IHK-Debatte zum Null-Schadstoff-Ziel der EU
Kommt aus Brüssel eine „Monsterwelle an Bürokratie“auf die Unternehmen zu, wie die Welt jüngst titelte? Diesen Eindruck vermittelte auch Götz Reichert vom Freiburger Centrum für Europäische Politik (CEP) bei einer Veranstaltung der IHK Saar. „Es ist nicht einfach, bei der Fülle der Vorhaben einen Überblick zu behalten.“Reichert sprach über das Null-Schadstoff-Ziel der EU, die sich vorgenommen hat, die Netto-Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 auf null zu reduzieren. Bis 2030 sollen sie bereits um mindestens 55 gesenkt werden („Fit for 55“).
Dabei machte der CEP-Experte deutlich, „dass eine völlig schadstofffreie Umwelt nicht erreichbar ist, weder technisch noch zu verhältnismäßigen Kosten“. Ziel solle eine „schadstoffarme Umwelt sein“. Denn „Schadstoffe sind per se nicht schädlich, die Dosis macht das Gift“. Außerdem müsse man unterscheiden, ob sie in einem Produkt gebunden seien oder „frei umherschwirren“. Die EU-Kommission will es genau wissen, entsprechend breit gefächert sind die Themen und die Regelwerke. „Schon das Null-Schadstoff-Ziel umfasst einige Unterpunkte“, erläuterte der CEP-Fachbereichsleiter. So soll auch die Biodiversität geschützt werden. Außerdem will die EU eine Kreislaufwirtschaft organisieren, in der möglichst alle Ressourcen wiederverwertet werden.
Die Luftschadstoff-Ziele sollen dafür sorgen, dass die Zahl der frühzeitigen Todesfälle wegen schlechter Luft bis 2030 um 55 Prozent sinken soll – „wer immer diesen Wert festgelegt hat“. Vier Richtlinien – von Luftqualität bis Gebäude-Effizienz – sollen sicherstellen, dass dies geschieht. Bis 2030 sollen zudem 50 Prozent weniger Kunststoffabfälle im Meer schwimmen, und der Anteil an Mikroplastik im Wasser muss um 30 Prozent sinken, was durch weitere vier Richtlinien und Verordnungen sichergestellt werden soll. Jüngstes Beispiel ist die Mikroplastik-Verordnung vom 17. Mai, die festschreibt, wie viele dieser Kunststoff-Winzlinge freigesetzt werden dürfen, wenn sich Reifen oder synthetische Textilien abnutzen. Drei Paragrafenwerke sind nötig, um in der EU zu erreichen, dass 50 Prozent weniger Pestizide bis 2030 genutzt werden dürfen. Weitere Ziele sind, dass „erheblich weniger Abfall“anfällt und 50 Prozent weniger Siedlungsabfall (fünf Richtlinien und Verordnungen). Hinzu kommt die Ökodesign-Verordnung, die festlegt, wie langlebig, reparier- und wiederverwertbar sowie recyclingfähig Produkte künftig sein müssen.
In einer Podiumsrunde merkte der SPD-Landtagsabgeordnete Sebastian Schmitt an, „dass nicht nur in Brüssel die Paragrafenfülle unüberschaubar geworden ist“. Hinzu käme die Regelungsdichte in Bund und Ländern, „was nicht selten zu Doppelregulierung und Widersprüchen führt“. Schmitts Parlamentskollege Roland Theis (CDU) sprach sich im Umweltschutz für mehr marktwirtschaftliche Instrumente aus. „Der EU-weite CO2-Handel mit Verschmutzungsrechten hat bei der Industrie gut funktioniert“, habe Emissionen verringert, erinnerte er. Dem konnte CEP-Experte Reichert nur zustimmen.