenaussagen in saarländischer Mundart, wobei der Griff zum Dialekt weder denunzierend noch anbiedernd ist: Wenn Altpeter die Dorfbewohner auf Platt in verschwörerischem Tonfall von alten Mären berichten lässt, hat das vielmehr etwas sehr Authentisches, um nicht zu sagen Chronistisches – unweigerlich fühlt man sich an Edgar Reitz’ filmische Hunsrück-Saga „Heimat“erinnert. Zugleich bringen die Zeugenaussagen der verschrobenen Gestalten ein burlesk heiteres Element ins düstere Geschehen. Darauf verzichtet Altpeter in seinem „Nachtraben“über die von einem geheimnisvollen Fremden verfolgte Gattenmörderin Clara, aus dem er hier ebenfalls Passagen las.
Einen besonderen Reiz entfalten hier Zeugenaussagen in saarländischer Mundart.
„Nachtrabe“(Tredition; Hardcover, illustriert, 162 Seiten, 25 Euro) kann im Buchhandel oder direkt beim Autor erworben werden: www.thomasaltpeter.de