Saarbruecker Zeitung

Struff will jetzt ganz vor in die Weltspitze

Nach Verletzung­en im Vorjahr läuft es diese Saison für den Tennis-Profi blendend. In Madrid schafft er die Sensation nur knapp nicht.

- VON JÖRG SOLDWISCH

(dpa) Tennis-Profi Jan-Lennard Struff hat die Krönung seines märchenhaf­ten Laufs beim MastersTur­nier von Madrid und die große Sensation gegen Carlos Alcaraz nur knapp verpasst. Der 33 Jahre alte Warsteiner unterlag dem spanischen Weltrangli­sten-Zweiten trotz einer erneut hervorrage­nden Leistung im Finale am Sonntagabe­nd mit 4:6, 6:3, 3:6. Damit muss Struff drei Wochen vor Beginn der French Open zwar weiter auf den ersten ATP-Turniersie­g seiner Karriere warten, klettert in der Weltrangli­ste aber so hoch wie nie zuvor.

Anders als Alexander Zverev beim 1:6, 2:6 im Achtelfina­le erhielt Struff keine Lehrstunde von Alcaraz, sondern konnte lange mithalten. Zu Beginn war dem Sauerlände­r die Nervosität auf der ganz großen Bühne in seinem ersten Masters-Finale noch anzumerken. Mit jeweils zwei Doppelfehl­ern kassierte Struff im ersten Satz zwei Breaks, erleichter­t ballte Titelverte­idiger Alcaraz nach 52 Minuten die Faust.

Doch im zweiten Durchgang nahm Struff seinem 20 Jahre alten Kontrahent­en früh den Aufschlag ab und behielt vor der lautstarke­n Kulisse im Manolo Santana Stadion die Nerven. Vor den Augen von Tennis-Legende Björn Borg und Fußball-Ikonen wie Raúl und Luis Figo durfte Struff auf den Coup hoffen.

Doch langsam waren dem 1,93 Meter großen Hünen die Strapazen des Turniers, bei dem er in der Qualifikat­ion zunächst noch gescheiter­t war, anzumerken. Nach Angaben der Spielerorg­anisation ATP bestritt Struff als bislang erster Profi bei einer ATP-Veranstalt­ung gleich sechs Drei-Satz-Matches. Und gegen einen müden Davis-Cup-Spieler entschied Alcaraz mit seiner Extraklass­e dann den dritten Durchgang für sich und verwandelt­e nach 2:25 Stunden den ersten Matchball.

Erstmals stand Struff überhaupt im Endspiel eines Turniers der zweithöchs­ten Kategorie – und schaffte sogar ein weiteres Novum: In der Qualifikat­ion war er eigentlich schon gescheiter­t, schaffte aber durch die Absage eines anderen Spielers den Sprung ins Hauptfeld. Als sogenannte­r Lucky Loser dann auch noch das Finale zu erreichen, war in der Masters-Historie noch keinem anderen Profi gelungen. „Es war ein unglaublic­hes Abenteuer, vom Lucky Loser zum Finalisten zu werden“, sagte Struff freudestra­hlend: „Das ermutigt mich sehr für die nächsten Wochen und Monate.“

Dabei war dieser Aufstieg noch

vor gar nicht allzu langer Zeit nicht absehbar gewesen. Ende 2022 belegte Struff in der Weltrangli­ste nur noch Platz 150, nun hat er den Sprung auf Rang 28 geschafft. Mit einem Final-Triumph wäre er sogar an Zverev vorbeigezo­gen und neue deutsche Nummer eins geworden.

„Es sprechen viele Dinge dafür,

dass die Reise noch nicht zu Ende ist“, sagte Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann. Er gibt Struff auch bei den French Open ab dem 28. Mai gute Chancen: „Er schwebt auf einer Erfolgswel­le und traut sich zu, auch gegen die ganz Großen zu gewinnen. Ich wünsche ihm, dass er das bis Paris transporti­eren kann.“

Weil Struff die French Open im Vorjahr wegen einer Verletzung am Zeh verpasst hatte, muss er beim GrandSlam-Turnier auf Sand keine Weltrangli­stenpunkte verteidige­n.

Struff hat in Madrid und auch bei seinem Viertelfin­al-Einzug zuvor in Monte Carlo eindrucksv­oll bewiesen, dass wieder mit ihm zu rechnen ist. Der Dreisatzsi­eg im Halbfinale von Madrid gegen den Russen Aslan Karazew, gegen den Struff in der Qualifikat­ion noch verloren hatte, sei „eine Monster-Energielei­stung“gewesen, meinte sein Trainer Marvin Netuschil. Und der frühere Tennisstar Boris Becker nannte den Warsteiner „eine Maschine“.

Im Vorjahr war diese Maschine ins Stocken geraten. Die langwierig­e Zehenverle­tzung hatte Struff verunsiche­rt und aus den Top 100 der Weltrangli­ste befördert. Doch schon Ende des Jahres bewies Struff ansteigend­e Form, vor allem der Sieg im Davis-Cup-Viertelfin­ale gegen den kanadische­n Topspieler Denis Shapovalov habe ihm „unglaublic­hen Auftrieb gegeben“, wie Teamchef Kohlmann verriet. Komplett überrasche­nd komme der Höhenflug für ihn nicht: „Struffi hat schon immer großes Potenzial gehabt.“

Ende August 2020 stand Struff als 29. der Welt schon einmal vor dem großen Durchbruch. Der soll ihm diesmal unbedingt gelingen. Der Aufschwung kommt spät, aber nicht zu spät. „Es stehen so langsam die letzten Jahre bevor, obwohl ich überhaupt noch nicht daran denke, aufzuhören“, sagte der 33-Jährige Anfang des Jahres dem WDR. Sein Antrieb sei vor allem „die Liebe zum Spiel“, doch er gab auch zu: „Den meisten Spaß hat man, wenn man mehr gewinnt und höher in der Weltrangli­ste steht.“Somit dürfte Jan-Lennard Struff jetzt so viel Spaß am Tennis haben wie noch nie in seiner schon langen Karriere.

„Es war ein unglaublic­hes Abenteuer, vom Lucky Loser zum Finalisten zu werden. Das ermutigt mich sehr für die nächsten Wochen und Monate.“Jan-Lennard Struff über sein Abschneide­n in Madrid

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FOTO: MARCOU/AFP Jan-Lennard Struff zeigte auch im Finale des Masters-Turniers in Madrid am Sonntagabe­nd eine starke Leistung, musste sich letztlich aber dem Topfavorit­en Carlos Alcaraz in drei Sätzen geschlagen geben.

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