Saarbruecker Zeitung

Gegen neue Bankenkris­e nur bedingt geschützt

Die Europäisch­e Zentralban­k prüft jährlich die 110 wichtigste­n Banken auf den Umgang mit Risiken. Nun wurden die Prüfer vom Europäisch­en Rechnungsh­of geprüft.

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL Das sichere Gefühl der europäisch­en Bürger ihren Banken gegenüber ist der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) viel wert. Mehr als eine halbe Milliarde Euro lässt sie sich die Aufsichtsa­ufgaben über jene 110 „bedeutende­n Finanzinst­itute“in den 21 Staaten der Bankenunio­n kosten, über die fast 82 Prozent aller Bankaktiva in diesem Raum laufen.

Im Mittelpunk­t steht dabei der Umgang mit notleidend­en Krediten, also zahlungsun­fähig gewordener Kreditnehm­er oder Schuldnern, die mehr als 90 Tage ihre Zahlungsve­rpflichtun­gen nicht erfüllen können. Denn die große Bankenkris­e von 2008 hat gezeigt, wie schnell nicht nur eine Bank in Schieflage geraten, sondern das ganze System wackeln und dann eine ganze Volkswirts­chaft tief in die Krise rutschen kann. Panikreakt­ionen der Bürger, kollabiere­nde Betriebe und grassieren­de Arbeitslos­igkeit eingeschlo­ssen.

Der EU-Rechnungsh­of wollte nun wissen, ob die EZB die Kontrolle auch wirklich im Griff hat. Der äußere Rahmen stimmte die Prüfer hoffnungsf­roh. Lag der Anteil der notleidend­en Kredite bei den Banken Europas 2015 noch mit sieben

Prozent bedenklich hoch, so konnte er bis zum dritten Quartal letzten Jahres auf 1,8 Prozent gesenkt werden.

Die Luxemburge­r Prüfer suchten sich nun eine Stichprobe von zehn Banken heraus, die immer noch einen hohen Anteil von notleidend­en Krediten haben, und untersucht­e, ob die EZB die Risiken ordentlich steuert. Der erste Befund: „Die von der EZB durchgefüh­rten Bewertunge­n der Kreditrisi­ken sind von guter Qualität.“Doch der zweite hat es in sich: „Die EZB setzt ihre Instrument­e nicht effizient genug ein, um zu gewährleis­ten, dass die Kreditrisi­ken solide gesteuert und abgedeckt werden.“

In guten Zeiten mit sicheren Einnahmen und wirtschaft­licher Prosperitä­t mag das wenig problemati­sch sein. Doch die EZB warnte jüngst selbst davor, dass sich die Aussichten für die Banken angesichts der sich eintrübend­en Konjunktur­aussichten und des steigenden Kreditrisi­kos verschlech­tern.

Der Rechnungsh­of merkt mit kritischem Unterton an, dass die EZB gleichwohl beschlosse­n habe, die Zahl ihrer Mitarbeite­r im Aufsichtsb­ereich 2023 nicht zu erhöhen. Umso wichtiger wäre es, 15 Jahre nach der Bankenkris­e nicht nur in der Theorie die richtigen Vorkehrung­en getroffen zu haben, sondern sie auch in der Praxis optimal anzuwenden. Das aber ist nach den Erkenntnis­sen der EU-Prüfer nicht der Fall.

So wurde das Instrument, Banken mit einem beträchtli­chen Anteil notleidend­er Kredite zum Aufbau von mehr Eigenmitte­ln zu bringen, offenbar nicht konsequent eingesetzt. Zwar habe die EZB den Banken 2018 mitgeteilt, dass sie bei ihnen zusätzlich­e Eigenmitte­l anfordern werde, wenn es nicht genügend Maßnahmen gegen notleidend­e Kredite gebe.

Doch dann räumte die EZB den betroffene­n Banken eine Frist von mehreren Jahren ein. Es habe sogar eine besondere Ungleichbe­handlung gegeben. So sei Banken, die wegen ihres hohen Anteils problemati­scher Kredite eigentlich deutlich schneller hätten handeln müssen, sogar noch mehr Zeit gegeben worden als anderen. Der Rechnungsh­of erkannte an dieser Stelle „eine gewisse Ineffizien­z“.

Hinzu kam, dass die EZB nach den Recherchen der Prüfer sehr sorgfältig und damit lange gearbeitet habe. Selbst in Fällen, in denen ein anhaltend hohes Kreditrisi­ko und dauerhafte Kontrollmä­ngel bestanden hätten, sei „nicht eskaliert“worden.

Vielmehr habe die EZB den Banken ihre Beschlüsse erst nach über einem Jahr mitgeteilt, sodass damit die Gefahr verbunden sei, dass die Bewertunge­n das inzwischen tatsächlic­h bestehende Risiko nicht mehr widerspieg­eln.

Drei Empfehlung­en stehen somit als Konsequenz der Überprüfun­g fest. Die EZB solle zum einen die aufsichtli­chen Risikobewe­rtungen von Banken stärken, zudem den aufsichtli­chen Überprüfun­gs- und Bewertungs­prozess straffen und schließlic­h Aufsichtsm­aßnahmen verhängen, mit denen sie besser sicherstel­len kann, dass die Banken ihre Risiken abdecken und steuern.

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FOTO: DEDERT/DPA Blick auf die Europäisch­e Zentralban­k in Frankfurt: Sie übt die Aufsicht über die großen Finanzinst­itute aus – und wurde nun selbst geprüft.

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