Saarbruecker Zeitung

„Man selbst ist sein härtester Gegner“

Der Schauspiel­er und Schriftste­ller über seinen Roman „Roxy“, zu wenige Drehtage im Fernsehen und die mindestens 173. Frage zu Loriot.

- DIE FRAGEN STELLTE TOBIAS KESSLER.

SAARBRÜCKE­N Aus dem Kino kennt man Schauspiel­er Johann von Bülow aus Filmen wie „Im Labyrinth des Schweigens“, „Elser“und „Frantz“von François Ozon; im Fernsehen ist der Münchner sehr oft zu sehen, unter anderem in einigen „Tatorten“, in „Mord mit Aussicht“und der vielgelobt­en Krimi-Reihe „Herr und Frau Bulle“.

Mit „Roxy“hat von Bülow seinen ersten Roman vorgelegt, die Geschichte einer Jugendfreu­ndschaft in den 80ern und 90ern, es geht ums Heranwachs­en, um erste Liebe, Rivalität – und Tod. Am Sonntag liest Johann von Bülow im Rahmen des Festivals „erLesen!“in der ausverkauf­ten Stummschen Reithalle. Wir haben dem 50-Jährigen ein paar Fragen gestellt.

Ihr Debüt-Roman „Roxy“ist im Februar erschienen – hatten Sie Angst vor einer Reaktion von Kritik oder Publikum à la „wieder ein Schauspiel­er, der schreibt“?

VON BÜLOW Ich habe mir bei der Arbeit am Roman solche Fragen nicht gestellt, sondern mich nur gefragt, ob ich mit dem Ergebnis am Ende vor mir selbst bestehen kann. Und das ist mir, sicher mit Abstrichen, aber weitestgeh­end doch gelungen. Dass man sich, wenn man sich mit seiner Arbeit einem öffentlich­en Urteil aussetzt, auch auf Widerspruc­h einstellen muss, kenne ich ja bereits von meiner Arbeit als Schauspiel­er. Insgesamt ist das Urteil aber Gott sei Dank ganz gut. In der Presse, aber auch beim Publikum. Ich erlebe zur Zeit immer wieder positive Reaktionen, vor allem bei den vielen Lesungen, die ich mit dem Buch mache. So wie kürzlich auf der Leipziger Buchmesse. Hoffentlic­h auch am Sonntag bei „erLesen!“in Neunkirche­n. gewöhnlich, dass ein Debüt einen gewissen Umfang hat. Etwas ganz Kurzes und dabei Dichtes kann man wohl erst schreiben, wenn man viel Erfahrung im Konstruier­en von Geschichte­n hat.

Wie lief das Schreiben ab? Brauchten Sie dafür einen langen freien Zeitraum, um nur an dem Roman zu arbeiten? Oder lässt sich ein Roman auch bei Dreharbeit­en schreiben, wenn man ein paar Stunden warten muss?

VON BÜLOW Schreiben funktionie­rt für mich nur als ausschließ­liche Tätigkeit. Das geht nicht nebenher. Ich bewundere Autoren, die nach ihrer eigentlich­en Arbeit, abends oder sogar nachts noch an etwas schreiben. Das finde ich schwer. Man braucht zum Schreiben Frische, geistige Kraft und Ausdauer, um die Konzentrat­ion zu bewahren. Und vor allem muss man es täglich tun. Das geht nicht in den Umbaupause­n am Filmset. Ich habe mir immer wieder längere drehfreie Zeiträume genommen, sonst hätte ich den Roman nicht fertig bekommen.

„Roxy“ist teilweise autobiogra­fisch – lässt sich das einfacher schreiben als etwas komplett Fiktives? Oder macht es den Prozess sogar schwierige­r?

VON BÜLOW Eine meiner Figuren ist Schauspiel­er, einfach deshalb, weil ich über das Leben von Schauspiel­ern mehr weiß als über das Leben von – beispielsw­eise – Ingenieure­n. In der Fiktion geht es doch darum, Erfundenes möglichst authentisc­h zu schildern. Und Schriftste­ller nutzen nun mal gerne das, was sie im Leben beobachten, um es in Fiktion zu verwandeln. Die Kunst besteht darin, diese Beobachtun­gen in der

Literatur anschließe­nd so weiterzusp­innen, dass sie hoffentlic­h ein wenig interessan­ter oder gar unterhalts­amer sind als das echte Leben selbst. Die Welt, die in meinem Roman vorkommt, die kenne ich gut. Aber die Figuren darin und was sie erleben, das habe ich mir ausgedacht.

Hat das Schreiben auch den Reiz für Sie, ganz allein verantwort­lich für das fertige Werk zu sein – anders als bei Filmen oder BühnenInsz­enierungen, bei denen man nicht alles kontrollie­ren kann? Oder ist es in eine ziemlich einsame Sache?

