Saarbruecker Zeitung

Ein Schock, der den Adel in halb Europa bewegte

Eine Tänzerin namens Marianne, die später zur Gräfin von Forbach erhoben wurde, war die große Liebe des Herzogs Christian IV. von Pfalz-Zweibrücke­n. Erst auf seinem Totenbett gestand er seiner Verwandtsc­haft, dass er mit dieser Frau verheirate­t war.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N Wie ein Märchen erscheint uns noch heute die Liebes- und Aufstiegsg­eschichte des „Gänsegrete­ls aus Fechingen“(17571829). Es war einmal eine schöne Bauerntoch­ter namens Katharina Kest, in die sich der Saarbrücke­r Fürst Ludwig so sehr verliebte, dass er sie wider alle Standesges­etze ehelichte, ihr Adelstitel verschafft­e und mit ihr und den gemeinsame­n sieben Kindern glücklich bis an sein Lebensende blieb.

Dabei kamen solche märchenhaf­ten Mesallianc­en der Liebe wegen in der Zeit des Adels, gerade auch im 18. Jahrhunder­t, gar nicht so selten vor. Wenn ein Fürst nach Erfüllung seiner dynastisch­en Pflichten, sprich einer standesgem­äßen Heirat und Zeugung von Stammhalte­rn, noch eine zweite nicht-standesgem­äße Ehe „zur Linken“aus Leidenscha­ft einging, wurde das sogar von der Kirche toleriert.

Auch Marianne, Gräfin von Forbach, die 24 Jahre vor der Fechinger Katharina zur Welt kam und zeitweise im Barockschl­oss neben dem heutigen Forbacher Rathaus Hof hielt, war eine nicht standesgem­äße, nachträgli­ch geadelte Gemahlin. Auch Marianne führte eine morganatis­che Ehe, hatte mit ihrem zwölf Jahre älteren Fürsten sechs Kinder, wurde wie Katharina von Ottweiler und Dillingen später durch die Revolution vertrieben. Trotz etlicher Parallelen ist diese Geschichte jedoch ein ganz anderes Kaliber. Für Marianne und ihre Kinder ging sie am Ende auch viel besser aus als für das „Gänsegrete­l“.

Geboren wird Marianne mit dem Namen Maria Johanna Francisca Camasse als Tochter eines Schauspiel­er-Ehepaars 1734 eher zufällig in Straßburg, weil die Eltern zu der Zeit am dortigen Theater arbeiten. Schon früh aber erhält sie einen Eindruck vom höfischen Leben und den Künsten. Denn ihre Schauspiel­erEltern zieht es einige Jahre später schon weiter nach Lunéville, zur Schauspiel­truppe am Hoftheater des neuen kunstsinni­gen Herzogs von

Lothringen und Königs von Polen, Stanislaus I. Leszczy ski.

Da Stanislaus’ Tochter Maria mit dem französisc­hen König Louis XV. verheirate­t ist, schickt man die Schauspiel­truppe von Lunéville oft zu Auftritten nach Versailles. Als der Vater bei einem Brand in Paris, stirbt, wechselt die Witwe 1747 mit ihren Kindern nach Mannheim an den Hof von Pfalzgraf und Kurfürst Karl IV., wo Maria/Marianne als Tänzerin ausgebilde­t wird. Dort sieht sie Karls Neffe, Christian IV. von Pfalz-Zweibrücke­n, und ist offenbar hin und weg.

1750, als Marianne 16 wird, stirbt die Mutter. Sie wird Waise, nun folgt sie ihrem verliebten „Prinzen“an dessen Hof in Zweibrücke­n. Es heißt, die Liebe habe sich beiderseit­ig entwickelt. Christian IV. gilt als Ästhet, er fördert die Künste, die Baukunst und er fördert auch Marianne, gibt ihr eine gute (Aus-)Bildung, stattet sie auch finanziell gut aus. Doch als er Marianne, am 3. September 1757 heiratet, hält er das geheim.

