Wenn Wasserflächen zu Energieparks werden
In Asien ist die Technologie schon weit verbreitet, jetzt ziehen andere Regionen der Welt nach: Schwimmende Solaranlagen versprechen viele Vorteile.
NEW YORK (ap) Was schwimmende Solaranlagen sind, musste Joe Seaman-Graves erst einmal googeln. Der Stadtplaner von Cohoes im USStaat New York war auf der Suche nach einer bezahlbaren Stromversorgung für die Kleinstadt und hatte ein Problem: Es gab keine freien Flächen. Doch beim Blick auf die Karte fiel ihm etwas auf – ein fünfeinhalb Hektar großer Stausee.
Schnell fand Seaman-Graves heraus, dass die Wasserfläche genug Platz für Solarmodule bietet, um alle städtischen Gebäude und die Straßenbeleuchtung zu versorgen. Auf diese Weise könnte die Stadt 500 000 Dollar (455 000 Euro) im Jahr sparen. Der Planer war auf eine aufblühende Form sauberer Energie gestoßen. Nach rapidem Wachstum in Asien wird die schwimmende Photovoltaik nun auch in den USA populärer. Attraktiv daran sind nicht nur die Sauberkeit und die Unabhängigkeit von Landflächen, sondern auch die Konservierung von Wasser, das sonst verdunsten würde.
Eine im März in der Fachzeitschrift „Nature Sustainability“veröffentlichte Studie zeigt das Potenzial der Anlagen. Demnach könnten mehr als 6000 Städte in 124 Ländern mit schwimmenden Solaranlagen ihren gesamten Strombedarf decken. Das Wasser, das sie jährlich einsparen könnten, würde reichen, um etwa 40 Millionen olympische Schwimmbecken zu füllen.
In den USA wären Bezirke in den Staaten Florida, Nevada und Kalifornien in der Lage, mehr Energie zu generieren, als sie verbrauchen, sagt Coautor Zhenzhong Zeng von der „Southern University of Science and Technology“im chinesischen Shenzhen. Um tatsächlich rund um die Uhr Energie bereitstellen zu können, sei freilich ein Energiemix notwendig.
Das Konzept ist einfach: Die Solarmodule werden auf schwimmenden Unterkonstruktionen befestigt, anstatt Landflächen zu blockieren, die für die Landwirtschaft oder Gebäude genutzt werden könnten. Die versiegelten Module wirken wie ein Deckel und senken die Verdunstung fast auf null. Davon profitieren Regionen wie Kalifornien, die wiederkehrend unter Dürreperioden leiden. Das Wasser hält zugleich die Paneele kühl, sodass sie mehr Strom generieren können als ihre Pendants an Land, deren Effizienz bei Erhitzung sinkt.
Zu den Nutznießern dieser Entwicklung gehört die Firma Ciel & Terre, die bisher 270 solcher Projekte in 30 Ländern verwirklicht hat – 28 davon in den USA. „Wir hören von unseren Monteuren, dass sie es mögen, weil es etwas anderes ist“, sagt
Vertriebs- und Marketingdirektor Chris Bartle. „Anstatt auf Dächer gehen sie raus aufs Wasser. Wir witzeln, dass sie Rettungswesten statt Leitern brauchen.“
Begrenzte Landressourcen dürften in einigen asiatischen Ländern wie Japan oder Malaysia den Ausbau der schwimmenden Photovoltaik beschleunigt haben. Andere haben sich lediglich den starken Preisverfall auf dem Solarmarkt zunutze gemacht. Nach Angaben der Londoner Marktforschungsfirma Fairfield stammen aktuell 73 Prozent des Gesamtumsatzes mit schwimmenden Solaranlagen aus Asien. Die Region sei damit weltweit Vorreiter. Doch infolge entsprechender politischer Anreize sei auch in Nordamerika und Europa ein starkes Wachstum zu erwarten.
Einer der größten schwimmenden Solarparks in den USA wird derzeit von Ciel & Terre im kalifornischen Healdsburg gebaut – was an vielen Einwohnerinnen und Einwohnern aber offenbar vorbeigeht. „Ich glaube, dass viele Leute in Healdsburg lustigerweise nichts davon wissen“, sagt der Immobilienmakler und
YouTuber David Hargreaves, der in der Nähe der Anlage wohnt. Viele wüssten womöglich nicht, dass Solarmodule auf Wasser platziert werden könnten und hätten deshalb keinen Blick dafür.
Ein Hindernis für die Technologie sind indes die Kosten. Nach Schätzung von Bartle sind schwimmende Paneele in der Anschaffung 10 bis
6000 Städte in 124 Ländern könnten mit schwimmenden Solaranlagen ihren gesamten Strombedarf decken. Quelle: Fachzeitschrift Nature Sustainability
15 Prozent teurer als herkömmliche. Langfristig sparten Eigentümer damit aber Geld, betont er. Zudem ist nicht jedes Gewässer geeignet – im offenen Meer oder in Küstenbereichen mit hohen Wellen funktionieren die Anlagen nicht.
Auch an weiteren Herausforderungen arbeiten Ingenieure noch. So könnte sich, wenn etwa die Module einen zu großen Teil einer Wasseroberfläche bedecken, der Sauerstoffgehalt ändern und die Wassertemperatur sinken – mit möglicherweise negativen Folgen für das Leben im Wasser. Forscher untersuchen außerdem, ob die durch Kabel erzeugten elektromagnetischen Felder den Ökosystemen im Wasser schaden könnten. Hinweise darauf gibt es bisher nicht.
In Cohoes bereiten die Behörden gerade die Installation ihres Projektes im Umfang von 6,5 Millionen Dollar vor. Nach Angaben von Seaman-Graves dürfte es die landesweit erste schwimmende Photovoltaik-Anlage in kommunaler Trägerschaft sein. Er hoffe, dass sich andere Städte Cohoes zum Vorbild nehmen.