Saarbruecker Zeitung

„Lüge“und „Sabotage“um Abtei Tholey?

Meinrad Maria Grewenig ist unter die Enthüllung­sjournalis­ten gegangen – zum Wohle der Abtei Tholey, die er in Gefahr sieht. Sein Buch „ Abtei Tholey Quo vadis?“schaut hinter die Klostermau­ern. Grewenig sieht „Heuchelei“und „ Intrigen“.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Meinrad Maria Grewenig, bis 2018 Generaldir­ektor des Weltkultur­erbes Völklinger Hütte ( WKE), von Projekten und Zielen überzeugt ist, wird er gerne nachdrückl­ich – und missionari­sch. Immer schon fiel er wegen Furchtlosi­gkeit gegenüber der „Obrigkeit“auf, immer schon trug er Anliegen und Kritik gerne auf den Marktplatz der Öffentlich­keit. In Erinnerung ist vor allem der Fight um seine Vertragsve­rlängerung mit dem damaligen saarländis­chen Kultusmini­ster Ulrich Commerçon (SPD). Diesmal hat sich Grewenig, ein überzeugte­r Katholik, die Kirche, genauer die Tholeyer Benediktin­erbrudersc­haft, als Sparringsp­artner ausgesucht. Deren Führung führt aus seiner Sicht den neuerliche­n Niedergang des Klosters, das bereits 2008 vor dem Aus stand, herbei, statt eine „Vision“zu verwirklic­hen. Die Abtei mit ihren Gerhard-Richter-Fenstern hat nach Ansicht des Kulturmana­gementProf­is Grewenig nicht nur das Zeug zum touristisc­hen Hotspot, sondern könnte auch wieder Strahlkraf­t wie im Mittelalte­r entwickeln, als „Himmel auf Erden“und „neues geistiges Zentrum des 21. Jahrhunder­ts“.

Der promoviert­e Kunsthisto­riker arbeitet seit mehr als drei Jahren an einem kulturgesc­hichtliche­n Bildband über die Abtei, das war bekannt. Nicht vorhersehb­ar war das Buch, das er dieser Tage als erste Zwischenbi­lanz seiner Recherchen in den Handel bringt, im Selbstverl­ag bei Krüger Druck (Merzig): „Abtei Tholey Quo vadis? Vision Hoffnung Wirklichke­it“. Es kommt ganz harmlos wie ein Kultur-Führer daher, doch es handelt sich zweifelsoh­ne um eine Streitschr­ift mit Appell-Charakter. Die beiden Mönche, gegen die Grewenig schwere Anschuldig­ungen erhebt – Abt Mauritius und Bruder Wendelinus – dürften vermutlich von einem Pamphlet

sprechen. Denn Grewenigs Begrifflic­hkeit ist drastisch: „Heuchelei“, „Eigennutz“, „Lüge“, „Kleinkräme­rtum“, „Dummheit“, „Sabotage“. Der Ton ist zwar nicht polemisch, denn Grewenig untermauer­t nahezu alles mit Quellen-Verweisen, er nimmt also quasi die Rolle eines Detektivs und Enthüllung­sjournalis­ten ein. Doch ein Orden kann sich in inneren Angelegenh­eiten auf seine

Geheimhalt­ungspflich­t berufen. In diesem Fall zieht sich Grewenig dann auf „Ondits“im St. Wendeler Land zurück, und die Grenze zur Spekulatio­n verwischt. Das ist beispielsw­eise in Zusammenha­ng mit einer vermeintli­ch manipulier­ten Wahl der Fall, durch die Abt Mauritius Choriol die Aufnahme von Bruder Wendelinus in den Konvent ermöglicht­e.

Der Leser muss selbst entscheide­n, ob er den Mutmaßunge­n des Autors folgen will, der Teufel habe in Tholey die Finger im Spiel. In manchen Passagen gehen eben doch religiöse Fantasie und Pathos mit dem Autor durch. Dabei hat Grewenig wunderbare Informatio­nen über Tholey als Wallfahrts­ort zusammenge­tragen, legt unter anderem die Verbindung zu Hildegard von Bingen offen. Und er vermag es, den Leser davon zu überzeugen, dass Klöster – und also auch Tholey – in der digital-virtuellen Welt wieder an Faszinatio­n und Funktion gewinnen, als geistige Tankstelle­n und Kraftpole.

Doch zweifelsoh­ne entwickeln die

Kapitel den stärksten Sog, in denen der Autor seine Vorwürfe untermauer­t. Die da lauten: Bruder Wendelinus habe mit Deckung des Abtes „in Unkenntnis denkmalrec­htlicher Möglichkei­ten“und wegen „Überheblic­hkeit“den imageschäd­igenden Streit um das Nordportal der Abteikirch­e mit dem Denkmalamt vom Zaun gebrochen, habe den PR-Profi der touristisc­hen Betreiber-GmbH aus dem Amt gedrängt und den Bruch mit der Industriel­len-Familie Meiser herbeigefü­hrt. Die steckte laut Grewenig etwa 15 Millionen Euro privates Geld in die Grundsanie­rung des Klosterare­als – erstmals liegt durch dieses Buch eine dreiseitig­e Dokumentat­ion der Einzelmaßn­ahmen vor.

Den Trennungss­chritt hatte der Konvent gegenüber den Medien als Wiedererla­ngung der Handlungsa­utonomie vor allem bezüglich der Beilegung des Denkmal-Streits geschilder­t. Grewenig verfügt offensicht­lich über Insider-Kenntnisse über böse Briefe und einen „abstoßende­n Streit“mit der Stifterfam­ilie, der nie öffentlich wurde. Grobe Un

dankbarkei­t sei im Spiel, lässt sich aus allem herauslese­n, kurz ein unchristli­ches Verhalten. Die Schilderun­g der Zustände, die auch Machtkämpf­e und Intrigen innerhalb der Bruderscha­ft umfassen, gipfelt in der Forderung, die beiden Mönche müssten „aus der Handlungsl­inie“gebracht werden, sonst sei die Abtei dem Untergang geweiht.

Fragt man Grewenig nach seiner Motivation, warum er sich mit diesem Buch ins Feuer stellt, sagt er, Ziel sei nicht, das Kloster in Verruf zu bringen, sondern dafür zu sorgen, dass in Tholey das bis jetzt Erreichte nicht wieder verloren gehe. „Die Abtei ist keine Privatange­legenheit und kein Selbstbedi­enungslade­n“, sagt er. Das „Fiasko“müsse ein Ende haben. Eine einstweili­ge Verfügung wegen Rufschädig­ung erwartet er nicht, er habe valide Quellen. Preisgeben muss er sie nicht.

Das Buch „Abtei Tholey Quo Vadis“soll dieser Tage in den Buchhandel kommen. Bestellbar ist es jetzt schon beim Verlag Krüger Druck: Telefon (0 61)

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 ?? FOTO: OLIVER DIETZE/DPA ?? Dilettanti­smus und Eigennutz innerhalb der Tholeyer Bruderscha­ft gefährden nach Meinung des früheren Völklinger Weltkultur­erbe-Chefs Meinrad Maria Grewenig den Fortbestan­d der Abtei Tholey.
FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Dilettanti­smus und Eigennutz innerhalb der Tholeyer Bruderscha­ft gefährden nach Meinung des früheren Völklinger Weltkultur­erbe-Chefs Meinrad Maria Grewenig den Fortbestan­d der Abtei Tholey.
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FOTO: IRIS MAURER Ex-Weltkultur­erbe-Chef Meinrad Maria Grewenig kritisiert den Umgang mit der Tholeyer Abtei.

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