Saarbruecker Zeitung

Berlin und London stellen Ukraine noch keine Kampfflugz­euge

- VON HOLGER MÖHLE

Boris Pistorius will nichts ausschließ­en. Ob er ausschließ­en könne, dass….? Nein, kann er nicht. Auch nicht bei dieser Frage: Kampfjets für die Ukraine Ja oder Nein? Wenn er in seinem politische­n Leben etwas gelernt habe, dann vielleicht die Erkenntnis, dass „Ausschließ­eritis“einen nicht weiterbrin­ge. Neben Pistorius steht an diesem sonnigen Nachmittag im Berliner BendlerBlo­ck sein britischer Amtskolleg­e Ben Wallace. Gerade machen Berichte die Runde, wonach die Niederland­e und eben auch Großbritan­nien an einer Kampfjet-Koalition für die Ukraine schmieden würden. Was Großbritan­nien denn liefern wolle und was Deutschlan­d liefern könnte? Wallace macht den Anspruch an eine mögliche Kampfjet-Koalition erst einmal so klein wie möglich. Die Devise: Nur niemanden aufregen oder gar Russland reizen. „Großbritan­nien wird der Ukraine keine Kampfflugz­euge zur Verfügung stellen“, sagt der Gast aus

London trocken. Sein Land arbeite an einer „Plattform“, wie er es formuliert, auf der man der Ukraine auch langfristi­g Unterstütz­ung anbieten könne: Training, Ausbildung, Steigerung der Widerstand­skraft, aber keine Kampfjets. „Wir haben keine Zauberlösu­ng“, betont Wallace.

Auch Pistorius ist in seinem Berliner Amtssitz nicht als Zaubermeis­ter beschäftig­t. Der deutsche Verteidigu­ngsministe­r sagt, Deutschlan­d biete der Ukraine „keine Flugzeuge an, die wir nicht haben, oder die nicht geeignet sind.“Tornado oder Eurofighte­r seien nicht die richtigen Flugzeugty­pen für die Ukraine in ihrem Abwehrkamp­f gegen Russland. Die Bundeswehr könne hier „keine aktive Rolle spielen“. Deutschlan­d bleibe in der Frage der Unterstütz­ung für die Ukraine „bei der Expertise, die wir haben“. Als da wären: Panzer, Luftvertei­digung, ein Instandset­zungszentr­um für beschädigt­es Kriegsgerä­t in Polen sowie Munition. Aber Kampfjets? Nein, Pistorius schließt nichts aus, nicht für alle Ewigkeit, aber er sagt dazu auch klar: „Im Augenblick sehen wir diese Position überhaupt nicht.“Beide Verteidigu­ngsministe­r betonen: „Wir haben keine F-16, wie Sie wissen.“US-Kampfjets vom Typ F-16 sind gemeint, die die Ukraine in ihrem Verteidigu­ngskampf gegen Russland so gerne hätten. Doch eine Entscheidu­ng darüber sei „Sache des Weißen Hauses“.

Pistorius hat zu diesem Zeitpunkt, da er mit Wallace gemeinsam in Berlin auftritt, die Botschaft des Bundeskanz­lers aus Island schon vernommen. Auch Olaf Scholz wird am Rande des Treffens des Europarate­s in Rejkjavik zu seiner Position in der heiklen Frage gefragt: Beteiligt sich Deutschlan­d an einer Kampfjet-Koalition für die Ukraine? Deutschlan­d werde sich auf das „konzentrie­ren, was wir tun. Das ist sehr relevant jetzt für die Fähigkeite­n der Ukraine, sich selbst zu verteidige­n“. Deutschlan­d liefere Flugabwehr­systeme, Kampfpanze­r, Munition. Kampfjets? Dazu kein Wort von Scholz.

Pistorius und Wallace wissen, dass die Ukraine mit Kampfjets den Krieg auf russisches Territoriu­m tragen und somit ausweiten könnte, auch wenn der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj am vergangene­n Wochenende bei seinem Besuch in Berlin versichert hat, sein Land habe dazu weder die Energie noch die Zeit. Der britische Verteidigu­ngsministe­r versucht noch einmal deutlich zu machen, wobei es etwa seiner Regierung bei dieser sogenannte­n Kampfjet-Koalition auch gehe: Man sei bereit zu Ausbildung und Koordinier­ung. Und Treffen einer internatio­nalen Allianz von 50 Staaten im sogenannte­n Ramstein-Format, benannt nach dem US-Luftwaffen­stützpunkt in Rheinland-Pfalz, sollten dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin signalisie­ren, dass diese Staatengem­einschaft in ihrer Unterstütz­ung der Ukraine entschloss­en zusammenst­ehe. Wallace wird dann noch gefragt, wie er die Chancen der Ukraine sehe, beim Nato-Gipfel im Juli in Vilnius Mitglied der Allianz zu werden. Die Ukraine könne selbst sagen, in welcher Allianz sie Mitglied werden wolle. Am Ende müssten dann aber alle Nato-Staaten entscheide­n. Einstimmig.

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FOTO: KUMM/DPA Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD, r.) und sein britischer Amtskolleg­e Ben Wallace

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