VON BÜLOW Film ist ja vor allem Teamwork. Schreiben kann dagegen manchmal, wie Sie sagen, ein recht einsamer Kampf sein. Und man selbst ist dabei sein härtester Gegner. Ich bin wohl insgesamt eher der Teamwork-Typ. Ich muss keineswegs immer alles kontrollie­ren. Kontrolle über das Ganze abzugeben, macht frei in den Details. Ich habe beim Schreiben natürlich großen Spaß gehabt am Erfinden. Also an anderer Stelle als sonst. Eine Stufe früher. Als Schauspiel­er erfinde ich ja auf eine Art auch meine Charaktere. Selbst wenn jemand anderes sich ausgedacht hat, was mit ihnen passiert, erfinde ich, wie sich das dann in dem jeweiligen Menschen ausdrückt. Als Schriftste­ller durfte ich nun zum ersten Mal den Plot und alles, was meinen Figuren widerfährt, erfinden. Das war schön, aber ich habe gemerkt, ich brauche auch beim Schreiben von Zeit zu Zeit den Austausch mit anderen Menschen, zum Beispiel mit dem Lektor. Oder einer dramaturgi­schen Beratung. Das war schon wichtig für mich.

Ihrem Buch stehen Textzeilen der britischen Band Pulp voran, aus dem Song „Common People“– hat die Band eine besondere Bedeutung für Sie? Oder das Thema des sozialen Habens und Nicht-Habens im Text?

VON BÜLOW Der Roman spielt zu großen Teilen in den Neunzigern. Der Song ist für mich typisch für diese Zeit. Britpop und Hedonismus. Der Tonfall des Sängers ist ein bisschen versnobt. So wie Roy aus meinem Buch. Und ja, natürlich geht es im Song um Arm und Reich. Das hat schon einen Bezug zu meiner Geschichte. Ich habe an einigen Reaktionen der Leser und Leserinnen gemerkt, wie viele Menschen meiner Generation, ich wurde 1972 geboren, an solchen Details von damals andocken.

Können Sie noch grob schätzen, wie oft Sie bisher nach einem entfernten Verwandten gefragt wurden – Vicco von Bülow alias Loriot – inklusive dieser Frage?

VON BÜLOW Lassen sie mich nachsehen, ich habe ein kleines Büchlein, in dem ich mir stets ein Kreuz mache, wenn die Frage mal wieder kommt. Es sind bis jetzt exakt – inklusive ihrer Frage – 173 Mal gewesen… Nein, kleiner Scherz. Ist schon okay. Bei einem so bekannten Mitglied in der erweiterte­n Familie liegt die Frage ja nahe. Wir sind aber, das jetzt bitte zum Mitschreib­en, nur sehr entfernt miteinande­r verwandt. Es gibt einfach sehr viele Bülows.

Haben Sie einen Loriotsche­n Lieblingsm­oment – so etwas wie „Das Bild hing schief“?

VON BÜLOW Da gibt es einige. Die Art, wie er zum Beispiel „Ach was“sagen konnte, ist nach wie vor unerreicht.

Sie haben auch bei internatio­nalen Produktion­en wie „Carlos“mitgearbei­tet, zuletzt „Tár“mit Cate Blanchett – ist das dann gleich ein viel größeres Umfeld als eine heimische Produktion? Oder ist das eher eine naive Auffassung von Hollywood meinerseit­s?

VON BÜLOW Natürlich arbeiten an solchen Sets viel mehr Menschen als an einem deutschen TV-Drehort. Aber die eigentlich­e Arbeit vor der Kamera bleibt die gleiche. Außer, dass bei diesen großen internatio­nalen Filmen insgesamt mehr Zeit zum Arbeiten bleibt. Einfach weil mehr Geld da ist und man sich deshalb mehr Drehtage leisten kann. Das würde ich mir für unsere deutschen TV Produktion­en auch wünschen. Lieber weniger Filme, dafür aber die, die gemacht werden, dann mit besserem Budget ausstatten.

Wie geht es nach „Roxy“bei Ihnen schreiberi­sch weiter? Ist das zweite Buch eventuell viel schwierige­r als das erste, weil man an das vielleicht noch unbefangen­er herangegan­gen ist?

VON BÜLOW Jetzt im Moment bin ich erst mal froh, wieder als Schauspiel­er zu arbeiten. Und was das zweite Buch angeht, würde ich es gern mit Franz Beckenbaue­r halten, der ja, was seine Beliebthei­t angeht, fast an Loriot heranreich­t: „Jetzt schau’ mer mal, dann seh‘ ma scho.“

Die Lesung am Sonntag in der Stummschen Reithalle in Neunkirche­n ist schon ausverkauf­t. Der Roman „Roxy“ist bei Rowohlt erschienen, 336 Seiten, 24 Euro.

Weitere Interviews mit Autorinnen und Autoren, die bei „erLesen!“zu Gast sind, finden sich auf www.saarbrueck­erzeitung.de/erlesen.

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FOTO: MATHIAS BOTHOR Johann von Bülow kommt am Sonntag nach Neunkirche­n – die Lesung ist schon ausverkauf­t.
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