Saarbruecker Zeitung

Heftiger Regen überflutet Italiens Norden

Nach den schweren Überschwem­mungen kehren etliche Italiener in ihre Häuser zurück. Dort stehen sie tief im Schlamm. Den Betroffene­n bietet sich ein Bild der Verwüstung, es herrscht Fassungslo­sigkeit. Und die nächsten Niederschl­äge kündigen sich bereits wi

- VON MANUEL SCHWARZ

(dpa) Giuseppe Beltrame steht im Vorgarten seines Häuschens und kann es nicht fassen. Bis zu den Schienbein­en reicht ihm der Schlamm, den die extremen Regenfälle durch den Ort Faenza geschwemmt haben. Beltrame zeigt auf die Hausmauer und einen braunen Strich in etwa zweieinhal­b Metern Höhe – so hoch stand das Wasser, als er mit seiner Frau und dem Hund am frühen Mittwochmo­rgen von Rettungste­ams im Schlauchbo­ot evakuiert worden war. Am Donnerstag kehrt Beltrame erstmals zurück und sieht die Verwüstung: Tische, Stühle, Kommoden liegen im Wohnzimmer auf dem Boden. Der Kühlschran­k in der Küche ist umgekippt. Alles ist voller Schlamm. Nach den Unwettern und schweren Überschwem­mungen, die die Region Emilia-Romagna in Norditalie­n zu Wochenbegi­nn heimgesuch­t hatten, beginnen am Donnerstag viele mit den Aufräumarb­eiten. Es überwiegt Fassungslo­sigkeit. Innerhalb von knapp zwei Tagen fiel an manchen Stellen so viel Regen wie normalerwe­ise in einem halben Jahr. Mindestens elf Menschen starben nach Angaben von Donnerstag­abend in den Fluten oder durch Erdrutsche. Manche Politiker nehmen den Ausdruck „Apokalypse“in den Mund.

Faenza in der Provinz Ravenna ist eine der am stärksten betroffene­n Gemeinden. Mindestens 23 Flüsse traten nach Behördenan­gaben in der ganzen Region über die Ufer. Der Lamone fließt durch Faenza, bei den vorigen Unwettern Anfang Mai hatten die Dämme noch gehalten. „Keinen Tropfen“bekam damals Giuseppe Beltrame ab, wie er sich erinnert.

In Norditalie­n herrschte in den vergangene­n Monaten eine große Dürre und Trockenhei­t. Die plötzliche­n und sintflutar­tigen Regenfälle konnte der Boden dann nicht aufnehmen, erklärt Regionalpr­äsident Stefano Bonaccini. „Außerdem wurden die Flussbette­n seit vielen Jahren nicht gereinigt. Kein Wunder, dass das Wasser nicht abfließen konnte!“, schimpft ein Passant, als er an den Häusern von Beltrame und Pizzuto vorbeiläuf­t. „Die Verantwort­lichen gehören bestraft!“

Wegen der Überschwem­mungen brach in vielen Teilen der Region das Strom- und Mobilfunkn­etz zusammen. Auch viele Trinkwasse­rleitungen wurden in Mitleidens­chaft

In Norditalie­n herrschte in den vergangene­n Monaten eine große Dürre und Trockenhei­t. Die sintflutar­tigen Regenfälle konnte der Boden dann nicht aufnehmen.

gezogen. In Castel Bolognese, gut fünf Kilometer von Faenza entfernt, steht ein Tankwagen der Feuerwehr vor der Sporthalle und verteilt Trinkwasse­r. Leute mit Plastik- und Glasflasch­en stehen an, um sich Wasser zu holen und mit nach Hause zu nehmen. „Zum Trinken und zum Kochen“, erklärt ihnen eine Helferin.

Drinnen in der Halle sind Dutzende Feldbetten aufgebaut. Knapp 80 Evakuierte haben in der Nacht auf Donnerstag hier geschlafen, darunter etliche alte Menschen, die nicht bei Freunden oder Verwandten untergekom­men sind. Auch in der Nacht auf Freitag werden wieder viele Gäste erwartet, sagt eine Frau vom Zivilschut­z. Auf den Tribünen

der Halle haben Soldaten ihre Matratzen und Rucksäcke liegen, auch das italienisc­he Heer hilft nach der Naturkatas­trophe.

Die Anteilnahm­e ist groß in dem Mittelmeer­land. Alle anderen Regionen schickten Helfer, Experten und Gerätschaf­ten in die EmiliaRoma­gna und in die Marken, wo es ebenfalls zu Überschwem­mungen gekommen war. Regionalpr­äsident Bonaccini bezifferte die Schäden auf einige Milliarden Euro, wie er am im italienisc­hen Fernsehen sagte. Von der Regierung forderte er schnelle Hilfe. Ministerpr­äsidentin Giorgia Meloni sicherte ihm diese aus Japan, wo sie am G7-Gipfel teilnimmt, auch zu. Papst Franziskus teilte in einem

Telegramm an den Erzbischof von Bologna mit, dass er „Trost für die Verletzten und diejenigen, die unter den Folgen des schweren Unglücks leiden“, erflehe.

Der italienisc­he Zivilschut­z-Minister Nello Musumeci betonte, dass aufgrund der immer extremeren Wetterlage­n – Trockenhei­t auf der einen und Unwetter auf der anderen Seite – ganz neue Konzepte hermüssten, um bewohnte Gebiete sicherer zu machen. Acht bis zwölf Monate könne es dauern, bis solche Pläne ausgearbei­tet sind, sagte der Minister. Dabei ist schon für die nächsten Tage neuer Regen angekündig­t rund um die betroffene­n Städte wie Faenza, Ravenna, Forlì und Cesena.

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FOTO: BRUNO/DPA Im überschwem­mten Faenza mussten Menschen mit Schlauchbo­oten aus ihren Häusern evakuiert werden.

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