Alles begann mit einem großen Tintenfleck
Der Autor spricht über seine Verwandtschaft zu Max Planck und unterschiedliche Vater-Sohn-Beziehungen in seinem aktuellen Buch.
SAARLOUIS Es ist Oktober 1944: Inmitten des Zweiten Weltkriegs steht der berühmte Physiker Max Planck vor der wohl schwersten Entscheidung seines Lebens. Er soll ein Bekenntnis zum Führer verfassen, während sein Sohn Erwin wegen Beteiligung am Attentat des 20. Juli 1944 in Haft sitzt. In dieser Situation beginnt der Autor und Schauspieler Steffen Schroeder seinen historischen Roman „Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor“. Neben Planck spielt dabei auch dessen Freund Albert Einstein eine Rolle. Es ist Schroeders mittlerweile drittes Buch, das trotz aller Schwere des Themas auch mit einer gewissen Leichtigkeit daherkommt. An diesem Samstag liest er daraus in Saarlouis.
Herr Schroeder, Sie sind der Ur-UrGroßneffe Max Plancks. Sie haben sich beim Schreiben des Buches auf den Spuren Ihrer Familie bewegt. Inwieweit hat diese Tatsache das Projekt für Sie vielleicht besonders gemacht?
SCHROEDER Es ist natürlich sehr lange her und diese Verwandtschaft ist entfernt. Mein Großvater hatte noch brieflichen Kontakt zu Max Planck. Es gibt diese Korrespondenz von ihm und Onkel Max, wie er ihn genannt hat, noch. Man war in der Familie stolz, so einen berühmten Verwandten zu haben. Meine erste Erinnerung aus der Kindheit ist ein Brief von Max Planck, der über dem Sofa meiner Großeltern hing. Ich glaube, da hat er sich für Geburtstagsgrüße bedankt. Ich fand es als Kind spannend, dass auf diesem Brief ein großer Tintenfleck war und darunter stand: ,Entschuldige den Klecks’. Für mich war es äußerst sympathisch, dass so ein berühmter Mann einen Tintenfleck hinterlässt und darin kein großes Problem sieht. Als ich älter wurde, hat mir mein Vater von der tragischen Seite der Familie Planck erzählt. Dafür, dass Max Planck als Nobelpreisträger und Begründer der Quantenphysik sehr berühmt ist, ist sie recht unbekannt. Mich hat das sehr beschäftigt, dass der Sohn, der im Widerstand aktiv war, inhaftiert wurde. Man musste mit dem Schlimmsten rechnen. In dieser Situation bekommt der Vater die schreckliche Aufforderung, ein Bekenntnis zum Führer zu verfassen. Was macht man in solch einer Situation? Es war eine Geschichte, bei der ich herausfinden wollte, was da wirklich passiert ist.
Das Leitthema des Buches ist die Beziehung zweier Väter, Einstein und
Planck, zu ihren Söhnen. In Ihrem Buch danken Sie auch Ihrem Vater. Wie besonders war es für Sie, einen Teil des Weges zum Buch mit ihm gemeinsam zu gehen?
SCHROEDER Mein Vater hat mir sehr früh von dieser Geschichte erzählt, die mich sehr bewegt hat. Die Tatsache, wie Max Planck sich schlussendlich entscheidet, er schreibt ja kein Bekenntnis zum Führer, so viel kann man vielleicht verraten, und wie er sich in dieser Situation verhält, fand ich beeindruckend. Bei der Recherche hat mir mein Vater geholfen, indem er Briefe aus dem Sütterlin in unsere Schrift übertragen hat. Es war interessant, wie unterschiedlich die Väter Einstein und Planck mit ihren Söhnen umgegangen sind. Bei Albert Einstein hat mich das sehr überrascht, weil alles, was ich bis dato gehört hatte, mich auf menschlicher Ebene beeindruckt hatte. Er hat vielen jüdischen Mitbürgern das Leben gerettet und die Emigration ermöglicht, die er zum Großteil noch nie auch nur getroffen hatte. Er war ein großartiger Freund und Kollege, aber als Vater und Ehemann war er teilweise schrecklich. Das kann man nicht anders sagen.
Haben Sie als Ur-Ur-Großneffe Plancks’ etwas von seiner Begabung in den Naturwissenschaften geerbt?
SCHROEDER Da bin ich nicht so gesegnet, speziell in Physik. Die Begeisterung dafür habe ich erst bei der Recherche an diesem Projekt überhaupt nachvollziehen können, da ich mich in der Schule durchgequält habe. Uns verbindet dann eher die Liebe zur Natur – er war ein begeisterter Wanderer – und zur Musik. Und auch die Tatsache, dass uns die Familie sehr wichtig ist.
