„Beuys trage ich selbstverständlich in mir“
Die Schriftstellerin und Malerin spricht über ihren neuen Roman „ Anna“und über die Arbeit als Künstlerin.
HOMBURG Im Rahmen des Festivals „Erlesen“ist Claudia Birkheuer am Montag, 15. Mai, in Homburg zu Gast. Ab 19 Uhr stellt sie in der „Galerie m Beck“ihr neues Werk „Anna“vor. In dem Roman will die gleichnamige Titelfigur Künstlerin werden, doch ihre Mutter hat ganz andere Vorstellungen. Unterstützung erhält Anna indes von Heiner Walther. Sie geht ihren eigenen Weg, der mitunter steinig ist.
Was zeichnet die namensgebende Figur des Romans aus?
BIRKHEUER Anna ist ja durch die Mutter ziemlich eingeschränkt. Diese ist Kneipenwirtin und Anna möchte Künstlerin werden – und das verbietet ihre Mutter. Sie zwingt Anna zu einer Kochlehre. Aber Anna hat einen unglaublichen Mut und eine unglaubliche Widerstandskraft. Ihren Traum, Künstlerin zu werden, setzt sie um.
Heiner Walther ermutigt Anna bei der Umsetzung ihres Traums. Was ist er für sie? Ein Mentor? Ein Ziehvater?
BIRKHEUER Anna wächst ja ohne Vater auf und er ist ihre einzige männliche und auch von der Mutter akzeptierte Bezugsperson. Er ist ein bisschen Großvater-Ersatz. Und natürlich ein Mentor, denn er unterstützt das
Kind und sagt, dass sie hervorragend zeichnen kann. Er behauptet auch, dass sie fast wie Leonardo da Vinci zeichnet. Das ist ein bisschen übertrieben, aber er will dem Kind Mut machen. Und das ist ein ganz wesentlicher Punkt im Roman. Heiner kommt immer wieder darin vor. Er unterstützt Anna und gibt ihr den Mut, dass das, was sie da zeichnet, auch wirklich gut ist.
Sowohl das Buch als auch ein Gemälde von Ihnen heißen „Anna“. Hat das Gemälde das Buch inspiriert oder wie kam es dazu?
BIRKHEUER Es war so, dass ich zuerst den Titel hatte und hinterher das Gemälde gemacht habe. Davon habe ich drei Versionen gemalt. Und eine davon hat der Verlag genommen. In allen meinen Romanen male ich das Cover immer selbst. Das ist ja logisch, ich bin Malerin ... (lacht)
Der Titel von Lesung und Roman lautet wie bereits erwähnt „Anna“. Verbindet Sie etwas Spezielles mit diesem Vornamen?
BIRKHEUER Anna ist ein sehr kurzer Name, was auch titelmäßig gut geeignet ist. Und ich finde, es ist ein sehr liebevoller Name. Es ist ein biblischer Name, die Mutter von Maria hieß ja auch Anna. Und so ein bisschen hat Anna auch etwas Durchsetzungsstarkes, etwas Mutiges an sich. Eine
Freundin von mir heißt Anna. Vielleicht hat mich das unbewusst inspiriert. Man darf ja nicht vergessen, wie viel Unbewusstes mitschwingt, wenn man schreibt.
Ein sehr bekannter Name, der im Roman vorkommt, ist Joseph Beuys. Was verbinden Sie mit diesem Künstler?
BIRKHEUER (lacht) Ich bin Düsseldorferin und Jahrgang 1955. Joseph Beuys war damals Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf und ich bin auf vielen Ausstellungen von ihm gewesen. An eine Szene denke ich noch heute. Da hat er in einer Galerie im Schaufenster gesessen und einem toten Hasen die Kunst erklärt. Die ganzen Leute standen draußen und er saß im Schaufenster und hatte echt einen toten Hasen in der Hand. Beuys trage ich selbstverständlich in mir.
Annas Wunsch, Künstlerin zu werden, wird von ihrer Mutter anfangs missbilligt. Ist das ein Kommentar zur fehlenden Anerkennung der Kunst durch unsere Gesellschaft?
