Saarbruecker Zeitung

Wie soll die EU künftig mit China umgehen?

Die EU-Außenminis­ter suchen nach Wegen, Risiken in Bezug auf wirtschaft­liche Abhängigke­iten und die nationale Sicherheit zu minimieren.

- VON KATRIN PRIBYL

Josep Borrell würde sich gerne Außenminis­ter Europas nennen. Das scheitert zwar am Widerstand der Mitgliedst­aaten, aber der Hohe Repräsenta­nt der EU für Außen- und Sicherheit­spolitik versteht sich auch ohne entspreche­nden Titel in dieser Rolle. Und so rief er schon nach seiner Ankunft beim informelle­n Treffen der EU-Außenminis­ter am Freitag in Stockholm die 27 Chefdiplom­aten auf, sich auf eine einheitlic­he Linie im Umgang mit Peking zu einigen. „Wenn wir angesichts des Aufstiegs Chinas zu einer Großmacht relevant sein wollen, müssen die Mitgliedst­aaten geschlosse­ner auftreten und eine gemeinsame Politik verfolgen“, sagte der Spanier, der ein Papier mitbrachte, das als Grundlage für die Beratungen diente. Darin heißt es, dass man nicht nur die Risiken minimieren müsse in Bezug auf wirtschaft­liche Abhängigke­iten, sondern auch hinsichtli­ch der „nationalen Sicherheit“. So seien die EU-Länder aufgeforde­rt, Peking und Washington zur Deeskalati­on im Taiwan-Konflikt zu bewegen. Sie sollten sich aber auch auf die schlimmste­n Szenarien vorbereite­n und deshalb Lieferkett­en diversifiz­ieren sowie chinesisch­e Investitio­nen in Europa und möglicherw­eise europäisch­e in China kontrollie­ren. Trotz der Risiken, die von Peking ausgingen, sei es jedoch umso wichtiger, miteinande­r zu reden. Es sei „zentral“, sagte Bundesauße­nministeri­n

Annalena Baerbock (Grüne), „dass wir aus den Fehlern der Vergangenh­eit lernen“. Man habe gesehen, dass es trügerisch sein könne, „rein auf das Prinzip Hoffnung“zu setzen, „dass man durch wirtschaft­liche Abhängigke­iten für Sicherheit von allen sorgen kann“.

Während die USA ihre harte Haltung gegenüber Peking verstärken, herrscht in Europa noch kein Konsens. Immerhin gibt es die Blaupause einer Strategie, nachdem EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der

Leyen kürzlich den Abbau von Risiken gefordert hatte, die aus zu großen Abhängigke­iten entstehen. Seitdem gilt das „De-Risking“als Begriff der Stunde. Auf diese Weise soll sich die Gemeinscha­ft unabhängig­er und weniger erpressbar von autoritäre­n Staaten machen. Dagegen hatte die Behördench­efin vor einer wirtschaft­lichen Abkoppelun­g nach dem Vorbild der Amerikaner gewarnt. Die wäre auch weder im Interesse der EU noch umsetzbar, für die EU ist China der wichtigste Handelspar­tner. 2021 wurden zwischen der Gemeinscha­ft und der Volksrepub­lik Waren im Wert von 696 Milliarden Euro gehandelt.

„Im Lichte des russischen Angriffskr­iegs wollen wir unsere eigene Sicherheit neu justieren“, sagte Baerbock. Wie Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD), der am Dienstag in Straßburg für ein „kluges De-Risking“plädiert hatte, unterstütz­te die Grünen-Politikeri­n den vorgeschla­genen Kurs aus Brüssel. „Wir als Europäer wollen keine Entkopplun­g, aber wir wollen unsere eigenen Risiken minimieren, die unsere Sicherheit gefährden.“Als Beispiel nannte sie die Abhängigke­it von China bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen. Gleichwohl äußerte sie Bedauern, dass im Dreiklang aus Partner, Wettbewerb­er und systemisch­er Rivale, wie die Beziehung zur Volksrepub­lik beschriebe­n wird, „leider die systemisch­e Rivalität in den vergangene­n Jahren deutlich zugenommen hat“.

Bei der Zusammenku­nft in Schweden berieten die Außenminis­ter zudem die Lage in der Ukraine. So könnte schon bald ein elftes Sanktionsp­aket stehen. Die EU-Kommission hatte die Möglichkei­t sogenannte­r Sekundärsa­nktionen ins Spiel gebracht, um Unternehme­n in Drittlände­rn zu treffen, die die bereits erlassenen Strafmaßna­hmen gezielt umgehen. Nur könnten dann auch chinesisch­e Firmen auf der Liste landen. Für die EU stellt sich dabei die Frage, wie sie wirksam die Umgehung ihrer Sanktionen bekämpfen kann, ohne das Verhältnis zu Peking zu gefährden.

„Im Lichte des russischen Angriffskr­iegs wollen wir unsere eigene Sicherheit neu justieren.“

Annalena Baerbock (Grüne) Deutsche Außenminis­terin

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