Zwei starke Leistungen, aber keine Punkte
Deutsche Eishockeyspieler unterliegen Schweden und Finnland knapp. Heute gegen die USA droht schlechtester WM-Start seit dem Abstieg 2005.
TAMPERE (sid) Am Morgen danach konnte Harold Kreis wieder lachen. Erst recht, als er nach Leon Draisaitl gefragt wurde. Wie hoch denn die Wahrscheinlichkeit sei, dass der NHL-Superstar doch noch zur Eishockey-WM komme? „Tut mit leid, das kann ich wirklich nicht beantworten“, sagte der Bundestrainer mit breitem Grinsen und wandte sich dem Naheliegenden zu. Nach dem Null-Punkte-Start in Tampere war ihm vor allem wichtig: „Der Frust war gestern, heute wird nach vorne geschaut.“
Vor dem Training in der Halle im Keller der Nokia Arena hatten seine Spieler die Auftaktniederlagen gegen die Titelaspiranten Schweden und Finnland mit dem Sportpsychologen Tom Kossak aufgearbeitet – und zumindest mental den Weg nach oben gefunden. „Es hilft uns sehr, er gibt gute Ratschläge“, berichtete Kapitän Moritz Müller und ergänzte: „Das Mentale ist mit der größte Teil im Sport.“
Denn der Druck nimmt zu: Nach dem 0:1 gegen Schweden und dem 3:4 gegen Finnland wartet an diesem Montag (15.20 Uhr MESZ/Sport1 und MagentaSport) mit den USA der vermeintlich stärkste Gegner – und es droht der schlechteste WM-Start seit dem Abstieg 2005. Verhindern soll das auch AHL-Verteidiger Leon Gawanke, der am Sonntagmittag in Finnland landete und Abwehr und Powerplay verstärken soll.
Der andere Leon, der mit den Edmonton Oilers in den NHL-Playoffs vor dem Aus steht, könnte aber auch noch ins WM-Geschehen eingreifen. Er werde sofort bei Draisaitl „anfragen, wie es bei ihm aussieht“, kündigte DEB-Sportdirektor Christian Künast am Sonntag an, „er würde immer gerne für Deutschland spielen, kann aber nicht sagen: Um 23.00 Uhr bin ich fertig, jetzt steig‘ ich in den Flieger zur WM.“Die Versicherungsfrage sei geklärt, ein paar
Tage Wartezeit wären zu verschmerzen, „Leon Draisaitl würde sich auch für ein Spiel lohnen.“
Am Samstagabend war der Frust noch groß gewesen. „In 24 Stunden zwei gute Spiele gemacht zu haben und dann mit null Punkten dazustehen, ist sehr bitter“, meinte Torschütze Marcel Noebels, der nach 77:45 Minuten die deutsche WM-Torflaute beendet hatte. Und auch NHL-Profi Nico Sturm, der im zweiten Drittel gegen Titelverteidiger Finnland das mögliche 3:1 auf dem Schläger hatte, haderte: „Wir haben wieder super gespielt, waren mehr als ebenbürtig, hätten Punkte verdient gehabt, das ist schon bitter jetzt.“
Wie Kapitän Müller in der Schlussphase traf auch der Stanley-CupSieger nur das Torgestänge. „Ich weiß nicht, was wir großartig anders machen sollen“, sagte Sturm ein wenig ratlos: „Wir haben drei Tore geschossen gegen ein super defensives Team. Am Ende hat‘s leider nicht gereicht.“Dennoch gab es viel Positives. Nach Noebels’ Tor (18.) trafen auch AHL-Verteidiger Kai Wissmann (33.) und NHL-Rookie John-Jason Peterka (40.), im siebten Versuch zum ersten Mal in Überzahl. Und ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Auftaktpleiten gegen Finnland und Schweden kein schlechtes Omen sein müssen: Bei Olympia 2018 folgten vier Siege und der sensationelle Einzug ins Endspiel.
Die USA haben sich derweil warmgeschossen fürs Duell mit Deutschland. Die Amerikaner, die zum Auftakt Titelverteidiger Finnland mit 4:1 entzaubert hatten, fegten am Sonntag in Tampere Aufsteiger Ungarn mit 7:1 vom Eis und gehen als Tabellenführer der Gruppe A ins Spiel.