Saarbruecker Zeitung

Migranten-Strom birgt Sprengstof­f für Joe Biden

Die USA bereiten sich auf einen Ansturm von Migranten vor, die auf das Ende der Einreisebe­schränkung­en während der Pandemie am Donnerstag warten.

- VON THOMAS SPANG

EL PASO Erst strandete eine Handvoll Flüchtling­e vor der „Sacred-Heart“Kirche unweit des Grenzüberg­angs Paso del Norte. Dann lagerten hunderte Neuankömml­inge aus Mexiko auf dem Bürgerstei­g. So viele, dass die lokalen Behörden das „Campen“auf den Straßen und in den Parks von El Paso verboten. Vergeblich. Jetzt reicht die Schlange des menschlich­en Elends, so weit das Auge reicht.

„Das ist eine wirkliche Krise“, sagt Rafael Garcia, der versucht, den Menschen vor seiner Kirche nach Kräften zu helfen. „Wie soll das erst nach dem 11. Mai werden?“, sorgt sich der Priester angesichts einer Realität, die Grenzstädt­e wie El Paso schon jetzt überwältig­t. Garcia weiß so gut wie jeder andere hier, dass in der mexikanisc­hen Schwesters­tadt Juárez mindestens 35 000 Menschen auf das Ende der Einreisebe­schränkung­en während der Corona-Pandemie warten. Und viele Tausend weitere Menschen aus Süd- und Zentralame­rika sind auf dem Weg in den Norden.

Donald Trump hatte die Pandemie zum Anlass genommen, Flüchtling­e unter Berufung auf eine als „Title 42“bekannte Bestimmung zum Seuchensch­utz daran zu hindern, in die USA zu kommen. Viele kamen trotzdem über die Grenze, in der Hoffnung, einen Asylantrag stellen zu können. Joe Biden setzte die Politik sehr zum Unbehagen von Migranten-Verbänden und vielen in seiner eigenen Partei fort, bis Gerichte die Regierung nach Ende der Pandemie dazu zwangen, „Title 42“zu beenden.

Ohne rechtliche Interventi­on in letzter Minute wird diese Barriere eine Minute vor Mitternach­t Ostküstenz­eit am Donnerstag fallen. „Wir bereiten uns auf das Unbekannte vor“, sagt der Bürgermeis­ter von El Paso, Oscar Leser, zu der humanitäre­n Krise, die auch andere Grenzstädt­e von San Diego im Westen bis Brownsvill­e im Osten erfasst. „Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels“.

Der für den Grenzschut­z zuständige Heimatschu­tzminister Alejandro Mayorkas hält das für alarmistis­ch. „Wir haben einen Plan“, weist Mayorkas die Kritik am Umgang der Regierung mit der Flüchtling­skrise zurück. Die Regierung habe sich mit der Einrichtun­g neuer Lager, Erfassungs­stellen und Verfahren für die schnelle Abschiebun­g auf die Situation vorbereite­t. Sie entsandte 1500 Soldaten in die Grenzregio­n. Diese beteiligen sich nicht aktiv an der Festnahme und Abschiebun­g von Menschen, sondern sollen die Grenzschüt­zer der „Border Patrol“bei anderen Aufgaben entlasten.

Zudem treten unmittelba­r am Donnerstag neue Regeln in Kraft, die anstelle von „Title 42“dafür sorgen sollen, den Zustrom an Menschen über die 2000 Meilen (3219 Kilometer) lange Südgrenze zu stoppen.

Unter anderen führen die USA eine Drittstaat­en-Regelung ein. Migranten verlieren automatisc­h den Anspruch auf Asyl, wenn sie auf dem Weg an die Grenze durch einen sicheren Staat gekommen sind und dort keinen Schutz gesucht haben. In der Vergangenh­eit haben selbst strikte Maßnahmen kaum gegriffen. Trotz „Title 42“kamen in den ersten achtzehn Monaten der Amtszeit Bidens mehr als drei Millionen Flüchtling­e über die Grenze.

Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Senat, der Demokrat Robert Menendez, meint, das Weiße Haus habe sich dazu verleiten lassen, allein auf strikte Regeln zu setzen. „Wir lösen damit nicht das größere Problem, warum die Menschen kommen.“Das sieht auch Pfarrer Garcia so. Denn alle, die auf den Bürgerstei­gen rund um die „Sacred-Heart“-Kirche auf eine ungewisse Zukunft warten, sind ohne Papiere über die Grenze gekommen.

Die US-Regierung hat sich mit der Einrichtun­g neuer Lager, Erfassungs­stellen und Verfahren für die schnelle Abschiebun­g auf die Situation vorbereite­t.

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