BIRKHEUER Ja. Ich habe mal ein Marketingseminar mitgemacht, bei dem die Referentin uns als Malenden erklärt hat, dass das Einkommen eines bildenden Künstlers im Monat 235 Euro betrage – das Durchschnittseinkommen, wohlgemerkt. Da wird einem nicht gerade Mut gemacht, Künstlerin zu werden. Und in der Tat ist es ja so: Nur ein geringer Prozentsatz von Künstlern wird berühmt. Die anderen malen, verkaufen ab und zu mal etwas und nehmen an Galerien teil. Aber es ist schwierig, eine Galerie zu finden. Das steht auch in meinem Roman. Man muss diese Beziehungen hegen und pflegen und einen Galeristen finden, der die eigene Kunst gut findet. Das ist ein schwieriger Prozess.
Die Hauptfiguren in Ihren Romanen sind bislang Malerinnen beziehungsweise malende Katzen gewesen. Sie selbst sind ebenfalls Malerin. Wie viel von Anna steckt in Claudia Birkheuer?
BIRKHEUER Ich bin jetzt nicht in einer Kneipe groß geworden (lacht), aber die ganzen Erfahrungen, die Anna erlebt, habe ich natürlich auch erlebt. An den Orten, die ich beschreibe, bin ich selbst gewesen. Ich habe an der Art Monaco teilgenommen, ich habe bei der großen Barcelona-Messe ausgestellt, auch in Florenz. Das heißt, ich habe die Orte als Künstlerin selbst besucht. Deswegen schwingt die Erfahrung, die ich gemacht habe, in diesem Roman mit.
Fuerteventura spielt in Annas Leben eine zentrale Rolle. Warum haben Sie sich gerade für diese Insel als Schauplatz entscheiden?
BIRKHEUER Auch da greife ich auf Erfahrungen zurück, denn seit 20 Jahren fliegen mein Mann und ich mindestens einmal im Jahr nach Fuerteventura. Und es kommt auch das Hotel Tres Islas im Roman vor, denn das ist unser Hotel. Ich wollte natürlich auch, dass Anna so weit weg wie möglich von der Mutter kommt, die den Zugriff zu ihr nicht mehr haben soll. Da habe ich mir gedacht: Fuerteventura? Das ist die Insel, die ich kenne und die ich erkundet habe. Außer die Finca Sullivan – die ist erfunden. Aber zum Beispiel, wenn Anna nach Betancuria fährt, dann sind das Orte, die ich persönlich kenne. Und man sagt immer: „Schreibe nie über irgendetwas, was du nie gesehen hast.“
Was ist denn ihre übliche Herangehensweise? Was inspiriert Sie?
BIRKHEUER Ich bin eine ausgebildete Journalistin. Und die Inspiration ist für mich die Welt. Nina Ruge hat einen sehr schönen Satz geprägt, den ich mir zu eigen gemacht habe: „Das Wichtigste im Leben ist der Schritt aus der Tür.“Das heißt, in dem Moment, wo du rausgehst, erfährst du etwas und nimmst etwas auf. Man verarbeitet das, was man gesehen hat. Zur Herangehensweise: Ich habe am Anfang eine Idee. Und dann entwickele ich Personen, deren Namen ich erfinde. Dann mache ich ein Storyboard und schreibe die Persönlichkeitsmerkmale der jeweiligen Personen auf, damit ich mir deren Persönlichkeiten beim Schreiben bewusst mache. Also eine strategische Herangehensweise.
Sie sind sowohl Malerin als auch Schriftstellerin. Wie unterscheidet sich die Arbeitsweise?
BIRKHEUER Ich habe eine ganz klare Vorstellung von dem Bild, das ich malen werde. Ich male Bildgeschichten sowie Geschichten über Menschen. Dabei ist es wichtig, die Struktur zu kennen. Ich habe die Idee eines Bildes und sehe etwas. Und so gehe ich auch an die Literatur heran. Ich habe eine Idee und die wird strategisch verfolgt.
Alle Termine und weitere Informationen zum Literaturfestival „Erlesen“gibt es im Internet.