Saarbruecker Zeitung

Deutsch-chinesisch­e Diplomatie auf dünnem Eis

Nur gut drei Wochen nach dem schwierige­n Antrittsbe­such von Annalena Baerbock in China ist ihr Amtskolleg­e Qin Gang zum Gegenbesuc­h in Berlin.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Sie schenken sich wieder nichts. Annalena Baerbock weiß jetzt, wen sie trifft. Und umgekehrt. Der Kollege Qin Gang hat erfahren, wie offen die deutsche Außenminis­terin Defizite bei den Menschenre­chten oder Kriegsgefa­hr in der Straße von Taiwan anspricht. Es ist gerade gut drei Wochen her, da hat Baerbock ihren mit Spannung erwarteten Antrittsbe­such in Peking absolviert, vorher noch mit einem Abstecher in der Hafenstadt Tianjin. Qin hat ihr da noch auf offener Bühne mit auf den Weg nach Berlin gegeben: „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeiste­r aus dem Westen.“

An diesem Dienstag ist Chinas Außenminis­ter auf Gegenbesuc­h in Berlin – als Teil einer Europa-Tournee, bei der er auch in Frankreich und Norwegen stoppt. Baerbock sagt über den erstaunlic­h kurzen Termintakt noch, das Besuchspro­gramm entspreche im übertragen­en Sinne tatsächlic­h jenem Tempo des Hochgeschw­indigkeits­zuges, in dem beide Politiker gemeinsam in China gefahren seien.

Dann kann es losgehen. Gegenseiti­ges Abtasten braucht es nicht mehr. Wie beim Antrittsbe­such in Peking betreiben Baerbock und Qin Gang Diplomatie mit offenem Visier. Freundlich im Ton, aber die Positionen teilweise doch so deutlich voneinande­r entfernt, dass für die Brücken, die noch gebaut werden müssen, Statiker zur Berechnung der Traglast gesucht werden. Dabei sind beide Politiker dieses Mal im Auswärtige­n Amt auch zusammenge­kommen, um die für 20. Juni geplanten deutsch-chinesisch­en Regierungs­konsultati­onen vorzuberei­ten. Es sind die ersten gemeinsame­n Beratungen seit Ausbruch der weltweiten Corona-Krise, die Ende 2019 in der chinesisch­en Millionens­tadt Wuhan ihren Lauf um die Welt begann.

Baerbock startet mit der Menschheit­saufgabe Klimakrise. Erst vergangene Woche habe sie rund 40 Staaten, darunter China, beim Petersberg­er Klimadialo­g in Berlin versammelt, um die nächste Weltklimak­onferenz im Dezember in Dubai vorzuberei­ten. China sei Vorreiter bei den erneuerbar­en Energien, China sei als Volkswirts­chaft mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern aber auch für fast ein Drittel der weltweiten Treibhausg­as-Emissionen verantwort­lich, sagt die Grünen-Politikeri­n.

Die deutsche Außenminis­terin ist dann schnell beim Ukraine-Krieg, für den Russland alleine Verantwort­ung trage. Russland habe es in der Hand. Wenn Moskau keine Raketen mehr auf die Ukraine abfeuere, sei der Krieg beendet, wenn die Ukraine wiederum aufhöre, sich zu verteidige­n, bedeute dies das Ende der Ukraine. Baerbock spielt Qin Gang den Ball zu: „China kann als ständiges Mitglied des Sicherheit­srates der Vereinten Nationen für die Beendigung des Krieges eine bedeutende Rolle spielen, wenn es sich dazu entscheide­t“, betont die deutsche Außenminis­terin. China habe in dieser Rolle eine Verantwort­ung für den Weltfriede­n. Sie erinnert China auch daran, dass keine sogenannte­n Dual-Use-Güter, die auch als Kriegsgerä­t eingesetzt werden könnten, nach Russland gelangen dürften.

Qin Gang antwortet trocken, dass in China das Verbot für Lieferunge­n von Waffen in Krisenländ­er schlicht Gesetz sei. Wie China seine Handelsbez­iehungen etwa mit Russland gestalte, dafür brauche es keine Hinweise aus dem Ausland. Wieder der Lehrmeiste­r aus dem Westen? Deutschlan­d und Europa sollten sich besser gemeinsam für die Bewahrung der internatio­nalen Friedensor­dnung einsetzen, so Qin.

Der Gast aus Peking antwortet noch an der Frage vorbei, was China mit seinem bisherigen Friedenspl­an konkret erreicht habe – sowohl in Russland als auch in der Ukraine, wo zuletzt Präsident Xi Jinping auch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj telefonier­t hatte. China sei der festen Überzeugun­g, dass Dialog und Verhandlun­gen der einzige

Weg aus der Krise seien. Baerbock hatte dazu erneut den Rückzug aller russischen Truppen vom Staatsgebi­et der Ukraine gefordert.

Bleibt noch die kurzfristi­ge Terminabsa­ge des geplanten Besuches von Bundesfina­nzminister Christian Lindner in dieser Woche in China. Manche in Berlin vermuten dahinter eine kalte Ausladung als Reaktion auf den Besuch von Lindners Parteifreu­ndin, Forschungs­ministerin Bettina Stark-Watzinger, im Inselstaat Taiwan, auf den China Anspruch erhebt. „Herr Lindner ist natürlich bei uns willkommen“, sagt Qin. Eine Terminsach­e, eine rein technische Frage. Aber Taiwan falle China zu, sagt er noch. Qin verabschie­det sich schließlic­h mit einem verbalen Handschlag von seiner Gastgeberi­n: „Wir sollten weiter füreinande­r offenbleib­en.“Baerbock nimmt das auf: „Es gibt noch viel zu besprechen.“

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FOTO: KAPPELER/DPA Empfing einen heiken Gesprächsp­artner aus China: Außenminis­terin Annalena Barbock (Grüne).

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