Der Streit um die Migration in Deutschland ist notwendig
Kurz vor dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern sind die Fronten verhärtet. In ungeahnter Einmütigkeit haben sich die Länder vor dem Gipfel mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammengetan und unabhängig von der Parteienfarbe ihrer Regierungen gemeinsame Forderungen an den Bund erhoben. Richtig so. Es darf, es muss, es soll über Migration gestritten werden. Es ist höchste Zeit dafür. Nur zur Erinnerung: Noch vor ein paar Monaten lehnte es der Kanzler ab, sich überhaupt mit den Ministerpräsidenten über das Thema Flüchtlinge zu unterhalten. Es gab einen Gipfel bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), der mit einem Eklat und kaum vorzeigbaren Ergebnissen endete, bevor man im Kanzleramt zu der Erkenntnis kam, dass doch dringend etwas getan werden muss.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine wurden in Deutschland im vergangenen Jahr registriert. Auch in den ersten Monaten dieses Jahres ist die Zahl der Asylanträge gestiegen: Rund
102 000 Erstanträge waren es bis Ende April, 78 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2022.
Die Kommunen sind mit der Situation in Teilen überlastet. Wer das negiert, sollte sich einfach mal in Flüchtlingsunterkünften und Schulen vor Ort ein Bild machen. Die Frage der Finanzierung ist die eine, die Frage der Kapazitäten eine ganz andere. Eine Begrenzung der Migration nach Deutschland ist daher auch im Sinne derer, die bereits hier sind und teils unter menschenunwürdigen Bedingungen darauf warten, dass sich irgendetwas tut. Die Kommunen wiederum müssen dauerhafte Strukturen schaffen – denn das gehört auch zur Wahrheit: Viele Menschen werden in Deutschland bleiben.
Richtig ist allerdings ebenfalls, dass die Kosten für die Flüchtlinge aus der Ukraine bereits der Bund finanziert. Diese Menschen haben sofort Anspruch auf Bürgergeld, eine Leistung des Bundes. Geholfen wäre dem ganzen Land damit, wenn man insgesamt wieder dahin zurückkehrt, was das System Asyl eigentlich ist. Ein Versprechen an die, die an Leib und Leben bedroht sind, aber nicht für Menschen, deren wirtschaftliche Situation im Heimatland nicht auskömmlich ist. Deswegen will die Bundesregierung den Ländern helfen, Asylverfahren zu beschleunigen. Sinnvoll ist auch der Vorschlag von zentralen „Anker-Zentren“, aus denen direkt Abschiebungen erfolgen könnten. Deutschland bemüht sich zwar durch Grenzkontrollen zu Österreich und Schleierfahndungen an anderen Grenzen um eine eigene Steuerung der Fluchtbewegung. Grundsätzlich ist dies aber ein seit Jahren auf europäischer Ebene ungelöstes Problem. Hier muss es eine deutliche Beschleunigung geben. Der Satz von Angela Merkel „Wir schaffen das“muss angepasst werden. Der russische Angriffskrieg hat neue Fakten geschaffen, mit den Kriegsflüchtlingen hatte niemand gerechnet. Diese in der Debatte um die Flüchtlingspolitik dieses Landes zu unterschlagen, ist fahrlässig. Eine Begrenzung von Migration in weiterem Sinne ist sinnvoll. Und dann wird die Frage der Finanzierung auch nicht mehr zu verhärteten Bund-Länder-Fronten führen.