Saarbruecker Zeitung

Online-Shopping könnte bald teurer werden

Bislang müssen Verbrauche­r nur selten Zoll bezahlen, wenn der Wert des Online-Einkaufs aus einem Nicht-EU-Staat unter 150 Euro liegt. Mit der EU-Zollreform ändert sich das nun.

- VON KATRIN PRIBYL Produktion dieser Seite: Markus Renz, Annkathrin Allgöwer

Die Shoppingto­ur im Internet ist buchstäbli­ch grenzenlos. Ob Plastikspi­elzeug, japanische Messer oder günstige Luxustasch­en – der Online-Handel macht es den Verbrauche­rn möglich, mit wenigen Klicks auf der ganzen Welt einzukaufe­n. Und wenn das Produkt den Wert von 150 Euro nicht übersteigt, fallen nicht einmal Zollgebühr­en an. Bis jetzt. Denn Bestellung­en aus Ländern außerhalb der EU könnten bald teurer werden. Am Mittwoch stellte die EU-Kommission ihren Vorschlag einer Reform des sogenannte­n Zollkodex vor.

Demnach sollen ab Anfang 2028 für Pakete mit „Waren von geringem Wert“, also Sendungen unter 150 Euro, Gebühren anfallen. Brüssel will die Praxis vieler Online-Händler unterbinde­n, Lieferunge­n in Einzelsend­ungen zu stückeln, um die Waren nicht deklariere­n zu müssen. „Bis zu 65 Prozent dieser Pakete, die in die EU gelangen, werden derzeit unterbewer­tet, damit sie bei der

Einfuhr keine Zölle zahlen müssen“, sagte der EU-Wirtschaft­skommissar Paolo Gentiloni. Die Behörde rechnet damit, durch die neue Regelung für den E-Handel zusätzlich­e Einnahmen von einer Milliarde Euro pro Jahr zu verzeichne­n. „Wir sorgen für die dringend benötigte Klarheit und Transparen­z bei der zollrechtl­ichen Behandlung des elektronis­chen Handels“, so Gentiloni.

Mit der „umfassends­ten Reform der EU-Zollunion seit deren Gründung im Jahr 1968“will man den gestiegene­n Druck auf die Zollbehörd­en mildern. Außerdem sollen vor allem Portale wie Amazon, Alibaba oder Zalando dafür sorgen, dass Zölle und Mehrwertst­euer beim Kauf gezahlt werden, damit Kunden nicht mehr von versteckte­n Gebühren oder unerwartet­em Papierkram überrascht werden, wenn sie das Paket entgegenne­hmen. „Immer mehr Produkte, die nicht unseren Standards entspreche­n, kommen einzeln verpackt aus Drittstaat­en direkt an die Haustür europäisch­er Verbrauche­r“, kritisiert­e die GrünenEuro­paabgeordn­ete Anna Cavazzini. Kontrollen auf Sicherheit oder giftige Chemikalie­n seien hier „faktisch ausgeschlo­ssen“, was sowohl die Verbrauche­r gefährde als auch den fairen Wettbewerb zwischen europäisch­en Unternehme­n und Firmen in Drittstaat­en.

Im Zentrum der Reform, über die im nächsten Schritt das Europäisch­e Parlament und die Mitgliedst­aaten verhandeln müssen, steht die Errichtung einer EU-weiten Zollbehörd­e. Sie soll die eigenständ­igen Systeme der Länder schrittwei­se durch ein zentralisi­ertes ersetzen und eine neue EU-Zolldatenp­lattform überwachen. Unternehme­n, die Waren in die EU importiere­n, würden dann alle Informatio­nen über ihre Produkte, Lieferkett­en und den Warenverke­hr in eine einzige Online-Umgebung einspeisen, damit die Behörden einen vollständi­gen Überblick erhalten. Die Plattform soll die 111 nationalen IT-Systeme ersetzen, die laut Gentiloni derzeit in Betrieb sind.

Aktuell gleiche das europäisch­e Zollsystem einem „Flickentep­pich“, so Cavazzini. „Daten sind nicht einheitlic­h und von schlechter Qualität und es gibt keine angemessen­e Risikoanal­yse, die auf den Erfahrunge­n aller 27 Mitgliedst­aaten beruht.“Das Problem: Wenn beispielsw­eise Portugal eine Lieferung von Spielzeug mit verbotenen Chemikalie­n identifizi­ert und blockiert, sei Deutschlan­d bisher nicht in der Lage, diese Informatio­nen auch systematis­ch zu nutzen. Die hiesigen Behörden bekommen oft nicht einmal davon mit, sodass Sendungen von derselben Firma durch deutsche Häfen in die EU gelangen können, während die Produkte in einem anderen Land aus dem Verkehr gezogen werden.

Von Seiten der Deutschen Industrie- und Handelskam­mer (DIHK) kam derweil Kritik. Deren Außenwirts­chaftschef Volker Treier sagte, für die Wettbewerb­sfähigkeit deutscher und europäisch­er Unternehme­n sei eine effiziente und möglichst reibungslo­se Abfertigun­g internatio­naler Warenström­e durch die Zollverwal­tungen der EU-Mitgliedst­aaten eine entscheide­nde Größe. „Daher wäre eine praxisnahe EU-Zollreform mit Fokus auf Bürokratie­abbau und Digitalisi­erung für die auslandsak­tiven Betriebe von großer Bedeutung“, so Treier. „Leider ist davon in der EUZollrefo­rm nicht viel zu sehen.“

„Immer mehr Produkte, die nicht unseren Standards entspreche­n, kommen einzeln verpackt aus Drittstaat­en direkt an die Haustür europäisch­er Verbrauche­r.“Anna Cavazzini Grünen-Europaabge­ordnete

 ?? FOTO: JENS BÜTTNER/DPA ?? Die EU-Kommission reformiert den Zollkodex – das wirkt sich auf den OnlineHand­el aus.
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Die EU-Kommission reformiert den Zollkodex – das wirkt sich auf den OnlineHand­el aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany