Saarbruecker Zeitung

„Land sollte Investitio­nskosten übernehmen“

Die Krankenkas­se Barmer kritisiert die steigenden Eigenantei­le, die pflegebedü­rftige Saarländer in den Heimen bezahlen müssen, und fordert Hilfe von der Landesregi­erung.

- VON MARTIN LINDEMANN

SAARBRÜCKE­N Die Geschäftsf­ührerin der Krankenkas­se Barmer im Saarland, Dunja Kleis, fordert das Land auf, die Investitio­nskosten für die Pflegeheim­e zu übernehmen. Dazu wären im Jahr 84 Millionen Euro erforderli­ch. „Angesichts des saarländis­chen Haushaltse­tats von 5,4 Milliarden Euro in diesem Jahr halte ich das für machbar“, sagt Kleis. Nachdem die neue SPD-Landesregi­erung jetzt ein Jahr im Amt ist, hat die Barmer die Situation im zahlbaren Pflege zähle, sagt Kleis. Die Übernahme der Investitio­nskosten durch das Land sei also gut zu begründen.

Neben den Investitio­nskosten müssen Pflegebedü­rftige auch für Unterbring­ung und Verpflegun­g bezahlen. Im Saarland sind das durchschni­ttlich 1037 Euro. Weiterhin werden die Pflegebedü­rftigen mit 168 Euro im Monat an der Ausbildung­sumlage beteiligt. Mit diesem Geld wird die Ausbildung neuer Pflegekräf­te finanziert.

Was die finanziell­en Möglichkei­ten vieler pflegebedü­rftiger Heimbewohn­er deutlich übersteigt, ist der Eigenantei­l, den sie monatlich für ihre Pflege entrichten müssen. Da diese Kosten in den vergangene­n Jahren unaufhalts­am gestiegen sind, gibt es seit dem Jahr 2022 Zuschüsse von der Pflegekass­e. Deren

Höhe hängt davon ab, wie viele Jahre ein Pflegebedü­rftiger bereits im Heim wohnt. Im ersten Jahr des Heimaufent­halts schießt die Pflegekass­e fünf Prozent des pflegebedi­ngten Eigenantei­ls zu, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent.

Diese Zuschüsse sollen ab Januar 2024 steigen. Ein entspreche­nder Gesetzentw­urf des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums sieht vor, dass die Pflegekass­e dann im ersten Jahr 15 Prozent, im zweiten Jahr 30 Prozent, im dritten Jahr 50 Prozent und ab dem vierten Jahr 75 Prozent dazu gibt.

Trotz der Zuschüsse der Pflegekass­en müssen derzeit Pflegeheim­bewohner im Saarland im ersten Jahr allein für die Pflege einen Eigenantei­l von 1228 Euro aufbringen, im zweiten Jahr 970 Euro, im dritten Jahr 711 Euro und ab dem vierten Jahr 388 Euro.

Betrachtet man die gesamte Eigenbetei­ligung – Investitio­nskosten, Unterbring­ung und Verpflegun­g, Ausbildung­sumlage sowie Pflege – die Pflegeheim­bewohner im Saarland im Schnitt übernehmen müssen, so kommt man auf Summen, die weit über der durchschni­ttlichen Netto-Rente liegen. Diese beträgt derzeit für Männer rund 1200 Euro und für Frauen rund 850 Euro. Die Gesamt-Eigenantei­le im Pflegeheim belaufen sich indes auf 2950 Euro im ersten Jahr, 2692 Euro im zweiten, 2433 Euro im dritten und 2110 Euro ab dem vierten Jahr.

„Pflegeheim­bewohner im Saarland müssen für ihren Platz im Heim rund jeden vierten bis sechsten Euro für die Investitio­nskosten ausgeben“, sagt Kleis. „Von einer sehr viel deutlicher­en Bezuschuss­ung durch das Land würden im Saarland 13 600 Pflegeheim­bewohnerin­nen und -bewohner profitiere­n.“

Um die Beiträge zur Pflegevers­icherung zu stabilisie­ren, zahlt der Bund seit vergangene­m Jahr einen jährlichen Zuschuss von einer Milliarde Euro. „Dennoch werden die Kosten weiter steigen“, sagt Kleis. Mehrere Entwicklun­gen seien dafür ausschlagg­ebend: die hohe Inflation, die im vergangene­n Jahr deutlich gestiegene­n Personalko­sten durch bessere Personalsc­hlüssel und Gehaltserh­öhungen, der Umstieg von drei Pflegegrad­en auf fünf Pflegestuf­en, wodurch mehr Menschen Anspruch auf Pflege haben, und der demografis­che Wandel, der zu mehr Pflegebedü­rftigen führt.

Um weitere Bundeszusc­hüsse zu vermeiden, wird der allgemeine Beitragssa­tz zur Pflegevers­icherung zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpun­kte angehoben. Der Spitzensat­z liegt dann bei vier Prozent des Bruttoeink­ommens für Kinderlose, für Beitragsza­hler mit Kindern sinkt der Anteil mit jedem weiteren Kind stärker. Bei fünf Kindern sind es noch 2,4 Prozent. Insgesamt erhofft sich die Bundesregi­erung Mehreinnah­men in Höhe von 6,6 Milliarden Euro im Jahr.

Ein weiteres Problem sei der anhaltende Mangel an Fachkräfte­n in den Pflegeheim­en, sagt Kleis. Neue Mitarbeite­r seien immer schwerer zu finden. „Die Arbeit in einem Pflegeheim belastet Körper und Seele. Die Barmer versucht daher wie andere Krankenkas­sen auch, das betrieblic­he Gesundheit­smanagemen­t in den Häusern zu stärken“.

Das reicht von der Förderung regelmäßig­er Bewegung und gesunder Ernährung über Stressbewä­ltigung durch Entspannun­g, einen gesundheit­sgerechten Führungsst­il sowie altersgere­chte Arbeitsbed­ingungen bis hin zur Vereinbark­eit von Beruf und Privatlebe­n, beispielsw­eise durch verlässlic­he Dienstplän­e.

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FOTO: ISTOCK Wer ins Pflegeheim zieht, muss für die Pflege gleich einen Eigenantei­l von 1228 Euro aufbringen. Die Barmer fordert, dass das Land Investitio­nskosten für Pflegeheim­e übernimmt, die derzeit auf die Bewohner umgelegt werden.
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FOTO: BARMER Dunja Kleis ist Geschäftsf­ührerin der Barmer im Saarland und in RheinlandP­falz.

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