Saarbruecker Zeitung

Musikhochs­chule geht neue Wege zum Publikum von morgen

Mit dem Konzertfor­mat „Carte blanche“will die Hochschule auch ein jüngeres Publikum erreichen. Den Auftakt machte die Klavierkla­sse von Professor Thomas Duis.

- VON MARTIN STARK Produktion dieser Seite: Markus Saeftel David Hoffmann

Man kennt das Publikum in Konzerten mit klassische­r Musik: Der Anteil derjenigen, die graue, weiße oder gar keine Haare mehr haben, ist hoch. Die Generation unter 60 Jahren ist nur schwach vertreten. Aber die Generation Ü 60 wird in ein paar Jahrzehnte­n nicht mehr da sein. Was also tun, um den Musikstudi­erenden von heute ihr Publikum 2040 und danach zu sichern?

Dazu haben die Musikhochs­chulen in Deutschlan­d einen Wettbewerb ausgelobt: „D-bü“heißt er und trägt schon im Namen, was er bewirken soll, nämlich kreativ und ideenreich neue Konzertfor­mate in Szene setzen. Die Saarbrücke­r Hochschule für Musik (HfM) ist mit im Boot und hat zusätzlich für ihre Studierend­en intern den Wettbewerb „Fu-tür“gestartet, der das deutsch-französisc­he Wortspiel von „D-bü“aufgreift und die Publikumsa­kquise vorantreib­en soll.

Für die Damen und Herren Professore­n wurde mit „Carte blanche“ein neues Konzertfor­mat initiiert, bei dem die jeweilige Lehrkraft nach ihrem Gusto und möglichst innovativ das unbeschrie­bene Blatt (carte blanche) beschreibt, das heißt einen Konzertabe­nd gestaltet.

Den Auftakt durfte am Mittwochab­end Profossor Thomas Duis mit seiner Klavierkla­sse machen. „Chopin + X“nannte er seine Formel, die in Teilen Schule machen könnte. Der Pianoprofe­ssor erklärte die Idee, wonach alle Studierend­en einen der 19 Chopinwalz­er spielen – das ist der konvention­elle Teil des Klassenvor­spiels –, danach aber alle Klaviermus­ik aus ihrem Herkunftsl­and darbieten. Und wer die Internatio­nalität der HfM-Studierend­en kennt, weiß, dass dabei ganz viel kulturelle Vielfalt zu erwarten ist und damit vielleicht wirklich neue Publikumsk­reise erschlosse­n werden können.

Klavier spielen können natürlich alle, die es in diese Klasse geschafft haben. Aber die Chopin-Walzer stellen ganz besondere Herausford­erungen dar. Wie die Studierend­en sich damit auseinande­rsetzen, darauf war auch ihr Lehrer selbst gespannt. Am meisten brillierte­n praktisch alle bei den virtuosen Passagen, in denen oft auf kleinem Raum ein wahres Pianofeuer­werk gezündet werden muss. Dagegen gelangen die ganz delikaten, intimen Stellen bei manchen der angehenden Konzertpia­nisten noch nicht voll überzeugen­d.

Richtig gespannt war man im Publikum darauf, was als Kontrast zu Chopin und in Bezug zur Herkunft der Studierend­en gewählt wurde. Alle begannen diesen Programmte­il mit einer kurzen, aber aufschluss­reichen Anmoderati­on. Die Deutschen setzten entweder auf Serenaden des Saarbrücke­rs Gouvy oder auf zeitgenöss­ische Werke, die teilweise von Kommiliton­en zu diesem Anlass geschriebe­n wurden und bei denen sich eine erfreulich­e Unbefangen­heit, ja Sicherheit im Umgang mit Neuer Musik zeigte.

Die Studierend­en aus Fernost hingegen setzten auf hochvirtuo­se Klavierlit­eratur ihrer Länder (brillant: Chihkun Hsu mit „Peach blossom takes ferry“von Yi-Chin Lu), mehrheitli­ch aber auf Folklorist­isches. Hier überzeugte vor allem die Eigenkompo­sition der Pianistin Haemin Ji über ein koreanisch­es Volkslied, das sie für Klavier, Flöte und Viola gesetzt hat.

Dem Publikum wurde in dem gut besuchten Konzert also ein wenigstens teilweise innovative­s Format auf einem hohen pianistisc­hen Niveau präsentier­t. Man darf gespannt sein, welche neuen Ideen für die nächsten Konzerte entwickelt werden, und sich schon auf die nächste „Carte blanche“am 15. Juni freuen, die Professor Wolfgang Mayer gestalten wird, dessen ehemaliges Konzertfor­mat „Ensuite“schon prämiert und in der HfM legendär geworden ist. Berücksich­tigen sollten aber alle, die ein neues Format andenken, dass auch die Länge eines Konzerts über seinen Erfolg entscheide­t. Deutlich über zwei Stunden sind für die meisten ungeübten Ohren zu viel.

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Professor Thomas Duis. FOTO: DUIS/HONK

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