Sie kennen es aus Ihrem Beruf als Schauspieler, sich in Charaktere hineinzuversetzen. Haben Sie
darüber nachgedacht, wie Sie sich selbst in Plancks Situation verhalten hätten?
SCHROEDER Das sind Fragen, die man sich oft stellt. Ich habe selbst drei Söhne. Insofern kenne ich dieses Vater-Sohn-Verhältnis sehr gut. Ich glaube, es wäre nur vermessen zu behaupten, man wisse, was man getan hätte. Letztendlich kann man das vorher nicht wissen, wie man sich wirklich verhält. Ich finde das teilweise schwierig, dafür heute jemanden zu verurteilen. Da tut man sich zu leicht drin. Mir wurden bei der Arbeit zum Buch zu viele unglaublich schreckliche Situationen,
in die man geraten konnte, vor Augen geführt. Was man da getan hätte, man weiß es nicht – oder ich weiß es zumindest nicht.
Inwieweit hilft Ihnen diese schauspielerische Ausbildung bei Ihrer Tätigkeit als Autor, sich in Menschen hineinzuversetzen? SCHROEDER Ich finde, dass diese beiden Berufe viel miteinander zu tun haben. Ich habe früher sehr viel Theater gespielt. Da beschäftigt man sich viel mit Sprache. Dass man sich in andere Figuren hineinversetzt, hilft einem beim Schreiben auch sehr. Es ist eine andere Art und Weise, aber sich in die Figuren hineinzubegeben, ihre inneren Beweggründe auszuloten und sich auf die Suche zu machen. Das sind schon viele Parallelen.
Wie aufwendig war das Sichten der Notizen Plancks’ und der weiteren Quellen?
SCHROEDER Das war schon jahrelange Arbeit. Es gibt verschiedene Archive, die ich eingesehen habe. Was Erwin Planck angeht, habe ich viel bei anderen Widerstandskämpfern recherchiert, von denen es zum Teil mehr Hinterlassenschaften gibt, wie Graf von Moltke, der mit ihm inhaftiert war. Über den Gefängnis
Pfarrer, der im Buch vorkommt, der für mich eine sehr beeindruckende historische Persönlichkeit ist und der Großes geleistet hat, gibt es auch mehrere Werke. Zudem hat mir geholfen, dass ich viele Jahre ehrenamtlich als Vollzugshelfer in der JVA Tegel gearbeitet habe. Darüber habe ich mein erstes Buch geschrieben, als ich einen Mörder betreut habe und daher diese Anstalt sehr gut kenne. Auch speziell das Hafthaus in dem Erwin Planck inhaftiert war. Was die Einsteins angeht, gibt es sehr viel an Sekundärliteratur und an Biografien. Außerdem habe ich noch einen Nachlass entdeckt, der Erwin und seine Frau Nelly betrifft.
Das Buch spielt im dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte. War es Ihnen ein Anliegen, einen Beitrag zur Erinnerungskultur an die NSZeit zu leiten?
SCHROEDER Definitiv. Es gibt viele Dinge, die in diesem Zusammenhang in Vergessenheit geraten. Ich wollte diese Geschichte erzählen, die in dieser Zeit spielt. Mir war es aber auch wichtig, ein Buch zu schreiben, das man trotz dieser schrecklichen Dinge lesen möchte, und in dem es auch amüsante Momente gibt. Dramatisch genug ist diese Geschichte sowieso. Das war für mich eine gro
ße Herausforderung als Autor. Wie schaffe ich das, in diesem Stoff auch leichte Momente unterzubringen. Nach denen habe ich sehr intensiv gesucht und war glücklich, wenn ich etwas gefunden habe, wie beispielsweise den Bier trinkenden Kater des Charité-Arztes Sauerbruch.
Sie gastieren am 13. Mai mit ihrem Buch in Saarlouis. Gibt es irgendetwas, was Sie mit dem Saarland verbinden?
SCHROEDER Es ist schade, dass ich nicht so häufig im Saarland bin. Ich hatte schon ein paar Lesungen im Saarland. Aus meinem ersten Buch habe ich im Justizministerium und der JVA Saarbrücken gelesen. Ich mag Saarbrücken und finde das Max-Ophüls-Festival, das ich einige Male besucht habe, spannend. Es ist so ziemlich die fernste Ecke Deutschlands von meinem Wohnort aus und ich freue mich sehr auf den Abend in Saarlouis.
Steffen Schroeder ist am Samstag, 19.30 Uhr, im Theater am Ring in Saarlouis zu Gast. Karten sind für 15 Euro (ermäßigt 12 Euro) unter www.ticket-regional.de erhältlich. www.erlesen-saarland.de