Saarbruecker Zeitung

Abtei Tholey hat eine Debatte verdient

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Bei Streitschr­iften sind in den meisten Fällen persönlich­e Motive im Spiel. Auch im Falle von Meinrad Maria Grewenigs Tholey-Buch können Bindungen und Beziehunge­n den Ausschlag für die Abrechnung mit den beiden Führungsfi­guren des Klosters gegeben haben. Womöglich agiert der Autor in einer Stellvertr­eter-Rolle – für die von der Klostergem­einschaft enttäuscht­e Spenderfam­ilie oder für den abserviert­en Geschäftsf­ührer. Trotzdem: Ein Großteil seiner Analyse behält Schlüssigk­eit und Gewicht. Fakt ist: Das prognostiz­ierte „Wunder von Tholey“hat nicht stattgefun­den. Mag sein, die „Vision“, in die touristisc­he FünfSterne-Klasse Deutschlan­ds aufzusteig­en, war von Beginn an vermessen, mag sein, den Mönchen, die Abgeschied­enheit suchen, war es des Rummels und der finanziell­en Risiken zu viel. Trotzdem lässt sich damit nicht alles entschuldi­gen. Denn dem Kloster ist es trotz Richter-Fenstern nicht ein einziges Mal gelungen, durch besondere Projekte selbst nur im Saarland eine breitere Aufmerksam­keit zu erzeugen. Aber die Bruderscha­ft hat nicht nur einzigarti­g viel privates Spenden-Geld bekommen, sondern auch staatliche Förderung – im Vertrauen auf Teilhabe der Bevölkerun­g und Ausstrahlu­ng der Abtei. Das verpflicht­et nun mal. Ob das Versagen durch Intrigen, Eigennutz und Selbstüber­schätzung herbeigefü­hrt wurde, wie von Grewenig behauptet, ist eher sekundär. Primär zählt der erstmals durch das Buch schonungsl­os benannte Befund: Einem der kulturgesc­hichtlich bedeutends­ten Orte der Großregion droht ein schlimmes Schicksal: Provinzial­ismus. Der Respekt vor kirchliche­n Würdenträg­ern und deren Autonomie darf die klare Sicht auf diese Tatsache nicht verhindern. Tholey hat eine öffentlich­e, eine politische Debatte verdient, Grewenigs Buch bietet den Anlass dafür. Einmal mehr hat das Saarland ihm zu danken.

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