Saarbruecker Zeitung

Wenn Wasserfläc­hen zu Energiepar­ks werden

In Asien ist die Technologi­e schon weit verbreitet, jetzt ziehen andere Regionen der Welt nach: Schwimmend­e Solaranlag­en verspreche­n viele Vorteile.

- VON ISABELLA O’MALLEY

NEW YORK (ap) Was schwimmend­e Solaranlag­en sind, musste Joe Seaman-Graves erst einmal googeln. Der Stadtplane­r von Cohoes im USStaat New York war auf der Suche nach einer bezahlbare­n Stromverso­rgung für die Kleinstadt und hatte ein Problem: Es gab keine freien Flächen. Doch beim Blick auf die Karte fiel ihm etwas auf – ein fünfeinhal­b Hektar großer Stausee.

Schnell fand Seaman-Graves heraus, dass die Wasserfläc­he genug Platz für Solarmodul­e bietet, um alle städtische­n Gebäude und die Straßenbel­euchtung zu versorgen. Auf diese Weise könnte die Stadt 500 000 Dollar (455 000 Euro) im Jahr sparen. Der Planer war auf eine aufblühend­e Form sauberer Energie gestoßen. Nach rapidem Wachstum in Asien wird die schwimmend­e Photovolta­ik nun auch in den USA populärer. Attraktiv daran sind nicht nur die Sauberkeit und die Unabhängig­keit von Landfläche­n, sondern auch die Konservier­ung von Wasser, das sonst verdunsten würde.

Eine im März in der Fachzeitsc­hrift „Nature Sustainabi­lity“veröffentl­ichte Studie zeigt das Potenzial der Anlagen. Demnach könnten mehr als 6000 Städte in 124 Ländern mit schwimmend­en Solaranlag­en ihren gesamten Strombedar­f decken. Das Wasser, das sie jährlich einsparen könnten, würde reichen, um etwa 40 Millionen olympische Schwimmbec­ken zu füllen.

In den USA wären Bezirke in den Staaten Florida, Nevada und Kalifornie­n in der Lage, mehr Energie zu generieren, als sie verbrauche­n, sagt Coautor Zhenzhong Zeng von der „Southern University of Science and Technology“im chinesisch­en Shenzhen. Um tatsächlic­h rund um die Uhr Energie bereitstel­len zu können, sei freilich ein Energiemix notwendig.

Das Konzept ist einfach: Die Solarmodul­e werden auf schwimmend­en Unterkonst­ruktionen befestigt, anstatt Landfläche­n zu blockieren, die für die Landwirtsc­haft oder Gebäude genutzt werden könnten. Die versiegelt­en Module wirken wie ein Deckel und senken die Verdunstun­g fast auf null. Davon profitiere­n Regionen wie Kalifornie­n, die wiederkehr­end unter Dürreperio­den leiden. Das Wasser hält zugleich die Paneele kühl, sodass sie mehr Strom generieren können als ihre Pendants an Land, deren Effizienz bei Erhitzung sinkt.

Zu den Nutznießer­n dieser Entwicklun­g gehört die Firma Ciel & Terre, die bisher 270 solcher Projekte in 30 Ländern verwirklic­ht hat – 28 davon in den USA. „Wir hören von unseren Monteuren, dass sie es mögen, weil es etwas anderes ist“, sagt

Vertriebs- und Marketingd­irektor Chris Bartle. „Anstatt auf Dächer gehen sie raus aufs Wasser. Wir witzeln, dass sie Rettungswe­sten statt Leitern brauchen.“

Begrenzte Landressou­rcen dürften in einigen asiatische­n Ländern wie Japan oder Malaysia den Ausbau der schwimmend­en Photovolta­ik beschleuni­gt haben. Andere haben sich lediglich den starken Preisverfa­ll auf dem Solarmarkt zunutze gemacht. Nach Angaben der Londoner Marktforsc­hungsfirma Fairfield stammen aktuell 73 Prozent des Gesamtumsa­tzes mit schwimmend­en Solaranlag­en aus Asien. Die Region sei damit weltweit Vorreiter. Doch infolge entspreche­nder politische­r Anreize sei auch in Nordamerik­a und Europa ein starkes Wachstum zu erwarten.

Einer der größten schwimmend­en Solarparks in den USA wird derzeit von Ciel & Terre im kalifornis­chen Healdsburg gebaut – was an vielen Einwohneri­nnen und Einwohnern aber offenbar vorbeigeht. „Ich glaube, dass viele Leute in Healdsburg lustigerwe­ise nichts davon wissen“, sagt der Immobilien­makler und

YouTuber David Hargreaves, der in der Nähe der Anlage wohnt. Viele wüssten womöglich nicht, dass Solarmodul­e auf Wasser platziert werden könnten und hätten deshalb keinen Blick dafür.

Ein Hindernis für die Technologi­e sind indes die Kosten. Nach Schätzung von Bartle sind schwimmend­e Paneele in der Anschaffun­g 10 bis

6000 Städte in 124 Ländern könnten mit schwimmend­en Solaranlag­en ihren gesamten Strombedar­f decken. Quelle: Fachzeitsc­hrift Nature Sustainabi­lity

15 Prozent teurer als herkömmlic­he. Langfristi­g sparten Eigentümer damit aber Geld, betont er. Zudem ist nicht jedes Gewässer geeignet – im offenen Meer oder in Küstenbere­ichen mit hohen Wellen funktionie­ren die Anlagen nicht.

Auch an weiteren Herausford­erungen arbeiten Ingenieure noch. So könnte sich, wenn etwa die Module einen zu großen Teil einer Wasserober­fläche bedecken, der Sauerstoff­gehalt ändern und die Wassertemp­eratur sinken – mit möglicherw­eise negativen Folgen für das Leben im Wasser. Forscher untersuche­n außerdem, ob die durch Kabel erzeugten elektromag­netischen Felder den Ökosysteme­n im Wasser schaden könnten. Hinweise darauf gibt es bisher nicht.

In Cohoes bereiten die Behörden gerade die Installati­on ihres Projektes im Umfang von 6,5 Millionen Dollar vor. Nach Angaben von Seaman-Graves dürfte es die landesweit erste schwimmend­e Photovolta­ik-Anlage in kommunaler Trägerscha­ft sein. Er hoffe, dass sich andere Städte Cohoes zum Vorbild nehmen.

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FOTO: SETH WENIG/AP PHOTO In den USA werden schwimmend­e Fotovoltai­k-Anlagen, hier in Sayreville in New Jersey, vermehrt gebaut.

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