Musikhochschule geht neue Wege zum Publikum von morgen
Mit dem Konzertformat „Carte blanche“will die Hochschule auch ein jüngeres Publikum erreichen. Den Auftakt machte die Klavierklasse von Professor Thomas Duis.
Man kennt das Publikum in Konzerten mit klassischer Musik: Der Anteil derjenigen, die graue, weiße oder gar keine Haare mehr haben, ist hoch. Die Generation unter 60 Jahren ist nur schwach vertreten. Aber die Generation Ü 60 wird in ein paar Jahrzehnten nicht mehr da sein. Was also tun, um den Musikstudierenden von heute ihr Publikum 2040 und danach zu sichern?
Dazu haben die Musikhochschulen in Deutschland einen Wettbewerb ausgelobt: „D-bü“heißt er und trägt schon im Namen, was er bewirken soll, nämlich kreativ und ideenreich neue Konzertformate in Szene setzen. Die Saarbrücker Hochschule für Musik (HfM) ist mit im Boot und hat zusätzlich für ihre Studierenden intern den Wettbewerb „Fu-tür“gestartet, der das deutsch-französische Wortspiel von „D-bü“aufgreift und die Publikumsakquise vorantreiben soll.
Für die Damen und Herren Professoren wurde mit „Carte blanche“ein neues Konzertformat initiiert, bei dem die jeweilige Lehrkraft nach ihrem Gusto und möglichst innovativ das unbeschriebene Blatt (carte blanche) beschreibt, das heißt einen Konzertabend gestaltet.
Den Auftakt durfte am Mittwochabend Profossor Thomas Duis mit seiner Klavierklasse machen. „Chopin + X“nannte er seine Formel, die in Teilen Schule machen könnte. Der Pianoprofessor erklärte die Idee, wonach alle Studierenden einen der 19 Chopinwalzer spielen – das ist der konventionelle Teil des Klassenvorspiels –, danach aber alle Klaviermusik aus ihrem Herkunftsland darbieten. Und wer die Internationalität der HfM-Studierenden kennt, weiß, dass dabei ganz viel kulturelle Vielfalt zu erwarten ist und damit vielleicht wirklich neue Publikumskreise erschlossen werden können.
Klavier spielen können natürlich alle, die es in diese Klasse geschafft haben. Aber die Chopin-Walzer stellen ganz besondere Herausforderungen dar. Wie die Studierenden sich damit auseinandersetzen, darauf war auch ihr Lehrer selbst gespannt. Am meisten brillierten praktisch alle bei den virtuosen Passagen, in denen oft auf kleinem Raum ein wahres Pianofeuerwerk gezündet werden muss. Dagegen gelangen die ganz delikaten, intimen Stellen bei manchen der angehenden Konzertpianisten noch nicht voll überzeugend.
Richtig gespannt war man im Publikum darauf, was als Kontrast zu Chopin und in Bezug zur Herkunft der Studierenden gewählt wurde. Alle begannen diesen Programmteil mit einer kurzen, aber aufschlussreichen Anmoderation. Die Deutschen setzten entweder auf Serenaden des Saarbrückers Gouvy oder auf zeitgenössische Werke, die teilweise von Kommilitonen zu diesem Anlass geschrieben wurden und bei denen sich eine erfreuliche Unbefangenheit, ja Sicherheit im Umgang mit Neuer Musik zeigte.
Die Studierenden aus Fernost hingegen setzten auf hochvirtuose Klavierliteratur ihrer Länder (brillant: Chihkun Hsu mit „Peach blossom takes ferry“von Yi-Chin Lu), mehrheitlich aber auf Folkloristisches. Hier überzeugte vor allem die Eigenkomposition der Pianistin Haemin Ji über ein koreanisches Volkslied, das sie für Klavier, Flöte und Viola gesetzt hat.
Dem Publikum wurde in dem gut besuchten Konzert also ein wenigstens teilweise innovatives Format auf einem hohen pianistischen Niveau präsentiert. Man darf gespannt sein, welche neuen Ideen für die nächsten Konzerte entwickelt werden, und sich schon auf die nächste „Carte blanche“am 15. Juni freuen, die Professor Wolfgang Mayer gestalten wird, dessen ehemaliges Konzertformat „Ensuite“schon prämiert und in der HfM legendär geworden ist. Berücksichtigen sollten aber alle, die ein neues Format andenken, dass auch die Länge eines Konzerts über seinen Erfolg entscheidet. Deutlich über zwei Stunden sind für die meisten ungeübten Ohren zu viel.