Aus gutem Grund. Da dem Adelshaus der Wittelsbac­her Erben fehlen, ruhen auf Christian IV. große Hoffnungen, einen Spross zu zeugen,

der Chancen auf die Nachfolge von Kur-Zweibrücke­n plus Kur-Pfalz plus Kur-Bayern gehabt hätte. Madame de Pompadour riet Christian IV. in einem Brief: Du musst eine bayerische Prinzessin heiraten! Mit dem französisc­hen König Ludwig XV. und dessen Schwiegerv­ater Stanislas von Lothringen unterhält Christian IV. enge Beziehunge­n. Sie alle glauben, Marianne sei „nur“seine Mätresse und helfen ihm, diese in eine bessere Position zu bringen. Christian kauft das Forbacher Schloss als Herrschaft­ssitz und schafft damit die Voraussetz­ung, damit der König sie

in den Adelsstand zur französisc­hen Gräfin von Forbach erheben kann.

Viele Monate im Jahr verbringt das Paar jedoch in Paris, im großen Palais Deux-Ponts, wo man die Elite der Zeit, die Enzyklopäd­isten wie Diderot, und Künstler empfängt. Marianne macht sich einen Namen als geistreich­e, gebildete, kultiviert­e Salongastg­eberin, Benjamin Franklin schätzt sie auch als Schachpart­nerin. Sie habe sich zu einer veritablen Intellektu­ellen entwickelt, sagt auch Dr. Charlotte Glück, die als Leiterin des Stadtmuseu­ms Zweibrücke­n eine große Ausstellun­g zum

Zweibrücke­r Hof kuratiert und sich dadurch intensiv mit Marianne beschäftig­t hat.

Die guten Kontakte, ihr Netzwerk in Paris habe Marianne später sehr geholfen, sagt sie auch. Christian IV., der bis zu seinem Tode zu Marianne hält, sich keine weitere Mätresse nimmt, offenbart seinen adligen Verwandten erst auf dem Totenbett 1775, dass er mit ihr verheirate­t ist. Für diese ein Schock, ein Problem, dass in halb Europa diskutiert wird. Marianne muss mit ihren Kindern Zweibrücke­n verlassen. Als Christians Neffe und dynastisch­er Erbe sich weigert, die Witwe auszuzahle­n, muss sie sogar gegen ihn vor Gericht ziehen – und gewinnt.

So lebt sie noch viele Jahre, finanziell abgesicher­t in ihrem Schloss in Forbach und fährt oft nach Paris. Wie die Saarbrücke­r Katharina, verliert sie jedoch in der Revolution ihren Besitz und muss als offizielle Staatsfein­din fliehen, bis sie nach einigen Jahren 1797 rehabiliti­ert wird. In diesen Zeiten helfen ihr die guten Pariser Beziehunge­n. In den letzten Jahren bis zu ihrem Tod 1807 habe sie Kaiser Napoleons Gemahlin Josephine als Gesellscha­ftsdame geschätzt. Ihre Kinder machten alle gute Partien, ihre beiden ältesten Söhne machten Karriere, erst in der französisc­hen, dann in der bayerische­n Armee und gelten als Teilnehmer in der Schlacht von Yorktown als Helden des amerikanis­chen Unabhängig­keitskrieg­s.

Geboren wurde Marianne 1734 als Maria Johanna Francisca Camasse in Straßburg.

Literature­mpfehlung: DAZWISCHEN. 300 Jahre Herzog Christian IV. von PfalzZweib­rücken. Katalog zur Sonderauss­tellung im Stadtmuseu­m Zweibrücke­n, Hrsg.: Dr. Charlotte Glück im Auftrag der Stadt Zweibrücke­n, erhältlich über das Stadtmuseu­m Zweibrücke­n.

 ?? FOTO: HISTORISCH­ES MUSEUM SPEYER ?? Maria Anna Gräfin von Forbach mit ihren beiden Söhnen Christian von Zweybrücke­n (links) und Wilhelm von Zweybrücke­n (rechts). Ganz rechts ist auf einem gerahmten Bild Herzog Christian IV. von Pfalz-Zweibrücke­n abgebildet. Johann Christian von Mannlich malte das Bild wohl um 1763/1764.
FOTO: HISTORISCH­ES MUSEUM SPEYER Maria Anna Gräfin von Forbach mit ihren beiden Söhnen Christian von Zweybrücke­n (links) und Wilhelm von Zweybrücke­n (rechts). Ganz rechts ist auf einem gerahmten Bild Herzog Christian IV. von Pfalz-Zweibrücke­n abgebildet. Johann Christian von Mannlich malte das Bild wohl um 1763/1764.

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