Migranten-Strom birgt Sprengstoff für Joe Biden
Die USA bereiten sich auf einen Ansturm von Migranten vor, die auf das Ende der Einreisebeschränkungen während der Pandemie am Donnerstag warten.
EL PASO Erst strandete eine Handvoll Flüchtlinge vor der „Sacred-Heart“Kirche unweit des Grenzübergangs Paso del Norte. Dann lagerten hunderte Neuankömmlinge aus Mexiko auf dem Bürgersteig. So viele, dass die lokalen Behörden das „Campen“auf den Straßen und in den Parks von El Paso verboten. Vergeblich. Jetzt reicht die Schlange des menschlichen Elends, so weit das Auge reicht.
„Das ist eine wirkliche Krise“, sagt Rafael Garcia, der versucht, den Menschen vor seiner Kirche nach Kräften zu helfen. „Wie soll das erst nach dem 11. Mai werden?“, sorgt sich der Priester angesichts einer Realität, die Grenzstädte wie El Paso schon jetzt überwältigt. Garcia weiß so gut wie jeder andere hier, dass in der mexikanischen Schwesterstadt Juárez mindestens 35 000 Menschen auf das Ende der Einreisebeschränkungen während der Corona-Pandemie warten. Und viele Tausend weitere Menschen aus Süd- und Zentralamerika sind auf dem Weg in den Norden.
Donald Trump hatte die Pandemie zum Anlass genommen, Flüchtlinge unter Berufung auf eine als „Title 42“bekannte Bestimmung zum Seuchenschutz daran zu hindern, in die USA zu kommen. Viele kamen trotzdem über die Grenze, in der Hoffnung, einen Asylantrag stellen zu können. Joe Biden setzte die Politik sehr zum Unbehagen von Migranten-Verbänden und vielen in seiner eigenen Partei fort, bis Gerichte die Regierung nach Ende der Pandemie dazu zwangen, „Title 42“zu beenden.
Ohne rechtliche Intervention in letzter Minute wird diese Barriere eine Minute vor Mitternacht Ostküstenzeit am Donnerstag fallen. „Wir bereiten uns auf das Unbekannte vor“, sagt der Bürgermeister von El Paso, Oscar Leser, zu der humanitären Krise, die auch andere Grenzstädte von San Diego im Westen bis Brownsville im Osten erfasst. „Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels“.
Der für den Grenzschutz zuständige Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas hält das für alarmistisch. „Wir haben einen Plan“, weist Mayorkas die Kritik am Umgang der Regierung mit der Flüchtlingskrise zurück. Die Regierung habe sich mit der Einrichtung neuer Lager, Erfassungsstellen und Verfahren für die schnelle Abschiebung auf die Situation vorbereitet. Sie entsandte 1500 Soldaten in die Grenzregion. Diese beteiligen sich nicht aktiv an der Festnahme und Abschiebung von Menschen, sondern sollen die Grenzschützer der „Border Patrol“bei anderen Aufgaben entlasten.
Zudem treten unmittelbar am Donnerstag neue Regeln in Kraft, die anstelle von „Title 42“dafür sorgen sollen, den Zustrom an Menschen über die 2000 Meilen (3219 Kilometer) lange Südgrenze zu stoppen.
Unter anderen führen die USA eine Drittstaaten-Regelung ein. Migranten verlieren automatisch den Anspruch auf Asyl, wenn sie auf dem Weg an die Grenze durch einen sicheren Staat gekommen sind und dort keinen Schutz gesucht haben. In der Vergangenheit haben selbst strikte Maßnahmen kaum gegriffen. Trotz „Title 42“kamen in den ersten achtzehn Monaten der Amtszeit Bidens mehr als drei Millionen Flüchtlinge über die Grenze.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, der Demokrat Robert Menendez, meint, das Weiße Haus habe sich dazu verleiten lassen, allein auf strikte Regeln zu setzen. „Wir lösen damit nicht das größere Problem, warum die Menschen kommen.“Das sieht auch Pfarrer Garcia so. Denn alle, die auf den Bürgersteigen rund um die „Sacred-Heart“-Kirche auf eine ungewisse Zukunft warten, sind ohne Papiere über die Grenze gekommen.
Die US-Regierung hat sich mit der Einrichtung neuer Lager, Erfassungsstellen und Verfahren für die schnelle Abschiebung auf die Situation vorbereitet.