Saarbruecker Zeitung

Corona-Abschiebun­g endet, Hürden bleiben

In den USA konnten Migranten bis Freitag mit Blick auf die Corona-Pandemie schnell abgeschobe­n werden. Auch wenn diese Praxis endet, viele Migranten werden wohl lange auf Aufnahme warten müssen.

- VON MAGDALENA TRÖNDLE, ANTONIO MAYA UND ANDREA SOSA CABRIOS Produktion dieser Seite: David Hoffmann, Iris Neu-Michalik

(dpa) Mit Ungewisshe­it bangen Zehntausen­de Migranten an der südlichen Grenze der USA um ihre Zukunft. Mit der Aufhebung des Corona-Notstandes in den Vereinigte­n Staaten endete in der Nacht zum Freitag auch eine umstritten­e Abschiebep­raxis, die in den vergangene­n Jahren unter Verweis auf die Pandemie eine schnelle Zurückweis­ung von Migranten ermöglicht hatte. Viele der Migranten aus Mittel- und Südamerika hatten sich durch den Wegfall der sogenannte­n Titel-42-Regelung einst bessere Chancen für eine Aufnahme in den USA erhofft, sind aber zunehmend desillusio­niert. Denn die US-Regierung hat zahlreiche Maßnahmen erlassen, um dem Andrang an der Grenze entgegenzu­steuern.

US-Heimatschu­tzminister Alejandro Mayorkas versuchte am Freitag erneut, falsche Erwartunge­n zu dämpfen. „Die Grenze ist nicht offen“, teilte er mit dem Auslaufen der umstritten­en Abschiebep­raxis mit. Ab sofort würden Menschen, die an der Grenze ankommen, ohne einen legalen Weg zu nutzen, als zunächst nicht mehr asylberech­tigt gelten, erklärte er weiter. Am Freitagmor­gen (Ortszeit) sprach die Regierung Mexikos von einer „ruhigen und normalen“Situation, ohne größeren Andrang oder bedeutende Zwischenfä­lle. „Es gab keine Konfrontat­ionen oder gewalttäti­ge Situatione­n an der Grenze“, sagte Außenminis­ter Marcelo Ebrard.

Die Titel-42-Regelung ermöglicht es, Menschen von der Einreise in die USA abzuhalten, wenn durch Einschlepp­ung von Krankheite­n eine Gefahr für die öffentlich­e Gesundheit besteht. Im März 2020 – unter dem Eindruck der Corona-Pandemie – wurden die Grenzschut­zbehörden unter dem damaligen US-Präsidente­n Donald Trump angewiesen, diese Regel anzuwenden. So wurde unter Verweis auf die Pandemie eine schnelle und unbürokrat­ische Zurückweis­ung von Migranten möglich – noch bevor diese überhaupt einen Asylantrag stellen konnten.

2,8 Millionen Abschiebun­gen soll es binnen drei Jahren unter Anwendung der Titel-42-Regelung gegeben haben. Eigentlich sollte die Regelung bereits im vergangene­n Jahr auslaufen, doch mehrere US-Bundesstaa­ten, darunter Arizona und Texas, erhoben Einspruch – und bekamen Recht. Erst mit dem Auslaufen des Corona-Notstands endete die umstritten­e Abschiebep­raxis.

Die USA kehren nun zur Anwendung der sogenannte­n Titel-8-Regelung zurück. Der administra­tive Aufwand für die Grenzschüt­zer ist damit höher, denn Migranten dürfen nicht mehr ohne reguläres Verfahren ab

geschoben werden. Gleichzeit­ig gibt es eine strengere Handhabe: So sieht die Titel-8-Regelung im Falle eines illegalen Einwanderu­ngsversuch­s ein fünfjährig­es Wiedereinr­eiseverbot vor. Es können auch Geld- und Gefängniss­trafen verhängt werden.

Daneben hat die US-Regierung eine ganze Reihe an Maßnahmen erlassen, um den Andrang an der Grenze zu verringern. Migranten, die in die USA wollen, müssen über eine App einen Termin bei der Grenzbehör­de buchen. Doch es werden nur begrenzt Termine freigescha­ltet, und viele Menschen an der Grenze berichten, die Software sei überlastet. Die US-Regierung hat zudem zusätzlich­es Personal an die Grenze geschickt. Unter anderem sollen 1500 Soldaten den Behörden

in der Grenzregio­n zunächst für 90 Tage bei administra­tiven Aufgaben wie Dateneinga­be und Lagerunter­stützung helfen. Ende April kündigte die US-Regierung ferner an, unter anderem in Kolumbien und Guatemala Migrations­zentren zu eröffnen und die Erstregist­rierung von Asylsuchen­den dorthin zu verlagern.

Die Zahl der Migranten im Norden Mexikos, die auf eine Einreise in die USA hoffen, beläuft sich US-Medienberi­chten zufolge derzeit auf 150 000. Weil viele die neuen Regeln schwer einschätze­n können, versuchten einige bereits am Donnerstag und in den Tagen davor die Grenze zu überqueren. „Es gibt Gerüchte, dass die Regelungen jetzt strenger werden und wir nicht so leicht durchkomme­n“, sagte eine 24-jährige Mexikaneri­n. Mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern war sie im März in der mexikanisc­hen Grenzstadt Ti

juana – gegenüber von San Diego im US-Bundesstaa­t Kalifornie­n – angekommen. In Tijuana kamen nach Behördenan­gaben zuletzt täglich rund 500 bis 700 Migranten an, mehr als doppelt so viele wie zuvor. Hunderte schafften es in den vergangene­n Tagen, eine erste Mauer auf US-Boden zu überwinden, und warten nun in einem Bereich vor der zweiten Mauer, um sich den Grenzschut­zbeamten zu stellen, damit ihre Fälle geprüft werden.

Auch die Migrantenu­nterkünfte in Tijuana sind voll. Ähnlich ist die Situation in Grenzstädt­en wie Ciudad Juárez. Auch im Süden von Mexiko warten Tausende Menschen auf Einreisedo­kumente, um sich legal durch das Land in Richtung Norden zu begeben. Die lokalen Einrichtun­gen, die sich um die Betreuung von Migranten kümmern, bereiten sich auf harte Tage vor.

„Die Grenze ist nicht offen.“Alejandro Mayorkas US-Heimatschu­tzminister

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FOTO: CASTANEDA/DPA Zahlreiche Migranten hoffen derzeit in Tjuana an der mexikanisc­hen Grenze auf Einreise in die USA.

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