Corona-Abschiebung endet, Hürden bleiben
In den USA konnten Migranten bis Freitag mit Blick auf die Corona-Pandemie schnell abgeschoben werden. Auch wenn diese Praxis endet, viele Migranten werden wohl lange auf Aufnahme warten müssen.
(dpa) Mit Ungewissheit bangen Zehntausende Migranten an der südlichen Grenze der USA um ihre Zukunft. Mit der Aufhebung des Corona-Notstandes in den Vereinigten Staaten endete in der Nacht zum Freitag auch eine umstrittene Abschiebepraxis, die in den vergangenen Jahren unter Verweis auf die Pandemie eine schnelle Zurückweisung von Migranten ermöglicht hatte. Viele der Migranten aus Mittel- und Südamerika hatten sich durch den Wegfall der sogenannten Titel-42-Regelung einst bessere Chancen für eine Aufnahme in den USA erhofft, sind aber zunehmend desillusioniert. Denn die US-Regierung hat zahlreiche Maßnahmen erlassen, um dem Andrang an der Grenze entgegenzusteuern.
US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas versuchte am Freitag erneut, falsche Erwartungen zu dämpfen. „Die Grenze ist nicht offen“, teilte er mit dem Auslaufen der umstrittenen Abschiebepraxis mit. Ab sofort würden Menschen, die an der Grenze ankommen, ohne einen legalen Weg zu nutzen, als zunächst nicht mehr asylberechtigt gelten, erklärte er weiter. Am Freitagmorgen (Ortszeit) sprach die Regierung Mexikos von einer „ruhigen und normalen“Situation, ohne größeren Andrang oder bedeutende Zwischenfälle. „Es gab keine Konfrontationen oder gewalttätige Situationen an der Grenze“, sagte Außenminister Marcelo Ebrard.
Die Titel-42-Regelung ermöglicht es, Menschen von der Einreise in die USA abzuhalten, wenn durch Einschleppung von Krankheiten eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit besteht. Im März 2020 – unter dem Eindruck der Corona-Pandemie – wurden die Grenzschutzbehörden unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump angewiesen, diese Regel anzuwenden. So wurde unter Verweis auf die Pandemie eine schnelle und unbürokratische Zurückweisung von Migranten möglich – noch bevor diese überhaupt einen Asylantrag stellen konnten.
2,8 Millionen Abschiebungen soll es binnen drei Jahren unter Anwendung der Titel-42-Regelung gegeben haben. Eigentlich sollte die Regelung bereits im vergangenen Jahr auslaufen, doch mehrere US-Bundesstaaten, darunter Arizona und Texas, erhoben Einspruch – und bekamen Recht. Erst mit dem Auslaufen des Corona-Notstands endete die umstrittene Abschiebepraxis.
Die USA kehren nun zur Anwendung der sogenannten Titel-8-Regelung zurück. Der administrative Aufwand für die Grenzschützer ist damit höher, denn Migranten dürfen nicht mehr ohne reguläres Verfahren ab
geschoben werden. Gleichzeitig gibt es eine strengere Handhabe: So sieht die Titel-8-Regelung im Falle eines illegalen Einwanderungsversuchs ein fünfjähriges Wiedereinreiseverbot vor. Es können auch Geld- und Gefängnisstrafen verhängt werden.
Daneben hat die US-Regierung eine ganze Reihe an Maßnahmen erlassen, um den Andrang an der Grenze zu verringern. Migranten, die in die USA wollen, müssen über eine App einen Termin bei der Grenzbehörde buchen. Doch es werden nur begrenzt Termine freigeschaltet, und viele Menschen an der Grenze berichten, die Software sei überlastet. Die US-Regierung hat zudem zusätzliches Personal an die Grenze geschickt. Unter anderem sollen 1500 Soldaten den Behörden
in der Grenzregion zunächst für 90 Tage bei administrativen Aufgaben wie Dateneingabe und Lagerunterstützung helfen. Ende April kündigte die US-Regierung ferner an, unter anderem in Kolumbien und Guatemala Migrationszentren zu eröffnen und die Erstregistrierung von Asylsuchenden dorthin zu verlagern.
Die Zahl der Migranten im Norden Mexikos, die auf eine Einreise in die USA hoffen, beläuft sich US-Medienberichten zufolge derzeit auf 150 000. Weil viele die neuen Regeln schwer einschätzen können, versuchten einige bereits am Donnerstag und in den Tagen davor die Grenze zu überqueren. „Es gibt Gerüchte, dass die Regelungen jetzt strenger werden und wir nicht so leicht durchkommen“, sagte eine 24-jährige Mexikanerin. Mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern war sie im März in der mexikanischen Grenzstadt Ti
juana – gegenüber von San Diego im US-Bundesstaat Kalifornien – angekommen. In Tijuana kamen nach Behördenangaben zuletzt täglich rund 500 bis 700 Migranten an, mehr als doppelt so viele wie zuvor. Hunderte schafften es in den vergangenen Tagen, eine erste Mauer auf US-Boden zu überwinden, und warten nun in einem Bereich vor der zweiten Mauer, um sich den Grenzschutzbeamten zu stellen, damit ihre Fälle geprüft werden.
Auch die Migrantenunterkünfte in Tijuana sind voll. Ähnlich ist die Situation in Grenzstädten wie Ciudad Juárez. Auch im Süden von Mexiko warten Tausende Menschen auf Einreisedokumente, um sich legal durch das Land in Richtung Norden zu begeben. Die lokalen Einrichtungen, die sich um die Betreuung von Migranten kümmern, bereiten sich auf harte Tage vor.
„Die Grenze ist nicht offen.“Alejandro Mayorkas US-Heimatschutzminister