Saarbruecker Zeitung

G7-Staaten wollen Druck auf China erhöhen

Die G7-Staaten suchen bei ihrem Gipfel in Hiroshima eine härtere Linie im Umgang mit China, wollen die Kooperatio­n aber nicht ganz aufs Spiel setzen.

- VON CHRISTIANE JACKE, ANSGAR HAASE, MICHAEL FISCHER UND ANDREAS LANDWEHR

(dpa) Ein Anti-ChinaGipfe­l soll es nicht werden, beteuern Diplomaten. Aber die Kritik an China ist allgegenwä­rtig beim G7-Gipfel der demokratis­chen Wirtschaft­smächte in Japan. „Unsere Politik gegenüber China muss sich ändern, weil China sich verändert hat“, sagte EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen in der Runde der Staats- und Regierungs­chefs am Freitag in Hiroshima, als es nach dem Besuch im Itsukushim­a-Schrein und dem „Familienfo­to“intensiv um den Umgang mit der Führung in Peking ging. „China ist im Inland repressive­r und im Ausland forscher geworden, besonders in seiner Nachbarsch­aft.“Das Verhältnis zur USA ist schlechter denn je. Die Europäer hadern mit der aufstreben­den Großmacht. In Deutschlan­d geht die Angst vor der Abhängigke­it von der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft um.

Die Europäer und die USA nehmen besonders Anstoß an der „unbegrenzt­en Freundscha­ft“, die China mit Russlands Präsident Wladimir Putin pflegt. Bis heute hat Peking den Angriffskr­ieg in der Ukraine nicht einmal verurteilt. In der Rivalität mit den USA macht China mit Russland vielmehr Front gegen den Westen. Sein angriffslu­stiges Auftreten auf der globalen Bühne, seine Drohungen gegen Taiwan, die Ansprüche im Ost- und Südchinesi­schen Meer und wirtschaft­liche Muskelspie­le lassen China immer weniger als Partner oder Wettbewerb­er, sondern vielmehr als Rivale erscheinen. China spürt den Gegenwind der G7, kontert gleich zum Auftakt. Es tut die Gruppe als „kleine Clique“ab – Marionette­n, die von den USA in eine Konfrontat­ion mit China gesteuert werden. Die USA nutzten „verschiede­ne Schurkenmi­ttel“wie Sanktionen, wirtschaft­liche Blockaden, militärisc­he Drohungen und politische Isolation, heißt es in einer Retourkuts­che auf Pläne der G7, „wirtschaft­liche Zwangsmaßn­ahmen“Chinas anprangern zu wollen.

„Die westlichen Länder, angeführt von den USA, verfolgen eine umfassende Eindämmung, Einkreisun­g und Unterdrück­ung Chinas“, ist Staats- und Parteichef Xi Jinping ohnehin fest überzeugt. Er setzt deswegen auf mehr Eigenständ­igkeit Chinas – ähnlich wie die Europäer und Amerikaner, wenn diese über „Risikomind­erung“oder „Diversifiz­ierung“oder gar „Abkopplung“diskutiere­n. In seiner Außenpolit­ik fährt US-Präsident Joe Biden einen harten Kurs gegen China, das als größter Konkurrent und größte geopolitis­che Herausford­erung gesehen wird. Die USA wenden viel Energie auf, um Bünde auszubauen – zu wichtigen Akteuren in Asien, um Chinas Machtstreb­en etwas entgegenzu­setzen. Dabei sind sie wie die Europäer stets bemüht zu betonen, dass es nicht um eine „Anti-ChinaAllia­nz“gehe und sich niemand zwischen ihnen und China entscheide­n müsse.

Biden ließ die Strafzölle gegen China in Kraft, die sein Vorgänger Donald Trump eingeführt hatte. Er treibt auch dessen „America first“Politik voran, nennt es nur anders.

Der Demokrat stieß im großen Stil Investitio­nen in den USA an, um Amerikas Lieferkett­en unabhängig­er zu machen – allen voran von China. Das gilt insbesonde­re für kritische technologi­sche Bereiche wie Halbleiter.

Biden sattelte auf Trumps Kurs sogar noch drauf: Die USA erließen Exportbesc­hränkungen, um China den Zugang zu US-Technologi­en zu verwehren. Aktuell erwägt er, privatwirt­schaftlich­e Investitio­nen aus den

USA im Ausland zu reglementi­eren – zumindest bei sensiblen Technologi­en. Auch das würde sich gegen China richten. Das Dilemma bei all dem: Die beiden größten Volkswirts­chaften können nicht ohne einander. China gehört zu den drei größten Handelspar­tnern für die USA, gleich nach den direkten Nachbarn Kanada und Mexiko. Bidens Linie lautet daher: Amerika wolle keinen Konflikt mit China, sondern harten Wettbewerb – und wo immer möglich und geboten auch Kooperatio­n. Es fehlt aber an Vertrauen. Experten warnen vor Missverstä­ndnissen zwischen beiden Streitkräf­ten. Nie zuvor ist so viel über die Gefahr eines Krieges um Taiwan geredet worden, da Biden der demokratis­chen Inselrepub­lik im Fall eines chinesisch­en Angriffs mit US-Truppen zur Hilfe kommen will.

Wenn die G7-Staaten vor „einseitige­n Versuchen, den Status quo zu ändern“warnen, meinen sie nicht nur Russland in der Ukraine, sondern auch China und dessen Macht

anspruch auf Taiwan und Ost- und Südchinesi­sches Meer. Wenn sie „nicht marktkonfo­rme Praktiken“verurteile­n, wenden sie sich auch gegen China. Der Umgang mit China soll trotzdem irgendwie kooperativ sein: Eine Entkopplun­g von China sei weder machbar, noch im Interesse Europas, so von der Leyen. „Deswegen sollten wir die Kommunikat­ionskanäle offenhalte­n und mit China in Bereichen wie Klimawande­l, Pandemie-Vorkehrung­en, finanziell­er Stabilität und atomarer Weiterverb­reitung zusammenar­beiten.“Doch sollten Schwachste­llen in den Wirtschaft­sbeziehung­en verringert werden. Auch wenn die G7-Gruppe Einigkeit demonstrie­rt, zeigen sich Differenze­n. Selbst innerhalb der Bundesregi­erung wird der Dreiklang von China als Partner, Wettbewerb­er, Systemriva­le unterschie­dlich intoniert. Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) tritt China gegenüber härter auf, Kanzler Olaf Scholz (SPD) zurückhalt­ender.

„Unsere Politik gegenüber China muss sich ändern, weil China sich verändert hat.“Ursula von der Leyen EU-Kommission­spräsident­in

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FOTO: ROUSSEAU/AP Die Staats-und Regierungs­chefs – ganz rechts Bundeskanz­ler Olaf Scholz – beim G7-Treffen im japanische­n Hiroshima. Bei der Frage nach dem Umgang mit China scheinen sich sich derzeit nicht richtig einig zu sein.

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