Überraschung im Yeboah-Prozess
Seit November 2022 steht Peter S. in Koblenz vor Gericht. Dass er den Brandanschlag 1991 in Saarlouis begangen und so Samuel Yeboah ermordet hat, bestritt er lange. Jetzt hat er seine Tatbeteiligung eingeräumt – aber einen anderen Haupttäter benannt.
„Der Vorfall muss unter uns bleiben“, habe Heiko Sch. mehrfach gedrängt. Insbesondere der damalige Anführer der Saarlouiser Neonazis, Peter St., der an dem Abend mit dem Angeklagten und Heiko Sch. zusammen unterwegs war, dürfe nichts von der Tat erfahren.
In seinem Geständnis betonte der Angeklagte gleich mehrfach, dass Peter St. mit dem Brandanschlag ausdrücklich nichts zu tun gehabt und von nichts gewusst habe. Denn dieser habe vorgeblich nichts von der „Randale gegen Ausländer im Osten“gehalten, sondern ziehe den Kampf „Mann gegen Mann“vor. Nach der Tat rannte der Angeklagte nach eigener Aussage sofort nach Hause, musste sich dabei mehrfach übergeben. Er sei „völlig fertig“und vom Ausmaß der Stichflamme und des Brandes gewesen, obwohl „natürlich beabsichtigt war, an dem Ausländerheim Randale“zu machen. Dass jemand stirbt, habe er nicht gedacht. Auch tue es ihm sehr leid, dass er nicht früher ausgesagt habe, verliest Britz im Namen seines Mandanten. Der Grund? „Er hatte Angst vor der Szene und vor allem ‚den Linken‘ gehabt, weil er nicht wusste, wie die darauf reagieren würden.“„Trotz der Gefahren“wolle er nun aber nicht weiter schweigen.
Für Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann ist das gesamte Geständnis wenig glaubhaft. „Für mich hat diese Aussage beziehungsweise diese Anwaltserklärung überhaupt nicht das Gewicht und Format, dass man sagen könnte, darauf können wir vertrauen“, so Hoffmann – insbesondere vor dem Hintergrund, dass keine Fragen beantwortet werden und sich die Schilderungen diametral gegenüber vorherigen Aussagen des Angeklagten verhielten.
Hoffmann hält das Geständnis für einen „sehr durchschaubaren und massiven Versuch, den alten Kameraden und im Zentrum der Szene stehenden Chef“von Verantwortung freizuhalten. Dass es jetzt plötzlich der Aussteiger Sch. gewesen sein soll – „das passt nicht“, so Hoffmann. Der Senat habe Ende März ein Angebot zur Verständigung gemacht – mit dem Ziel, die weitere Beweisaufnahme zu verkürzen und den Betroffenen mehr Klarheit zu verschaffen. Das heute Gehörte indes würde nicht nur viele Fragen offenlassen, sondern die Beweisaufnahme sogar noch verlängern.
Nach einer Pause setzte das Gericht die Beweisaufnahme zunächst weiter fort. Der stellvertretende Leiter des Staatsschutzes, Christian Eckert, wird – statt wie geplant ausschließlich zur Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin – nun auch zur Glaubwürdigkeit der jüngsten Schilderungen des Angeklagten befragt. Denn das Gericht wird das Geständnis nicht einfach so hinnehmen, sondern „auch gucken, ob das glaubhaft ist“, wie der Vorsitzende Richter Leitges erklärt.
„Grundsätzlich ist es zwar möglich, dass das so geschehen sein könnte“, sagt Eckert. Dennoch gebe es in den Einlassungen auch „einige direkte Widersprüche zu Ermittlungsergebnissen.“Auch dem Staatsschützer kommt die Rolle des Neonazi-Führers Peter St. „etwas zu kurz“, wie er sagt. Die Einlassung gehe deutlich in Richtung Sch. – „das deckt sich nicht mit dem, was wir in drei Jahren Ermittlung an Erkenntnissen erlangt haben.“
Im Rahmen der Ermittlungen sind über 200 Zeugen vernommen worden, 20 000 Blatt Akten angefallen. In relevanten Aussagen sei Sch. nie direkt beschuldigt, der Neonazi
„Für mich hat diese Aussage beziehungsweise diese Anwaltserklärung überhaupt nicht das Gewicht und Format, dass man sagen könnte, darauf können wir vertrauen.“Alexander Hoffmann Nebenklageanwalt über das Geständnis
Führer St. hingegen „immer in einem Atemzug mit dem Brandanschlag“genannt worden.
Zur unmittelbaren Klarheit hat das Geständnis demnach nicht beigetragen. Wie geht es nun mit dem Prozess weiter? „So schnell, dass wir diesen Monat noch fertig werden, wird es nicht gehen“, schätzt Richter Leitges und legt vorsichtshalber weitere Verhandlungstage bis Mitte Juli fest. Das Gericht müsse nach der heutigen Entwicklung das weitere Beweisprogramm zunächst „komplett neu überdenken“. Wie Gerichtssprecherin Corinna Diesel erklärt, wird die Beweisaufnahme kommenden Montag fortgeführt – unter anderem mit der Ladung des nun Beschuldigten Heiko Sch.
Auch der Chef der Neonaziszene und gute Freund des Angeklagten, Peter St., sollen auf jeden Fall noch angehört werden. Wenn eine Anklagebehörde aufgrund dieses Geständnisses Anklage erhebe, dann steuere man auf ein weiteres Verfahren zu, erklärte Nebenklageverteidigerin Kristin Pietrzyk am Rand des Prozesses: „Das halte ich aber gerade für unwahrscheinlich.“