Berliner Filmpreis, in Saarbrücken erklärt
Am Freitagabend wird der Deutsche Filmpreis „Lola“in Berlin vergeben. In Saarbrücken hat der Kameramann Klaus Peter Weber mit abgestimmt, denn er gehört der Deutschen Filmakademie an. Er erklärt, wie man dort hineinkommt – und welche Probleme die „Lola“zuletzt hatte.
SAARBRÜCKEN Wer wird nun die „Lola“bekommen, den Deutschen Filmpreis als besten Spielfilm? Die vieldekorierte Kriegsproduktion „Im Westen nichts Neues“? Die KinoHits „Rheingold“und „Sonne und Beton“, „Wann wird endlich wieder so, wie es nie war“, „Holy Spider“– oder „Das Lehrerzimmer“, gerade in unseren Kinos? Klaus Peter Weber hat einen Favoriten: das besagte „Lehrerzimmer“. Ob der Film gewinnt, zeigt sich am Freitagabend, wenn in Berlin die „Lolas“vergeben werden.
Weber, der Saarbrücker Kameramann („Tatort“, die Grass-Verfilmung „Die Rättin“), ist einer der 2200 Stimmberechtigten, denn er gehört der Deutschen Filmakademie an. Dort hineinzukommen, ist nicht ganz einfach, wie er erklärt. „Man muss an mindestens drei Kinofilmen beteiligt gewesen sein“, sagt Weber, der unter anderem Andy Bauschs Film „Troublemaker“gestaltet hat, dazu einige Filme von Hans-Christoph Blumenberg wie „Beim nächsten Kuss knall‘ ich ihn nieder“oder die Starkult-Satire „Warten auf Angelina“. Blumenberg, der mit ihm auch einige Saar-„Tatorte“inszenierte, war einer der beiden für Webers Aufnahme notwendigen „Paten“, die selbst FilmakademieMitglieder sein müssen und einen für das Gremium empfehlen; der andere war der Neunkircher Produzent Ralph Schwingel („Gegen die Wand“und „Solino“von Fatih Akin).
„Du bist jetzt Pensionär, Du hast genug Zeit, um Dir die Filme anzuschauen“, habe Schwingel damals zu Weber gesagt. 2007 war das. Weber hatte gerade seinen Abschied vom Saarländischen Rundfunk genommen und in der Tat etwas mehr Muße als sonst für die Filme, die man als Mitglied der Akademie mit Sitz in Berlin (2003 gegründet vom Neunkircher Produzenten Günter Rohrbach) sichten muss. Die Filme wurden damals als DVDs in einer großen Kiste an die seinerzeit noch 500 Mitglieder verschickt. Heute läuft das über eine digitale Plattform, „aber es heißt immer noch ‚Die Kiste ist da‘, wenn die Filme freigeschaltet sind“, sagt Weber.
In diesem Jahr lief die Wahl noch ab wie lange gewohnt, 2024 wird es anders. „Bisher gab es eine Vorauswahl“, erklärt Weber: Zwei jährlich wechselnde Jurys à 19 Personen – für Spielfilm und Dokumentation – haben alle eingereichten Filme gesichtet und eine Vorauswahl getroffen, „denn kaum jemand hat die Zeit, die 100 bis 120 Filme zu sichten“. Das übernahmen dann die Vorjurys, unter einigem Aufwand – Reisen nach Berlin, gebuchte Hotels und Kinos fürs Filmeschauen. Doch vor einigen Jahren „gab es Ärger“, erzählt Weber. „Die Vorauswahl, wo über die Hälfte der Filme herausfallen, haben auch große Publikums-Erfolge von Til Schweiger und Bully Herbig nicht überstanden.“Das zeige, egal ob man nun Schweiger-Fan oder –Hasser sei, „doch ein sehr enges Verständnis von Kino“. Die Akademie ein elitärer Filmclub? Herbig verließ die Akademie vorübergehend, sie reagierte und installierte den Preis des „Besucherstärksten Films“, in diesem Jahr „Die Schule der magischen Tiere 2“. Weber: „Da war erstmal Ruhe“. Doch in diesem Jahr sei unter anderem „Roter Himmel“, der jüngste Film von Christian Petzold, bei der Vorauswahl herausgefallen – obwohl der als einer der wichtigsten Regisseure derzeit gilt. „Da gab es Aufstände in den Feuilletons“, sagt Weber, „die Presse hat sehr darauf herumgehackt“.
Deshalb wird es ab 2024 keine Vorauswahl mehr geben. Nur: Wenn jedes Akademiemitglied 100 bis 120 Filme schauen soll, braucht dieses viel Muße und „einige werden aus Zeitknappheit wohl doch nur die Filme schauen, die der eigenen Präferenz entgegen kommen – eine Verzerrung“, befürchtet nicht nur Weber. Die Idee der Akademie: Alle eingereichten Filme können jetzt von jedem gesichtet werden; für jeden Film kann gestimmt werden. Aber jedes Mitglied bekommt eine zugeloste Liste von zehn Filmen, die gesehen werden müssen, damit man überhaupt stimmberechtigt wird. So werde jeder eingereichte Film von mindestens 100 Mitgliedern gesehen. „Wer will, kann natürlich viel mehr schauen“, sagt Weber, der im Keller ein selbstgebautes Kino hat. Sieht er sich die Filme dort an? „Nicht alle“, sagt er, „je nach Wetter“, denn das Kino müsse ja erstmal geheizt werden.
Das Filmjahr, über das nun abgestimmt wurde, hat Weber gut gefallen, „es gab jede Menge spannende, unverschnörkelte Geschichten“. Viele Jahre lang fuhr er zu der Preisverleihung nach Berlin, wohnte dann bei Schauspieler Jochen Senf, den er in einigen Max-Palu-„Tatorten“vor der Kamera hatte. „Mit zwei Dutzend Austern, Andouillette und Boudin Noir im Gepäck war es dann ein wenig wie bei ‚Das seltsame Paar‘ mit Walther Matthau und Jack Lemmon.“Senf starb vor fünf Jahren; in diesem Jahr wird der 81-jährige Weber aussetzen und zuhause bleiben. „Zu viele Termine, zu wenig Zeit.“
Die Möglichkeit, einen Preisträger statt in Berlin in Saarbrücken zu sehen, gibt es ohnehin bald: Regisseur und Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, der mit dem „Lola“-Ehrenpreis ausgezeichnet wird, kommt am 14. Juni ins Saarbrücker Kino Achteinhalb, um seine Proust-Verfilmung „Eine Liebe von Swann“zu zeigen. Charly Hübner, nominiert als bester männlicher Darsteller für die Dörte-Hansen-Verfilmung „Mittagsstunde“, ist im Juni gleich mehrmals im Achteinhalb zu Gast – er ist Gastprofessor an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK).
„Da gab es Aufstände in den Feuilletons.“Klaus Peter Weber über die Debatte, als „Roter Himmel“bei der Vorauswahl herausfiel
Das ZDF überträgt die Filmpreis-Verleihung im Theater am Potsdamer Platz, moderiert von Jasmin Shakeri, am Freitag ab 19 Uhr in der Mediathek und zeigt sie ab 23.30 Uhr im ZDF-Fernsehen.